Nur ein Tropfen Leben. Christina M. Kerpen

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Nur ein Tropfen Leben - Christina M. Kerpen


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endlich wieder verlassen. Mrs. Wolters ist noch immer sehr besorgt um die Kleine, die sie in ihr Herz geschlossen hat, wie ein eigenes Kind, daher besucht sie das Mädchen recht früh an diesem Tag, noch bevor sie mit ihren Freunden zum Frühstücken geht.

      Der Tisch der Cowboys im Frühstücksraum ist heute für drei Personen gedeckt, denn Carol ist es gründlich leid, im Bett zu essen. „Wer nie sein Brot im Bette aß, der weiß auch nicht, wie Krümel pieken“, hatte sie am Abend zuvor äußerst bestimmt gesagt, als sie darum bat, dass endlich wieder im Speiseraum für sie eingedeckt werde.

      Nach einem kurzen Klopfen an Carols Zimmertür betritt Charlotte den Raum. Sie schaut sich um und stellt fest, dass es schon sehr nach Abreise aussieht. „Du meine Güte, Kind, Du musst ja schon in aller Herrgottsfrühe aufgestanden sein. Du darfst Dich auch jetzt noch nicht belasten. Ich hoffe, meinem kleinen Mädchen geht es gut und es ist alles in Ordnung.“

      „Klar, Charlotte, mir geht es blendend. Ich freue mich wahnsinnig auf zuhause. Nur noch ein paar Tage und ihr seid mich wieder quitt.“ Carol strahlt und sieht schon wieder ganz gesund aus.

      Charlotte betrachtet Carols Hab und Gut. Mit einer Hutschachtel ist sie erschienen und mit einem Schrankkoffer reist sie wieder ab. Das soll ihr erst mal einer nachmachen. Eine mittellose, alleinstehende Schwangere arbeitet sich in wenigen Monaten zu einer gemachten Dame hoch. Und das sogar auf ehrbare Art und Weise.

      „Hm“, die Hoteliersfrau tritt an die Tür. „Alles schön und gut, Du reist ab und was machen wir hiermit?“ Die Hausherrin deutet mit ihrem spitzen Zeigefinger auf das Loch in der Tür.

      „Ähem, ja, “ Carol lächelt nun etwas gequält. „Ein kleines Andenken an mich. Aber keine Sorge, ich werde in der Schreinerei Bescheid sagen, damit Du eine neue Tür bekommst. Ich werde sie auch gleich bezahlen. Ich will auch gerne für den Schaden in der Wand aufkommen. Lass es reparieren und schick mir dann die Rechnung.“

      „Na toll, ich werde es mir überlegen. Aber tu mir trotzdem den Gefallen, lasse bitte bei der Witwe Gwendale keine Andenken solcher Art zurück, wenn Du sie heute oder morgen Nachmittag besuchst. Sie hat Dich mitsamt Deinem Gefolge aus Wyoming nämlich zum Kaffee eingeladen. Du sollst nur rechtzeitig Bescheid sagen, wann Du Dich so gut fühlst, dass Ihr die Einladung annehmt.“

      „Auweia“, entfährt es dem rothaarigen Ding ehrlich erschrocken. „Das gibt bestimmt eine Gardinenpredigt. Die Witwe wird sicherlich stinksauer auf mich kleine Schlampe sein.“

      Abschied

      Da es Carol schon seit dem Aufstehen ausgesprochen gut geht, hat sie beschlossen, den Besuch bei der Witwe Gwendale nicht unnötig hinauszuzögern, denn schließlich hat sie der alten Dame sehr viel zu verdanken.

      Durch eine Hotelangestellte hat sie daher ihren Besuch für diesen Nachmittag avisieren lassen und nicht lange nach dem Mittagessen kleiden sich die Cowboys der Willow-Tree-Ranch stadtfein, damit sie nicht zu sehr von ihrem Mädchen abstechen und gemeinsam machen sie sich auf den Weg.

      John trägt ein großes Paket, welches seine Schwester ihm vor Verlassen des Hotels mit der Ermahnung, es wie ein rohes, schon angetitschtes Ei zu behandeln, in die Hand gedrückt hat. Das Mädchen selber schlenkert ungewohnt nervös einen farblich zum Kleid passenden Pompadourbeutel und sieht hinreißend aus.

      Es folgen den Dreien viele bewundernde Blicke und jeder Mensch, dem sie begegnen, grüßt freundlich und erkundigt sich nach dem Befinden der jungen Frau und bekunden ihr Beileid zu dem Verlust des Babys. Längst wissen alle Bewohner der kleinen Stadt Bescheid und es ist, trotz Charlottes anfänglichen Beteuerungen, dass es niemanden etwas angehe, auch kein Geheimnis mehr, dass die junge Lady noch Miss und keineswegs verheiratet oder gar verwitwet ist.

      Unter anderen Voraussetzungen wären die beiden jungen Männer sehr stolz, in Begleitung einer so wunderhübschen jungen Dame durch die Straßen zu spazieren, so aber fühlen sie sich reichlich unwohl unter all den prüfenden Blicken und David überlegt, ob die Leute in ihm wohl einen Unhold sehen, der kleine, unschuldige Mädchen in sein Bett zerrt.

      Doch da die Bewohner von Plumquartpinie keineswegs puritanisch denken, herrscht eine derartige Stimmungslage nicht und sie begegnen den Fremden sehr freundlich und höflich, aber doch mit unverhohlener Neugier

      Als unsere drei Freunde endlich das Haus der Witwe erreichen, haben sie schon fast ausgerenkte Hälse vom vielen Grüßen.

      Die Männer betrachten das große, sehr feine Haus mit gemischten Gefühlen. Es ist zwar wesentlich kleiner als das Herrenhaus der Willow-Tree-Ranch, dafür aber um einiges prunkvoller.

      Das Willow-Tree Ranchgebäude ist riesig mit seinen zwei Stockwerken und dem hohen Dach über der großzügigen Grundfläche mit der umlaufenden Veranda um das Erdgeschoss, aber es ist schlicht und elegant im Baustil. Diese Villa hier ist jedoch vollkommen anders. Sie ist schon fast übertrieben verspielt gebaut, mit Türmchen, Erkerchen und Holzschnitzereien am Balkongeländer. Ein richtiges Schloss im Kleinformat.

      Carol ist stehen geblieben und murmelt: „Wir sind da, benehmt Euch gesittet, sonst kenne ich Euch morgen nicht mehr. Für einen schlechten Leumund habe ich schon selber gesorgt, darum braucht ihr Euch nicht mehr zu kümmern, außerdem braucht niemand zu merken, dass wir Landpomeranzen sind.“

      Dann holt das Girl tief Luft, pfeift die erste Zeile aus der gerade sehr populären Oper Carmen, knurrt: „Auf in den Kampf“ und öffnet das Tor zu einem sehr gepflegten Vorgarten.

      Sie brauchen nicht anzuklopfen, denn die Türe wird ihnen schon von innen geöffnet. Das Hausmädchen Martha begrüßt Carol und ihre Begleiter mit einem kleinen Knicks. „Die gnädige Frau wartet schon im Salon auf Sie, Mrs. Blake.“

      Die Männer schauen sich konsterniert an, so fein hat sich Ines noch nie ausgedrückt und Carol grinst: „Nicht mehr Mistress, sondern nur noch Miss. Hat sich das Schockierende noch nicht bis zu Dir herumgesprochen, Martha? Ich war und bin unverheiratet, war aber schwanger und wäre fast zur ledigen Mutter geworden. Ich bin also keinesfalls so anständig, wie ich immer getan habe. Im Gegenteil, ich habe Euch alle ganz nett angelogen.“

      Martha kichert verhalten und flüstert: „Sie waren aber darin ganz toll, Miss Blake, ich bewundere Sie. Den Mut hätte ich niemals aufgebracht.“

      Carol lächelt und geht an dem jungen Hausmädchen vorbei, gefolgt von ihren Freunden.

      Sie durchqueren eine große, behaglich eingerichtete Wohnhalle, wobei sie fast in dem dicken Teppich, der den Boden bedeckt, versinken. An einer riesigen, massiven Schiebetür bleibt das Mädchen stehen und blickt über ihre Schulter zurück. In ihren Augen steht die unausgesprochene Frage: ‚Alles in Ordnung, seid Ihr bereit, Ihr beiden?’, und als David unmerklich nickt, klopft sie an, schiebt die schwere Tür auf und schon stehen die Willow-Tree-Leute in einem edel eingerichteten Salon.

      John flüstert seinem Freund ins Ohr: „So was habe ich mal auf einem Bild gesehen, aber ich habe nicht geglaubt, dass jemand tatsächlich in so was wohnen kann.“

      Ehrfurchtsvoll schauen sich die Cowboys um. In dieser Einrichtung steckt mehr Geld, als die beiden zusammen jemals in ihrem ganzen Leben verdienen können.

      Eine überaus vornehme, alte Dame sitzt unweit des Kamins in einem riesigen Ohrensessel mit Blickrichtung zur Tür und mustert die Eintretenden.

      „Guten Tag, Ma’am!“, grüßen Blacky und der Indian wie aus einem Munde, als ihre Blicke an der Bewohnerin des Hauses hängen bleiben.

      Carol dagegen macht ein theatralisch zerknirschtes Gesicht, knickst leicht und murmelt: „Bon jour Madame.“

      Madame nickt hoheitsvoll. „Bonjour, mes amis! Prenez place, s’il vous plaît“, dabei deutet sie auf einen Tisch, der mit wundervollem Porzellan eingedeckt ist.

      „Merci, Madame“, murmelt das rothaarige Girl und flüstert ihren beiden Begleitern zu: „Setzt Euch hin und verhaltet Euch erst mal ruhig.“

      Lächelnd setzt sie sich auf das Sofa neben ihren geliebten Vormann, ganz


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