Seewölfe Paket 20. Roy Palmer

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Seewölfe Paket 20 - Roy Palmer


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ich mir, es sei richtig, nach dem Rechten zu sehen.“

      Ramóns Blick war fest auf sein Gesicht gerichtet. „Señor, Sie sind kein Spanier – und bestimmt auch kein Handelsfahrer. Wer sind Sie?“

      „Ein guter Freund.“

      „Ein Pirat?“ fragte Ramón leise.

      „Piraten bieten Hilfsbedürftigen im allgemeinen nicht ihre Unterstützung an, sondern plündern sie kaltblütig aus“, entgegnete der Seewolf. „Was Sie am dringendsten brauchen, scheint Trinkwasser zu sein, und natürlich Proviant. Kann ich mit Ihrem Kapitän darüber reden?“

      „Das nehme ich an“, erwiderte Ramón.

      „Wo ist er?“

      „In seiner Kapitänskammer. Sein Name ist Juan Alentejo. Er ist ebenfalls verwundet.“

      Hasard lächelte. „Aber wahrscheinlich ist er genauso zäh wie Sie, mein Freund. Gehören Sie zu den Offizieren?“

      „Nein. Ich bin Schmiedemeister.“

      „Sie sind also ein Mann der Crew?“

      „Auch das nicht. Ich bin einer der Siedler, die sich auf Kuba niederlassen werden. Ich werde in den Kupferminen arbeiten, verstehen Sie?“

      „Glaub schon“, erwiderte der Seewolf. „Handelt es sich bei der ‚San Sebastian‘ und der ‚Almeria‘ um Auswandererschiffe?“

      „Das ist richtig.“

      „Und sie haben sonst keine Ladung an Bord?“

      „Die Frachträume waren vollgestopft mit Menschen“, erwiderte Ramón schwach. „Jetzt hat sich alles verlagert. Vorn hocken die Meuterer, achtern haben wir uns verschanzt. So ist die Lage auf beiden Schiffen.“ Sein Gesicht hatte die Farbe alten Talges, er war stark geschwächt. Sabina wischte ihm mit einem weißen Tuch den Schweiß von der Stirn, Pablito hatte sich zu ihr auf den Kojenrand gesetzt und drückte seine Hand.

      „Schlafen Sie, Amigo“, sagte Hasard. „Ich unterhalte mich jetzt mit dem Capitán Alentejo. Es gibt eine Lösung – für alles. Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Zukunft.“

      „Danke.“

      Hasard strich beiden Kindern mit der Hand über den Kopf. „Alles Gute. Vielleicht sehen wir uns mal wieder.“

      „Ja, hoffentlich“, sagte Pablito. „Du bist in Ordnung, Señor.“

      Hasard verließ den Raum und schritt nach achtern. Hinter ihm standen Männer und Frauen im Schiffsgang und blickten ihm mit den gleichen verdutzten und ratlosen Mienen wie vorher nach. Warum unternahmen sie nichts? War denn überhaupt sicher, daß er ihnen helfen wollte? Konnte er nicht ein Verbündeter der Meuterer sein – oder irgendein Schnapphahn?

      Es war die Art, wie Hasard sich bewegte – seine Selbstsicherheit. Sie entwaffnete, sie ließ keine Zweifel zu. Ein Mann, der sich so benahm, konnte kein Feind sein.

      Hasard schritt ungehindert auf dem Mittelgang des Achterkastells bis zur Tür der Kapitänskammer, verharrte und klopfte an. Niemand war hinter ihm. Der Erste Offizier befand sich gerade auf dem Achterdeck, ebenso der Steuermann und die anderen Offiziere. Und die Jolle der „Pommern“, die am Heck der „Almeria“ dümpelte, hatte immer noch keiner bemerkt.

      Höflich klopfte Hasard noch einmal.

      „Bitte sehr“, ertönte es von innen.

      Er öffnete die Tür.

      Juan Alentejo glaubte seinen Augen nicht zu trauen, als er im Schein der Öllampe den fremden Mann in seine Kammer treten sah.

      „Wer sind Sie?“ fragte er. „Was haben Sie hier zu suchen?“

      „Das bin ich schon ein paarmal gefragt worden“, entgegnete der Seewolf und drückte die Tür hinter sich ins Schloß. „Aber Sie brauchen nicht zu schießen. Sie können die Pistole ruhig weglegen, Señor Alentejo.“

      „Woher kennen Sie meinen Namen?“

      „Ich habe eben mit Ihren Passagieren gesprochen.“

      „Nochmals – wer sind Sie?“

      „Señor“, sagte Hasard ernst. „Mein Name tut nichts zur Sache. Ich will Ihnen nur meine Hilfe anbieten. Ich bin zufällig vorbeigesegelt und habe die Schüsse gehört. Ich hielt es für meine Pflicht, zu Ihnen an Bord zu entern und mir ein Bild von der Lage zu verschaffen. Ich habe die Frauen und Kinder gesehen, die Durst und Hunger leiden.“

      „Unsere Vorräte sind fast am Ende.“

      „Das meiste befindet sich vorn – und dort sind die Meuterer, nicht wahr?“

      „Ja.“

      „Ich habe zwei Schiffe“, erklärte der Seewolf, „ich zwei gute Crews und genug Waffen. Ich traue mir zu, diese Bande zu erledigen. Danach können Sie auf Kuba soviel Frischwasser und Proviant fassen, wie Sie wollen.“

      Alentejo atmete jetzt doch auf. Die Pistole hatte er sinken lassen. Irgendwie flößte ihm der schwarzhaarige Riese unglaublichen Respekt ein, aber auch großes Vertrauen. „Aber – wie stellen Sie sich eine solche Rettungsaktion vor, Señor?“

      „Überlassen Sie das ruhig mir. Wichtig ist, daß Sie Ihre Männer informieren, damit sie nicht auf uns schießen, wenn wir mit unseren Beibooten aufkreuzen.“

      „Selbstverständlich. Und ich werde auch Gomez Rascón von der ‚San Sebastian‘ ein entsprechendes Zeichen geben.“

      „Ausgezeichnet. Wir schlagen zu, bevor es ganz hell wird, im Morgengrauen also.“

      „Wenn Sie das für uns tun – Santa Maria, ich weiß nicht, wie ich Ihnen dafür danken soll“, sagte Alentejo mit echten Anzeichen von Verlegenheit.

      „Wir verlangen keinen Dank“, sagte Hasard. „Es gibt ungeschriebene Gesetze der Menschlichkeit, die Sie genausogut kennen wie ich. Unterlassene Hilfeleistung ist ein erbärmliches Verbrechen. Reden wir nicht mehr darüber, Señor Alentejo. Für wichtig halte ich hingegen, daß Sie Ihren Leuten die Order geben, die Meuterer durch Schüsse ein bißchen abzulenken, wenn wir aufkreuzen.“

      „Das läßt sich einrichten“, sagte der Spanier. „Aber Sie haben mir immer noch nicht Ihren Namen verraten, Señor.“

      Hasard winkte ab. „Das ist wirklich unwichtig. Wer sich in Not befindet, braucht nicht unbedingt den Namen dessen zu erfahren, der ihm helfen will.“

      Alentejo setzte sich in seiner Koje auf. Sein Schulterverband behinderte ihn nicht, aber er hatte noch große Schmerzen. Trotzdem verzog er keine Miene. Er musterte seinen merkwürdigen Besucher aufmerksam.

      „Geben Sie sich keine Mühe“, sagte Hasard lächelnd. „Wir kennen uns nicht. Und das ist vielleicht auch gut so.“

      „Sind Sie – Engländer?“

      „Glauben Sie das?“

      „Ich meine nur, einen ganz feinen englischen Akzent bei Ihnen herauszuhören“, entgegnete Alentejo lächelnd. „Aber es lohnt sich wirklich nicht, zu viele Fragen zu stellen.“ Er erhob sich und trat auf Hasard zu, dann reichte er ihm die Hand. „Was wichtiger ist: Sie scheinen mir ein Ehrenmann vom Scheitel bis zur Sohle zu sein, Señor. Ich danke Ihnen.“

      „Bedanken Sie sich nicht zu früh.“ Hasard ergriff die ihm dargebotene Hand und drückte sie fest. „Sagen Sie mir lieber genau, was vorgefallen ist, damit ich meine Taktik darauf einstellen kann.“

      Das tat Juan Alentejo, und der Seewolf lauschte aufmerksam seinen Worten.

      Kurze Zeit darauf verließ er die Kapitänskammer, kehrte in den Passagierraum zurück und verließ das Schiff auf dem Weg, den er auch vorher gewählt hatte. Im Fenster wandte er sich noch einmal um.

      „Wir hauen euch raus“, sagte er zu den Männern, Frauen und Kindern. „Verlaßt euch drauf.“

      „Viva!“


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