Seewölfe Paket 20. Roy Palmer

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Seewölfe Paket 20 - Roy Palmer


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zu Boden. Fierro war mit einem Satz über ihm, zerrte ihn wieder zu sich hoch und schickte ihn mit zwei Schlägen zu Boden. Beide waren besinnungslos und rührten sich nicht mehr.

      Langsam drehte sich Fierro zu den anderen um.

      „Hat sonst noch jemand was zu sagen?“ fragte er drohend.

      Vitaliano lag mit sich selbst im Widerstreit. Sollte er jetzt rebellieren? Er war schnell mit dem Messer – und er hatte eine Pistole. Seine drei Abenteuer-Kumpane standen auf seiner Seite, und gewiß gelang es ihm, auch die anderen mitzureißen. Aber Fierro war in der momentanen Situation doch ein zu gefährlicher Gegner. Vitaliano wollte sein Leben nicht leichtfertig riskieren. Später, wenn sich Fierro wieder beruhigt hatte, würde sich eine günstigere Gelegenheit bieten, ihm das Ruder zu entreißen.

      Auch Marcela Buarcos hatte Probleme mit ihren Kerlen. Aber wieder schaffte sie es mit beißendem Spott, sie bei der Stange zu halten. Als sie zu murren und zu fluchen begannen, baute sie sich breitbeinig vor ihnen auf, lachte kalt und stemmte die Fäuste in die Seiten.

      „Was seid ihr bloß für Männer?“ fragte sie höhnisch. „Oder soll ich euch Memmen nennen? Moreno, was ist mit dir? Hast du die Hosen auch schon voll?“

      „Natürlich nicht“, erwiderte Moreno. „Aber wir haben Pech gehabt. Wir haben zu viele Männer verloren.“

      „Das müssen wir in Kauf nehmen, es bleibt uns nichts anderes übrig“, sagte sie schroff. „Reißt euch zusammen. Wir müssen uns eine neue Taktik ausdenken.“

      Kein Mann ließ sich gern eine Memme nennen. Die Kerle beruhigten sich wieder. Marcela teilte Wein aus, und der Groll über die Niederlage wurde halbwegs ertränkt.

      Aber wie sie das Achterdeck erobern sollte, wußte Marcela ebensowenig wie Fierro an Bord der „San Sebastian“.

      Die Situation blieb unentschieden bis auf die Tatsache, daß die Meuterer Verluste hatten hinnehmen müssen, ohne etwas erreicht zu haben.

      Ja, was wollten sie überhaupt erreichen? Daß sie nicht mehr der Schiffsführung zu gehorchen hatten, war immerhin schon etwas, vor allem für die ehemaligen Gefangenen aus dem Kerker von Cadiz. Aber Abenteurer wie Vitaliano dachten da jetzt weiter. Vitaliano vertrat die Ansicht, daß man die „San Sebastian“ erobern und zu Kaperfahrten umrüsten müßte. Seine Worte fanden bei allen Kerlen Gehör, selbst Fierro horchte auf. Vitaliano wußte anschaulich darzulegen, warum sie nicht aufgeben durften und welchen Schatz die Galeone als solche für sie bedeutete. Er war ein besserer Erzähler als Fierro. Alles, was er sagte, klang sehr überzeugend.

      Marcela Buarcos fand Unterstützung durch einen Mann namens Orvieto, der sich bislang mehr im Hintergrund gehalten hatte.

      „Marcela hat recht“, sagte er. „Ist euch überhaupt klar, was dieser Kahn, die ‚Almeria‘ für uns wert ist? Wie viele Golddublonen man brauchen würde, um ein Schiff wie dieses zu kaufen? Ich glaube, keiner von euch hat darüber nachgedacht.“

      „Ich schon“, sagte Moreno, der sofort eifersüchtig auf den Mann wurde, weil Marcela ihm anerkennende Blicke zuwarf. „Ich bin ja auch nicht blöd.“

      „Will ich nicht behaupten“, sagte Orvieto forsch. „Aber der Weg zu Gold, Silber, Diamanten und Reichtum führt über die Eroberung des Schiffes. Daran gibt es nichts zu rütteln.“

      „Wir machen weiter“, sagte Marcela.

      „Ja, wir kämpfen weiter“, brummten die Kerle zusammen. Der viele Wein hatte ihre Stimmung wieder etwas gehoben.

      Vitaliano und Orvieto fanden also bei Fierro und bei der Buarcos offene Ohren für das, was sie eingehend ausmalten, obwohl beide – sowohl Fierro als auch die Hure – bis auf diese Zwangsreise noch nie zur See gefahren waren. Bei dem größten Teil der Kerle traf dies ebenfalls zu. Aber eine vage Vorstellung von dem freien und wilden Leben, das Piratenbanden offenbar führten, hatten sie natürlich auch schon.

      Die Stürme hatten ihnen zwar gereicht, aber die Verlockung, das Rauhgewerbe auf See zu betreiben – davon hatten sie schon viel gehört –, überwog die Angst vor den ihnen im Grunde fremden Elementen See und Wind. Einiges hatten sie auf der Reise ja auch schon gelernt, von Navigation hatten sie allerdings nicht die geringste Ahnung.

      Nur die Abenteurer wie Vitaliano oder Orvieto wußten in etwa, wo man sich befand. Dafür schlugen sie um so kühnere, lautere Töne darüber an, daß in der Karibik Milch und Honig fließe, sprich Gold- und Silberschätze, um die man die eigenen Landsleute nur zu erleichtern brauche.

      Fierro und die Buarcos konnten sich beim derzeitigen Stand der Dinge wirklich glücklich schätzen, diese Glücksritter und Hasardeure auf ihrer Seite zu haben. Man schwelgte also in den Vordecks beider Galeonen im künftigen Reichtum und trank sich allmählich, aber systematisch einen gewaltigen Rausch an.

      Zwar hatten sowohl Fierros Kerle als auch die Mitglieder der Marcela-Buarcos-Bande mitgekriegt, was sich auf dem jeweils anderen Schiff abgespielt hatte, doch es war die gewieftere Marcela, die jetzt den Faden im Vordeck der „Almeria“ weiterspann und auf eine geniale Idee verfiel.

      „Hört mal alle zu“, sagte sie und tauschte wieder einen bedeutungsvollen Blick mit Orvieto. „Wir müssen uns mit den anderen da drüben auf der ‚San Sebastian‘ verbünden. Daran hat wohl noch keiner von euch gedacht, was?“

      „Ich habe es mir schon überlegt“, entgegnete Orvieto. „Aber es ist riskant.“

      „Was ist denn nicht riskant?“ fragte sie und lachte. „Alles! Das ganze Leben! Wer Erfolg haben will, muß was wagen. Also: Gemeinsam mit den anderen sind wir stärker. Wir könnten zusammen erst mal ein Achterdeck ausheben – das von der ‚San Sebastian‘. Dann haben wir ein Schiff und können damit gegen diesen elenden Kahn kämpfen. Na, was haltet ihr davon?“

      „Hört sich nicht schlecht an“, erwiderte Moreno, der unbedingt etwas äußern wollte, um nicht hinter dem gewandteren Orvieto zurückzustehen. „Dann haben wir nämlich genug Waffen, um gegen die ‚Almeria‘ zu kämpfen. Ja, das klingt gut.“

      „Aber wie sollen wir mit denen da drüben Verbindung aufnehmen?“ fragte Orvieto. „Es gibt keine Möglichkeiten der Verständigung. Die Beiboote befinden sich im übrigen auf der Kuhl, an die kommen wir nicht heran.“

      „Das wäre Selbstmord“, sagte ein anderer Kerl.

      „Es gibt eine Möglichkeit“, sagte Marcela. „Wir können rüberschwimmen.“

      „Hölle und Teufel“, sagte Moreno. „Dabei riskieren wir aber, abzusaufen.“

      „Kannst du etwa nicht schwimmen?“ fragte sie ihn verächtlich.

      „Nicht so gut.“

      „Ich kann schwimmen“, erklärte Orvieto – unvorsichtigerweise, wie er rasch begreifen sollte. Aber es war zu spät, er konnte nicht mehr zurück. Im übrigen hatte der Wein auch ihn angeheizt, er fühlte sich zu immensen Heldentaten berufen. „Hand hoch, wer noch schwimmen kann!“ rief er.

      Nur fünf der Kerle, so stellte sich heraus, hatten das Schwimmen tatsächlich gelernt. Auch Marcela konnte es nicht, aber sie hatte genug Mut, das Unternehmen wieder selbst in die Hand zu nehmen.

      „Ich schwimme allein rüber, wenn ihr zu feige dazu seid“, sagte sie. „Begeistert scheint ihr von meinem Plan wohl nicht zu sein. Egal, ich kann mir selbst helfen.“ Sie erhob sich und traf Anstalten, das Vordeck zu verlassen und auf die Galionsplattform zu gehen.

      „Hinterher“, sagte Moreno. „Ihr wollte sie doch wohl nicht wirklich allein schwimmen lassen; wie?“

      „Natürlich nicht“, sagte Orvieto und sprang mit ihm zusammen auf.

      „Aber was ist mit den Haien?“ fragte einer der Kerle.

      „Die Haie schlafen nachts“, entgegnete Orvieto und lachte – tollkühn und äußerst verwegen, wie er meinte.

      Marcela hatte ihre Schritte beschleunigt und befand sich bereits in dem schmalen Gang, der zum


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