Nur ein Tropfen Leben. Christina M. Kerpen

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Nur ein Tropfen Leben - Christina M. Kerpen


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und ganz besonders zu ihrem Liebsten, eben zu allem, was Heimat ausmacht.

      Nur jetzt hat sie ein großes Problem, wie drückt man das alles am besten aus, wenn man sich gerade eben noch wie eine Verrückte so total daneben benommen hat?

      Ihr Blick richtet sich auf das Loch in der Tür. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn sie nicht so gezittert hätte. Ihr hebt sich der Magen bei dem Gedanken, dass David jetzt mausetot mitten im Raum liegen könnte.

      David interpretiert den Blick falsch und murmelt: „Mrs. Wolters kommt, sobald sie vom Einkaufen zurück ist. Die Küchenhilfe meint, Dein Blut wäre besonders flüssig, deswegen sähe es immer gleich so gefährlich aus.“

      Carol schüttelt den Kopf. „An Charlotte habe ich, ehrlich gesagt, gerade nicht gedacht.“

      Sie lächelt entwaffnend, gibt sich einen Ruck und knurrt: „Also gut, ich, hm“, das Mädchen kratzt sich schon wieder ganz in alter Manier am Kopf, „also, ich, verflucht, wie sage ich es am besten meinem Kinde? Also gut,“ das Girl schluckt und holt tief Luft. „Gut, Ihr habt mich überzeugt. Wenn wirklich niemand in Ebony Town etwas von meinem Fehltritt weiß und es auch nie erfahren wird, komme ich wieder mit Euch zurück. – Ich kann es wirklich nicht verantworten, dass die arme Susan wegen mir zur alten Jungfer wird. Wäre doch schade um das nette Menschenkind. – Aber ich komme nur unter einer einzigen Bedingung mit!“ Das Kind blickt seinen Boss sehr offen an. „Ich komme nur unter der Bedingung mit, dass Du mich nicht gleich nach unserer Ankunft vor den Traualtar schleppst. Okay, Indian?“

      Der Mann nickt ergeben. „Ich verspreche Dir alles, was Du möchtest, wenn Du nur endlich zurückkommst.“ Im Stillen denkt er jedoch: ‚Abwarten, mein Süße, abwarten!‘

      John atmet erleichtert auf und brummt: „Na Gott sei Dank, Job gerettet!“ Er drückt strahlend Carols Hände.

      Verblüfft schaut das Girl ihn an. „Was soll das denn nun schon wieder heißen?“

      John grinst, steht von Carols Bettkante auf, hebt den Zeigefinger und deklamiert mit tiefer Stimme: „Und schafft mir ja das Mädchen herbei! Wehe, Ihr wagt es Euch, ohne die Kleine zurückzukommen, dann seid ihr beide arbeitslos!“

      „Hallo, Mr. Carpenter!“, sagt das Mädchen und lacht befreit auf. „Na, dann habe ich ja überhaupt keine andere Wahl mehr. Ich will es doch nicht schuld sein, wenn Ihr nachher ohne Job dasteht, dann hätte ich ja gleich auf Willow-Tree bleiben können.“ Sie greift nach den Händen der Männer und zieht sie beide an sich heran um sie nacheinander zu umarmen. „Ach, ich weiß gar nicht, was das ist, ich komme einfach nicht los von Euch schlimmen Scheusalen.“

      Jetzt müssen alle drei herzhaft lachen und die Anspannung der letzten Tage fällt im Nu von ihnen ab und auch die vergangenen Monate sind im Handumdrehen vergessen. Sie gehören nun genau so der Vergangenheit an, wie die schlimmen letzten Minuten.

      Unvermittelt wird der Vormann wieder ernst. Er ist am Schnellsten wieder ganz der Alte. Auf seiner Stirn stehen die strengen Steilfalten, die so gar keinen Wiederspruch dulden. „Also dann, packen, mein Liebling! Der Urlaub ist zu Ende. Du bist ab sofort wieder auf der Willow-Tree-Ranch angestellt und ich dulde keinen Schlendrian. Gut, dass Du gekündigt hattest, da steht Dir für die Zwischenzeit wenigstens kein Lohn zu.“

      Während Carol knurrt: „Das ist ja mal wieder typisch!“, tritt er zu dem Revolver des Mädchens, der noch immer am Boden liegt, hebt ihn auf und steckt ihn in seinen Hosenbund. „Den nehme ich lieber an mich, sonst müssen wir vor unserer Abreise noch das ganze Hotel renovieren lassen.“

      Das Girl grinst: „Den kriege ich aber wieder, mein Lieber!“ Dann fügt sie wieder ernst und erwachsen hinzu: „Ich denke, mit der Abreise müssen wir noch eine ganze Weile warten. Das geht alles nicht so schnell. Zum einen darf ich ja eigentlich noch nicht mal aufstehen und zum anderen habe ich mir hier ein Leben aufgebaut, das reißt man nicht in ein paar Minuten wieder ein. Ich brauche nach meiner Genesung noch ein paar Tage. Vor allen Dingen muss ich mich noch von meinen Kindern verabschieden. Die werde ich am meisten vermissen.“

      Ergeben nickt David und John fragt in einer plötzlichen Eingebung: „Was hältst Du davon, wenn ich Carpenter ein Kabel schicke? Schließlich wartet er bestimmt schon sehnsüchtig auf eine Nachricht von uns. Ich werde schreiben: ‚Ausreißer leicht lädiert gefunden, kommen zurück, wenn Blessuren halbwegs verheilt und wir genug Urlaub hatten.’ Guter Text, oder?“

      Widefield zuckt zusammen, seine Augen verengen sich zu schmalen Schlitzen und er knurrt: „Und das ganze unterschreibst Du dann mit meinem Namen, was? Der Alte schmeißt mich raus. Du bist manchmal ein richtiger Kindskopf, John. Du weißt, dass ich den Job brauche, sonst kann ich Deine Schwester nicht ernähren, wenn sie erst mal meine Frau ist.“

      „Die kleine Schwester ernährt sich schon ganz gut selbst!“, kichert das rothaarige Mädchen und die Willow-Tree Männer müssen lachen. Nun nickt der dunkelhaarige Cowboy und meint: „Ich bin aber Deiner Meinung John, was das Kabel an sich betrifft. Carpenter muss endlich erfahren, was wir erreicht haben. Es muss wirklich nicht sein, dass sich der Mann unnütz Sorgen macht. Schließlich hat er sich sehr großzügig uns gegenüber erwiesen.“

      Blacky grinst. „Du glaubst gar nicht, wie gerne ich das mache, mein Freund. Es ist mir immer ein Vergnügen, so eine positive Nachricht weiterzugeben. Und glaube mir, ich werde nur kabeln: Geschäft positiv abgeschlossen, Preis war hoch. Dann kann der Boss versuchen sich einen Reim darauf zu machen und keiner ahnt, was der wirkliche Grund unserer Reise war. Carpenter hat uns schließlich ausdrücklich befohlen den Mund zu halten!“

      Er tritt an Carols Bett, um seine Schwester noch einmal zu umarmen und erstarrt. Das Girl hat die Bettdecke ein wenig angehoben und zuckt zusammen. Tonlos flüstert sie: „Ich glaube, ihr geht jetzt besser. Und wenn Charlotte endlich zurück ist, sagt ihr, sie soll vorsichtshalber den Doktor rufen.“

      Die Männer starren das Girl entsetzt an, doch sie versucht ein mattes Lächeln, welches ihr allerdings nicht so recht gelingen will. „Macht nicht solche Gesichter. Das hat wohl nicht viel zu bedeuten und ist bestimmt normal. Wenn es nach dem Doktor gegangen wäre, müsste ich mindestens noch eine ganze Woche im Bett bleiben. Vielleicht bin ich wirklich zu früh aufgestanden.“ Sie zuckt mit den Schultern. „Bitte, geht jetzt und sucht Charlotte. Sie soll sich beeilen. Es ist doch schon eine ganze Weile her, dass Du der Küchenfrau Bescheid gesagt hast David.“

      Das Mädchen bekommt von jedem der Männer einen Kuss. Der von John fällt jetzt sehr brüderlich aus und landet auf ihrer Stirn, dafür küsst der Indian seine Geliebte voller Leidenschaft. Ihm ist es egal, dass John dabei zusieht. Jetzt weiß es ja jeder, dass er das Kind liebt und dass sie beide schon bis zum Letzten gegangen sind. Außerdem werden sie hoffentlich schon bald eine richtige Familie sein.

      John kann seinen Blick nicht von Carols blutiger Kleidung wenden und räuspert sich. David reißt sich von dem Mädchen los und die Männer gehen zur Tür, wobei David murmelt: „Komm Schwager, lass uns telegrafieren!“

      Gerade als John die Türklinke fassen will, wird sie von außen heruntergedrückt und Mrs. Wolters kommt, völlig außer Atem, in den Raum gestürzt. „Der Doktor kommt auch gleich, ich habe ihm vorsichtshalber Bescheid gegeben!“, ruft sie und bleibt wie angewurzelt stehen. Voller Panik starrt sie auf das Schussloch in der Tür. „Was ist denn das?“

      John grinst. „Meine Schwester wollte ihren Witwenstatus nicht verlieren. Aber keine Aufregung, außer dem Sachschaden ist nichts weiter passiert.“

      „Oh nein, Carol, Du machst ja vielleicht Sachen!“ Weiter kommt sie nicht, denn der Doktor erscheint. Er schiebt entschlossen die Frau in den Raum, die Männer auf den Flur hinaus und dann schließt sich die Tür hinter ihm.

      Den Rest dieses und auch an den folgenden Tagen dürfen David und John nicht mehr zu Carol, denn die Aufregung war einfach zu viel für die stark geschwächte, junge Frau und hat ihr ziemlich zugesetzt.

      Sie hat außergewöhnlich viel Blut verloren und muss nun doch für einige Tage fest das Bett hüten. Es wird den besorgten Männern aber immer wieder versichert, dass sich das Girl auf dem Wege der Besserung befinde,


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