Juwelennächte. Karin Joachim

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Juwelennächte - Karin Joachim


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wollen doch damit nicht sagen, dass Sie noch feiern gehen wollten und Ihnen der Tote nicht in den Kram passte?«

      »Nein«, sagte Tim Meurer. »Wir wollten keinen Ärger mit den Chefs riskieren.«

      »Ja, Tim, genau so.« Besim fühlte sich sichtlich von der gesamten Situation überfordert.

      »Aber warum? Oder haben Sie doch etwas mit dem Tod des Mannes zu tun?«

      »Nein, es war doch seit mindestens einer Stunde niemand mehr im Wasser. Das letzte Mal, als ich den Mann bewusst wahrgenommen habe, lief er auf der Wiese herum. Wir dachten, dass niemand mehr im Bad sei«, sagte Tim.

      »Gibt es keine Zählmechanismen, die erfassen, wie viele Personen hinein- und wieder hinausgehen?«

      »Schon. Aber das kontrollierten wir gestern nicht.«

      »Wenn Sie nicht wollten, dass jemand eine Beziehung zwischen dem Toten und seinem Aufenthalt in den Thermen herstellt, wieso haben Sie dann seine Sachen im Spind gelassen?«, fragte Jana, die diese Frage schon die ganze Zeit beschäftigte.

      »Uns ist das tatsächlich nicht eingefallen«, sagte Besim.

      »Wir standen unter Schock«, erklärte Tim.

      Clemens hatte genug gehört. »Sie werden auf jeden Fall Nachricht von der Staatsanwaltschaft erhalten, denn was Sie getan haben, stellt ein Offizialdelikt dar. Für das es sogar eine Haftstrafe geben kann. Und ob nicht doch noch der Tatbestand der unterlassenen Hilfeleistung im Raum steht, werden wir nach der Obduktion wissen.«

      Jana merkte, dass Clemens keine weiteren Fragen stellen wollte, doch sie trieb noch etwas um.

      »Darf ich?«, fragte sie ihn von der Seite. Er wusste sofort, was sie meinte. »Haben Sie den Badegast in der letzten Zeit öfter hier im Thermalbad gesehen? Ist Ihnen im Zusammenhang mit seiner Person etwas aufgefallen? Hat er sich vielleicht hier mit jemandem getroffen?«

      Die beiden Männer waren still geworden. Offensichtlich hatten sie gerade erst realisiert, in welch missliche Lage sie sich mit ihrem Vorgehen manövriert hatten. Jana konnte sich denken, dass sie begriffen hatten, dass ihnen neben den rechtlichen Konsequenzen auch der Verlust ihres Arbeitsplatzes drohte. Vermutlich würde sie niemand mehr in der Branche einstellen, wenn bekannt würde, wie sie mit Menschen umgingen, für deren Sicherheit und körperliche Unversehrtheit sie eigentlich zu sorgen hatten.

      Einem der beiden war tatsächlich etwas aufgefallen. Besim Arslan schilderte, dass er beobachtet hatte, wie Daniel Bender sich vor einigen Tagen über den Schutzzaun hinweg mit einer männlichen Person unterhalten hatte, die außerhalb des Bades zwischen den Büschen gestanden habe. Diese Beobachtung passte zu ihren eigenen vom gestrigen Abend. Tim Meurer konnte diese Beobachtung nicht bestätigen, fügte jedoch hinzu, dass der Mann sich gestern irgendwie seltsam verhalten habe. Als Clemens um eine genauere Beschreibung seines Eindrucks bat, antwortete Tim, dass er nichts Bestimmtes meinte, sondern dass er sich eben anders als die anderen Badegäste verhalten habe.

      »Sie beide kommen bitte heute noch auf die Ahrweiler Polizeidienststelle und melden sich bei mir.«

      Tim und Besim blieben stumm.

      »Um Ihre Aussagen zu Protokoll zu geben und einige erkennungsdienstliche Maßnahmen durchzuführen.«

      »Werden Sie uns verhaften?«, fragte Tim kleinlaut.

      »Ob Haftgründe vorliegen, entscheidet der Staatsanwalt.«

      Besim boxte seinen Freund in die Seite. »Das war eine Scheißidee, Tim!«

      »Was hätten wir denn machen sollen?«

      »Unser Job ist so oder so weg«, maulte Besim. »Also hätten wir uns doch gleich korrekt verhalten sollen und die Polizei rufen sollen, Mann!«

      »Ich sehe, Sie zeigen Einsicht bezüglich der Unrechtmäßigkeit Ihres Verhaltens. Danke, dass Sie kooperieren.« Clemens ließ die beiden im Foyer stehen. »Und nicht vergessen, heute noch!«, rief er, während er sich noch einmal zu den beiden umdrehte.

      Jana war vorausgegangen. Während sie an der am Eingang wartenden Menschenmenge vorbeilief, gab Clemens hinter ihr Steven Pesch letzte Instruktionen. Jana hörte, dass er das Bad für den Besucherbetrieb freigeben durfte. Als Clemens schließlich zu ihr stieß, hatte sie ihre Gedanken bereits sortiert.

      »Wir sollten uns mit Daniel Benders Arbeit vertraut machen. Woran hat er gearbeitet? Es könnte sein, dass er sich gestern mit einem Informanten getroffen hat. Meinst du nicht auch?«

      Clemens nickte. Sie erreichten sein Auto, das als einziges noch auf dem Gehweg parkte. Jana wollte etwas sagen wie: »Und hast du eine Knolle?«, doch sie hielt sich lieber zurück.

      »Wir fahren jetzt erst einmal nach Ahrweiler und tragen im Team zusammen, was wir bis jetzt wissen«, sagte Clemens, nachdem sie eingestiegen waren.

      3. Kapitel:

      Samstagnachmittag

      Die erste Besprechung nach dem Einsatz war rasch über die Bühne gegangen. Allzu viel gab es nicht zu berichten, und ohnehin bestand zunächst nur ein anfänglicher Verdacht, es könne sich um ein Tötungsdelikt handeln. Sobald erste Obduktionsergebnisse vorlagen und diese auf eine Fremdeinwirkung schließen ließen, wollten sich alle wiedertreffen.

      Jana und Clemens hatten gemeinsam auf Janas Dachterrasse zu Mittag gegessen und waren gerade mit Usti an der Ahr unterwegs. Von ihrer Wohnung in der Ahrweiler Altstadt aus erreichten sie den Fluss in nur wenigen Gehminuten. Das Wasser glitzerte in der Sonne. Seitdem es in den Sommermonaten weniger regnete, konnten sie den Fluss an manchen Stellen leicht überqueren. In der Nähe des Klosters Kalvarienberg staute sich das Wasser an einem Wehr. Hier gönnte Jana Usti den Spaß eines Bades. Jana wusste durch ältere Bewohner der Stadt, denen sie auf ihren zahlreichen Spaziergängen begegnet war, dass sie früher hier noch selbst geschwommen waren. Das wäre es jetzt, dachte Jana, denn im Laufe des Tages wurde es immer heißer.

      »Ich wäre jetzt gerne am Meer«, seufzte sie.

      Sie und Clemens hatten sich auf einen großen Stein am Flussufer gesetzt und beobachteten Usti bei seinen Spielchen im Wasser. Immer wieder brachte er den Ball zurück ans Ufer, den Jana unermüdlich ins Wasser warf. Doch bald hatte er genug davon, denn er kam allmählich in die Jahre, in denen es auch Hunde gern gemütlicher angingen. Sein nasses Fell, das er an Janas Beine drückte, brachte eine willkommene Abkühlung mit sich. Bevor Clemens’ Telefon klingelte, hatten sie beschlossen, zurück in die Stadt zu gehen, um ein Eis zu essen. Daraus wurde jedoch nichts mehr, denn der Anruf kam aus der Rechtsmedizin. Daniel Bender starb keines natürlichen Todes. Mehr wollte der Rechtsmediziner später während einer Videokonferenz mitteilen, zu der Clemens die Kollegen telefonisch zusammentrommelte, während Jana und er zurück zur Wohnung in der Altstadt liefen. Nachdem Jana Usti mit lauwarmem Wasser abgeduscht hatte, machte sie sich frisch und nahm gemeinsam mit Clemens eine kleine Mahlzeit im Stehen zu sich. Als sie die Wohnung verließen, war Usti bereits eingeschlafen.

      Im Besprechungsraum trafen sie auf die Kommissarin Melanie Siemer, einen Kollegen der Spurensicherung, zwei Polizeibeamte und einen IT-Spezialisten. Per Video waren der Leiter der Spurensicherung aus Koblenz und der Rechtsmediziner aus Bonn zugeschaltet.

      Alle lauschten gespannt Burgdorfs Ausführungen, der jedoch gleich zu Beginn einräumte, dass die toxikologischen Analysen noch nicht vorlagen. Dafür jedoch hatte er am seitlichen Rücken des Verstorbenen eine Einstichstelle entdeckt, die bereits mindestens vierundzwanzig Stunden alt war, eher noch älter, und die er deshalb relativ rasch entdeckt hatte, da sie leicht gerötet war. Die Stelle, an der die Injektion angesetzt worden war, sei äußerst untypisch für eine ärztliche Verabreichung, eigentlich könne er eine solche sogar gänzlich ausschließen.

      »Woran ist er denn verstorben?«, wollte Clemens ungeduldig wissen. Auch Jana und den anderen brannte diese Frage auf den Nägeln. Jana war wohl die Einzige, die die Herausforderung einer Ermittlung auch an einem Samstagnachmittag nur allzu gerne annahm.

      »An einem von einem Lungenödem hervorgerufenen Atemstillstand«, referierte Dr.


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