Nur ein Tropfen Leben. Christina M. Kerpen
Читать онлайн книгу.kaufen und eine kleine Farm aufbauen. Für uns beide und unsere Kinder.“
„Oder wir kaufen uns direkt eine kleine Farm, denn ich habe noch etwas mehr Geld auf der Bank. Weißt Du, ich habe eine ganze Menge Bilder gemalt und verscherbelt und alles Geld, das ich bekommen habe, habe ich zur Bank gebracht, weil es mir im Hotel zu unsicher erschien.“
„Wie bitte? Du hast auch noch ein Konto bei der Bank? Mach mich nicht schwach, Liebes. Sag bloß nicht, dass Du eines Tages mich ernährst. Der Gedanke gefällt mir irgendwie nicht.“ Seine Stimme hat einen leicht zornigen Tonfall angenommen.
„David, Liebster, was sagst Du da?“ Unglücklich schauen zwei grüne Augen unter dem dichten Pony hervor. Carol merkt die angespannte Stimmung und fühlt sich sichtlich unwohl. Sollte das blöde Geld zu den ersten ernsten Meinungsverschiedenheiten zwischen ihnen beiden führen?
„Ich habe keine Ahnung, ob es viel Geld ist oder wenig, ich weiß nur, dass ich massenhaft Papiere von der Bank habe.“ Leise flüsternd setzt sie noch hinzu: „Ich hatte Dir doch schon vor langer Zeit gesagt, dass ich nicht rechnen kann, das war kein Witz. Ich habe noch nie einen Draht zu Zahlen gehabt. Ich habe fast alles Geld, das ich bekommen habe, sei es für die Unterrichtsstunden, für den Bilderverkauf oder für die Auftritte, zur Bank gebracht. Gelebt habe ich fast kostenlos im Hotel und wenn ich Geld gebraucht habe, habe ich halt mal was behalten. Dafür habe ich mir dann Kleidung und Malutensilien gekauft.“
„Und Schmuck!“, bemerkt ihr Freund leicht säuerlich und tippt auf ein glitzerndes Collier an ihrem Hals.
Jetzt kann Carol endlich wieder grinsen. „Ach das, der ist aber kein bisschen wertvoll. Charlotte sagt, dass Glas auf der Bühne von einem echten Diamanten nicht zu unterscheiden sei. Außerdem, der Plunder wäre das Letzte, woran mein Herz hängen würde.“
Am darauffolgenden Tag geht Carol zur Bank, um dort noch einige Transaktionen zu tätigen. David, der sein Mädchen begleitet, staunt mit offenen Augen und glaubt seinen Ohren nicht zu trauen. Die junge Frau besitzt weit über fünfundfünfzigtausend Dollar. Allerdings, so erklärt sie trocken, dass in diesem Betrag das Geld von dem Verkauf der elterlichen Farm bereits eingerechnet sei.
Der Mann schluckt, dann meint er kopfschüttelnd: „Weißt Du, Liebling, das ist dermaßen viel Geld, damit könntest Du Dich eigentlich schon jetzt zur Ruhe setzen.“
Carol ist ehrlich einigermaßen verwirrt. Sie merkt schon wieder, dass es ihrem Liebsten überhaupt nicht recht ist, dass sie nicht ganz unvermögend ist. Leise murmelt sie traurig: „Wenn Du mich jetzt nicht mehr lieb hast, will ich das blöde Geld nicht. Ich werfe den ganzen Papierkram fort. Wozu brauche ich Geld? Ich habe Dich und wenn ich Glück habe, habe ich bald wieder einen Job, also wozu der ganze Aufstand, wegen der blöden Kröten.“
Plötzlich erhellt sich ihr Gesicht. „Weißt Du was?“, strahlt sie ihn an, „ich schenke Dir den ganzen Kram. Bist Du dann wieder gut mit mir?“
David holt tief Luft. Er weiß nicht so recht, was er von dieser Situation halten soll. Tut sein Mädchen nur so naiv oder ist sie es tatsächlich? Er schaut ihr in die weit aufgerissenen, ängstlichen Kinderaugen und weiß es mit einem Schlag ganz sicher: Carol ist in allen finanziellen Dingen wirklich absolut unerfahren. Unwillkürlich muss er lächeln. „Behalte Du Deine Papiere, ich liebe Dich, auch wenn Du wirklich eine stinkreiche Frau bist.“
Kopfschüttelnd lauscht der Bankdirektor dem Gespräch und kann sich kaum einen Reim darauf machen. Eine seiner besten Kundinnen tut so, als könne sie zwei und zwei nicht zusammenzählen.
Carol kümmert sich nicht um den Mann auf der anderen Seite des Schreibtischs, der mit scheinbarer Seelenruhe seine Papiere ausfüllt. Sie hängt sich bei ihrem Boss an den Arm und meint treuherzig: „Ich muss unbedingt rechnen lernen. Wenigstens ein klein wenig, damit ich nicht plötzlich mal ganz dumm auffalle. Stell dir mal vor, Gerrit merkt, wie blöde ich mich anstelle. Wo der doch nur aus Zahlen und Geldbeträgen zu bestehen scheint. Wie peinlich! – Sind denn zweitausend Dollar eigentlich mehr, als zweihundert?“
„Viel mehr, Liebling. Für zweihundert Dollar arbeite ich zwei Monate, für zweitausend dagegen fast zwei Jahre.“
„Oh“, Carol ist ehrlich erstaunt, „ist denn eine Million viel oder wenig?“
„Unvorstellbar viel, Mäuschen. Du bist zwar eine recht vermögende Frau, aber von einer Million bist Du weiter entfernt, als Du es Dir denken kannst. Eine Million werden nicht mal wir zwei beide zusammen jemals zusammenkriegen. Wie kommst Du denn auf so eine Wahnsinnszahl?“
„Ach nur so“, meint der rothaarige Wirbelwind gelassen, „das fiel mir nur gerade so ein, denn Charlotte hat mal gesagt, die Witwe Gwendale sei sicher Millionärin.“
Endlich ist der Bankmensch mit seinem Schreibkram fertig und die zwei Cowboys verlassen das Bankgebäude. Vor der Tür bleibt Carol stehen, reckt sich auf die Zehenspitzen und gibt dem geliebten Freund einen Kuss. „Eigentlich ist es doch ganz schön, dass ich Dir jetzt auch in aller Öffentlichkeit zeigen kann, dass ich Dich über alles liebe.“
Liebevoll legt er seinen Arm um die schmalen Schultern des Mädchens und brummt: „Das hättest Du schon viel früher haben können. Du hättest nur ja zu mir sagen brauchen. Aber nicht ich, Du hast Dich gesperrt.“
Der Mann führt sie die Straße hinab, doch schon nach wenigen Schritten bleibt das Kind stehen. „Falsche Richtung, Darling, das Hotel ist dort drüben.“
„Nein, Liebste, die Richtung stimmt, ich will erst noch woanders mit Dir hin.“
Neugierig folgt das rothaarige Girl dem geliebten Mann. Jede Richtung, die er einschlägt, kann auch für sie nur die Richtige sein. Vor einer Tür, an der auf einem Schild „Goldschmiede- und andere Schmuckarbeiten“ zu lesen ist, bleibt der Indianer stehen, öffnet sie und lässt Carol den Vortritt.
Voller Erstaunen und mit ein klein wenig Ehrfurcht, bleibt das junge Mädchen im Türrahmen stehen und schaut sich um.
„Geh’ mal weiter rein, dann kann ich die Tür auch wieder schließen!“, lächelt David und schiebt sie vor sich her.
Diensteifrig erscheint der Ladeninhaber. Carol hat ihn schon flüchtig irgendwo gesehen. Wahrscheinlich mal an einem Abend im Hotel.
„Ah, Mr. Widefield!“, grüßt der Ladenbesitzer freundlich und nickt auch ihr zu. „Ma’am!“
Sie nickt ebenfalls und runzelt die Stirn. Kennt in diesem Kaff eigentlich schon jeder ihren Freund näher?
„Schön, dass Sie mir ihr Fräulein Braut endlich mal vorbeibringen. Mrs., oh nein, ich muss ja jetzt sagen Miss Blake. Sie haben uns allen einen gehörigen Schrecken eingejagt, mit ihrer schweren Erkrankung.“
Der kleine, dickliche Mann führt seine Kunden zu einem Tisch, um den mehrere Stühle verteilt sind. „Ich bringe Ihnen das Schmuckstück sofort. Nehmen Sie doch bitte einstweilen Platz!“
Eilfertig flitzt die Wunderkugel durch einen Vorhang in einen anderen Raum, um wenig später mit einem dunklen Samtkissen wieder zu erscheinen. Auf diesem Kissen liegt ein schmaler Goldring mit einem ovalen, roten Stein.
Carol starrt verblüfft auf das Schmuckstück.
„Ein wunderschöner Stein, nicht wahr, mein Fräulein? Ein Stein so rot, wie ihre Liebe! Probieren Sie ihn bitte an, damit ich ihn anpassen kann.“
Mit fassungslosem Erstaunen lässt sich Carol von David den Ring über den Ringfinger ihrer linken Hand steifen. „Dieser Ring soll allen zeigen, dass wir zusammengehören, mein Liebling.“ David bewegt das Schmuckstück und schaut den Juwelier an. „Ich glaube nur, er ist viel zu groß.“
Der Goldschmied betrachtet Carols lange, schlanke Finger und lächelt: „Pianistenhände!“, dann misst er mit einem speziellen Ringmaß die Weite, die der Ring haben muss.
„Morgen Vormittag ist er fertig!“, verkündet er strahlend, nachdem er die Maße notiert hat. Dann ergreift er Carols beide Hände und sagt überschwänglich: „Meinen allerherzlichsten Glückwunsch