Traumafabrik. Robert Lorenz

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Traumafabrik - Robert Lorenz


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unter den Genannten. Selznick war „a big man of enormous energies and appetites, with a great capacity for work and life“ (Huston, John: An Open Book, New York 1994 [1980], S. 268), erinnerte sich der legendäre Regisseur John Huston; „extravagant in everything he did – or should I say magnificent?“ (Huston 1994, S. 269.) Auch in seiner ganzen Erscheinungsweise war Selznick eine imposante Figur: von großer Statur, „a giant panda of a man, standing about six feet two and permanently struggling with a weight problem“ (Niven, David: Bring on the Empty Horses. True Tails From the Golden Age of the Silver Screen, London 2006 [1975], S. 187), zudem Kettenraucher mit einer Vorliebe für trockene Martinis. Selznick galt als Schürzenjäger und empfing Leute, die er vielleicht unter Vertrag nehmen würde, im Frotteebademantel. Auf Partys schwang der extrem kurzsichtige Selznick im Martini-Rausch gerne mal gegen verschwommene Kontrahenten die Fäuste und ging meistens zu Boden.

      Der New Yorker Selznick (1902–65) war mit Anfang zwanzig nach Hollywood gekommen, seine ganze Familie steckte tief im Filmbusiness – der Vater hatte ein eigenes Studio, für das der ältere Bruder Filme produzierte. Die Firma ging jedoch pleite und hinterließ einen vor Talent und Ambition strotzenden David O. Selznick, der nun in Los Angeles sein Glück versuchte. Im Herbst 1931 machte die kriselnde RKO – damals eines der größten Filmstudios – Selznick zu ihrem Produktionsleiter. Zwischenzeitlich hatte er sich als Schwiegersohn des MGM-Autokraten Louis B. Mayer in die Hollywoodaristokratie eingeheiratet. Selznick galt als derart begabt und erfolgreich, dass ihn sogar Metro-Goldwyn-Mayer (MGM) von RKO zurückholte, obwohl Mayer mit den Selznicks eine uralte Fehde verband und er sich mit aller Macht gegen den Eheschluss zwischen seiner Tochter Irene und David O. Selznick gestemmt hatte.

      Obzwar der Name Selznick für den Hollywoodmogul Mayer also ein rotes Tuch war und er sich fürchterlich über die Heiratsabsichten seiner jüngsten Tochter aufgeregt hatte, schien Selznick offenbar über ein solchermaßen herausragendes Filmgespür zu verfügen, dass selbst der große Louis B. Mayer ihm nicht widerstehen konnte. Selznick wiederum gelang nicht nur, als ungebetener Schwiegersohn in die MGM-Führungsspitze Einzug zu halten, sondern obendrein der spektakuläre Coup, MGM gegen den Willen Mayers nach kurzer Zeit wieder zu verlassen, um seine eigene Produktionsfirma zu gründen und dennoch den größten Star seines Ex-Arbeitgebers für ebendieses Vorhaben zu gewinnen: Selznick lieh sich von MGM dessen Superstar Clark Gable aus, um „Gone with the Wind“ (1939) zu drehen.

      Selznick war nicht nur einer der fähigsten Filmemacher:innen, die jemals über die Studiogelände der Weltgeschichte wandelten, sondern auch eine der wichtigsten Gestalten in der Hollywoodcommunity. Die Sonntagnachmittage am Selznick-Pool in Beverly Hills gehörten zu den begehrtesten Freizeit-Events der Branche. Selznick-Partys waren die Orte, an denen sich Hollywood vernetzte, wo man sich kennenlernte, Freund- und Feindschaften schloss. Und auf anderen Zusammenkünften zählte Selznick zu den Hollywoodleuten, neben denen all diejenigen sitzen wollten, die gerade ihre Karriere in Gang setzen, wiederbeleben oder vorantreiben wollten. Die Anekdoten sind Legion: An Selznicks Tennisplatz waren an manchen Nachmittagen Marlene Dietrich, Claudette Colbert und Paulette Goddard gleichzeitig als Zuschauerinnen zugegen; John Huston und Errol Flynn lieferten sich nach einer Party vor Selznicks Haus eine epische Prügelei. Selznick besaß überdies ein nahezu untrügliches Gespür für Talent: Er holte Alfred Hitchcock in die USA, entdeckte Katharine Hepburn, bereitete Fred Astaires Einstieg ins Filmgeschäft vor und schickte einst eine Mitarbeiterin nach Schweden mit der Anweisung, bloß nicht ohne einen Vertrag mit einer gewissen Ingrid Bergman zurückzukehren. Sein kassenträchtiger Instinkt erstreckte sich auch auf Filme: Selznick hatte früh das Box-Office-Potenzial von „King Kong“ (1933) gewittert und dem Projekt weitere Gelder zugeführt, womit er den größten Hit in der RKO-Geschichte beförderte. Neben „Gone with the Wind“ stand er auch hinter „Duel in the Sun“ (1946) oder „Rebecca“ (1940).

      Selznick war freilich nicht nur ein grandioser Filmemacher, sondern auch einer der Produzenten, die sich – zum Verdruss vieler Regisseure – gerne in die Filmprojekte einmischten, ein Kontrollfreak, der auch die Karrieren aller Schauspielerinnen und Schauspieler, die bei ihm unter Vertrag standen, nur allzu gern bestimmte. Seine Regisseure malträtierte der Produzent mit seitenlangen Memoranden, in denen er seine Vorstellungen und Anweisungen an den Set übermittelte. Billy Wilder hätte „es nie ausgehalten, einen Produzenten wie Selznick ständig als eine Art Aufseher“ (Billy Wilder zit. nach Karasek, Hellmuth: Billy Wilder. Eine Nahaufnahme, Hamburg 1992, S. 120) anwesend zu haben.

      „What Price Hollywood?“ entstand 1932, in der kurzen Zeit also, in der Selznick zwischen Ende 1931 und Anfang 1933 den Filmausstoß von RKO kontrollierte, ehe er das Studio im Streit wieder verließ. Damals übernahm also „a very bright, spectacularly promising, youngish man“ (Olivier 2002, S. 95) die Geschicke von einem der „Big Five“, der fünf Major-Studios in Hollywood (neben RKO noch Paramount, MGM, Warner Bros. und Twentieth Century-Fox). „What Price Hollywood?“ war zwar ein Herzensprojekt des aufstrebenden Selznick, doch geschrieben hatte es im Kern die Journalistin und Drehbuchautorin Adela Rogers St. Johns. Ihre Geschichte „The Truth About Hollywood“ kaufte Selznick im Jahr 1932 und ließ sie von Jane Murfin dramaturgisch überarbeitet in ein Drehbuch fassen.

      Die Entstehung des Films steht geradezu exemplarisch für die hektische Kreativität und den haarsträubenden Improvisationsdruck, unter denen in Hollywood bisweilen gearbeitet wurde. Weil der Star des Films, Constance Bennett, nur für relativ kurze Zeit dem Projekt zur Verfügung stand, ehe sie den nächsten Streifen zu drehen hatte, mussten sich alle mit dem Drehbuch befassten Köpfe beeilen. Weil Murfins Werk nach Meinung der Produzenten noch Witz und Esprit fehlten, wurden mehrere Skriptdoktor:innen darauf angesetzt, die teilweise noch am Abend vor dem jeweils nächsten Drehtag die benötigten Szenen schrieben. Einer von ihnen war Gene Fowler, einst New Yorker Reporterstar, der so schillernde Figuren wie die Westernlegende Buffalo Bill, den Schwergewichtschampion Jack Dempsey oder das dauerbetrunkene Schauspielgenie John Barrymore zu seinen Freunden zählte. Und letztlich – nicht unüblich – erschien „The Truth About Hollywood“ bekanntlich dann unter einem ganz anderen Titel (eine weitere Alternative lautete „Hollywood Merry-Go-Round“ und sollte zu vertrauter Jahrmarktsmusik die Figuren des Films auf einem großen Karussell zeigen, während im Hintergrund charakteristische Hollywoodschauplätze eingeblendet würden).

      Laut der Filmhistorikerin J.E. Smyth sei es Selznick vor allem um den Blick auf eine gerade untergegangene Epoche gegangen. Obwohl Selznick bei der Entstehung von „What Price Hollywood?“ mit gerade einmal Anfang dreißig noch beinahe als pausbäckiger Hollywoodproduzent daherkam und Hollywood mit seiner überschaubaren Historie ja eigentlich selbst noch sehr jung war, waren sowohl Hollywood als auch Selznick mit dem Ende der Stummfilmära doch zweifellos bereits in einen neuen Geschichtsabschnitt eingetreten. Selznick hatte diese Transition nicht nur überstanden, sondern befand sich in schier unaufhaltsamem Aufstieg. Insofern gehörte er schon mit Ende zwanzig bereits zwei Zeitaltern der US-amerikanischen Filmgeschichte an. Und er hatte gerade den Tod unzähliger Karrieren miterlebt: Mary Pickford, Douglas Fairbanks oder Pola Negri gehörten urplötzlich der Vergangenheit an. Selbstmorde und Suchttode folgten. Selznick wollte die Leidtragenden des technischen Fortschritts und der üblichen Karrierekonjunkturen der im Talkie-Rausch drohenden Vergessenheit entreißen – und er wollte mit diesem Thema viel Geld verdienen, da er auf den Voyeurismus des Kinopublikums vertraute, sich Einblick in die geheimnisvolle Welt der Stars und Sternchen verschaffen zu wollen. Ein Film über Clara Bow sollte her.

      Wie vielleicht keine Zweite verkörperte Bow (1905–65) den rasanten Aufstieg zum ultimativen Star und dessen ebenso abruptes Verschwinden. Bow, kurz nach der Jahrhundertwende in Brooklyn geboren, stammte aus einfachen Verhältnissen und einer fragilen Familie – die Mutter psychisch krank, der Vater ein häufig arbeitsloser Kellner, mithin eine Verrückte und ein Taugenichts als Elternpaar –; schon früh träumte sie von einem Leben als Filmstar, gewann einen Talentwettbewerb in einem Fanmagazin, der ihre Entdeckung beförderte, und zu Beginn der Roaring Twenties nahm ihre Hollywoodkarriere dann tatsächlich Fahrt auf. Privat hatte Bow zahllose Probleme, oft schlechte Presse (Affären und Glücksspiel, Rauschgift und Alkohol). Viele in Hollywood waren promiskuitiv, alkohol- und/oder drogenabhängig – aber meist in der Lage, ihre Abstürze vor der Öffentlichkeit geheim zu halten; Clara Bow war nicht einmal gewillt, es auch nur zu versuchen. Als die 1930er Jahre mit


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