Flucht aus dem Morgengrauen. Marc Lindner

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Flucht aus dem Morgengrauen - Marc Lindner


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ein­ge­holt hatte, konnte ich einen neuen Glanz in Konrads Augen sehen.

      «Jetzt zeig ich dir, wie man richtig reist», meinte Konrad scherzhaft, doch ich spürte, dass er es ernster meinte, als er es aussprach, während er mich das erste Mal mit einem fühlbar emotionalen Anhauch – wenn man seine Wutausbrüche nicht mitzählte – mit einem seiner kräftigen Arme an sich drückte und durch­schüttelte.

      «Damit du auch etwas hast, wovon du träumen kannst», fuhr er lachend fort und nickte zu dem kleinen Spielzeug, das dort auf uns zugerollt kam.

      Ich begleitete ihn kurz in seinem Lachen, auch wenn ich kein wirkliches Ver­ständ­nis für seinen Humor hatte. Ich wusste, dass ich ihm mit seinem Privat­flug­zeug Unrecht tat, aber für mich war dieses große von vorhin mehr gewesen, auch wenn wir dann mit mehreren Hundert darin gesessen hätten. Es ging mir um das Gefühl, um die Erfahrung und nicht, so wie bei Konrad, um den Besitz selbst.

      Sabrina, die neben uns stand, konnte ich nicht sehen, nur ihre fiebrige Erreg­ung konnte ich spüren. Eingefangen wurde es von einer Kamera, die sich in einiger Entfernung postiert hatte. «Was für ein Heldenauftritt», frohlockte ich mir ein amüsiertes filmreifes Lächeln ins Gesicht.

      «Wenn schon, dann richtig, nicht wahr Konrad?», meinte Sabrina.

      Mir entging ihr dezent ironischer Unterton dabei nicht. Sie wollte sich die Show nicht stehlen lassen. Noch zu jung war ihre Karriere, als dass sie sich diese Chance entgehen lassen durfte.

      Konrad verschränkte seine Arme vor seiner geschwollenen Brust, und tat als würde er sein Werk bewundern, und war wieder einmal mit sich selbst zu­frieden.

      Es war dann doch eine merkwürdige erregende Empfindung die Stufen in dieses Flugzeug zu betreten. Irgendwie hatte ich gleich das Gefühl, als würden meine Füße den festen Untergrund verlieren. Ob es sich dabei nur um eine vom Verstand vorge­täuschte Illusion, oder um mir weich werdende Knie hand­elte, konnte ich nicht sagen, und um ehrlich zu sein, wollte ich mit keinem Gedank­en diesen Moment beschweren.

      Höchstens noch die Vorstellung, wie es wohl sein würde in die wirklich große Maschine zu steigen, doch selbst diese gedachte Stimulation verflog, als ich die Trep­pe verlassen und den Innen­raum betreten hatte.

      Überwältigend war nicht die Größe, denn die Superlative glaubte ich bereits gesehen zu haben, aber es war der Platz, den man hatte, der mich mehr als nur ir­ritierte. Es hatte so rein gar nichts mit dem zu tun, was ich mir unter Flugzeug allge­mein vorgestellt hatte.

      Anstelle von Sitzplätzen, wie sie mir aus Zügen bekannt waren, gab es Sessel und schöne hölzerne Tische.

      Geblendet von dem hellen, und doch warmen Licht und dem vielen weißen Leder, musste ich mich an der Innenwand stützen, so trunken wurde mir.

      Kaum hatte ich die Wand berührt, wurde es unter meiner Hand gleich ange­nehm warm. Verwundert fuhr ich mit den Fingerspitzen weiter über die Ober­fläche und fühlte, wie seltsam weich es war, fast wie Wolle, nur unendlich feiner. Doch mein Tastsinn wollte mir das gestellte Rätsel nicht lösen, und so nahm ich meinen Blick zu Hilfe, der sich aber nur ungern vom Innenraum löste.

      Es war wirklich Tierhaar, aber sicherlich keine Wolle, musste ich mich rügen, das war Kaschmir, wie ich mich mit meinem fachmännischen, ungebildeten Blick belehren konnte.

      Wolle, musste ich für mich lachen, allein an dem Gedanken merkte man, wie wenig Wissen und Ahnung ich von und über die Upperclass hatte. Fernsehen bildet, ich war ein ungebildeter Mensch. Ruhig sitzen zu bleiben war nicht meine Stärke, außer vor dem Computer, aber wenn ich da spielte, zuckte ich immer wild umher. Und außerdem redete ich mit meinem PC, eine Verbindung, die ich nie zum Fernseher hatte aufbauen können.

      Und jetzt strahlte es mich wieder an, oder besser, es saugte mich auf, für die Zu­schauer. Erfreut über meine zärtliche Streicheleinlage kauerte ein Kamera­mann auf seinen Knien und filmte fleißig über die Lehne eines Sessels hinweg.

      Abermals hatte ich ihn beim Versuch ertappt, alles möglichst dramatisch wirken zu lassen. Ich freute mich auf die Musik, die ich bei dieser Eintrittsszene hören würde. Es war einfach zu lächerlich.

      Die Perspektive, die er nun nach allen Mitteln der Kunst zu verzerren versuchte, ließ viel befürchten.

      Der Dicke ließ sich mit einem herzhaften, entspannenden Seufzen in einem der Sessel niederfallen. Etwas verlegen blieb ich, mich befremdlich fühlend, stehen. Nicht aber Sabrina, die sich wie zu Hause fühlte, es aber nicht daran mangeln ließ, Konrad für seine Einrichtung Komplimente auszusprechen.

      Sie war wieder in ihrem Element. Fast mehr noch, sie drehte wieder auf, wie ein energiegeladener Kreisel. Nicht wissend, was sie als erstes betrachten, kom­men­tieren oder gar anfassen sollte, zuckte ihr Kopf ständig hin und her. Nicht einmal ihr Redeschwall ließ sich durch ihre, auf mich gestört wirkenden, hek­tischen Bewegungen beirren. Sie redete als wäre es ihr Leben, und als ginge es nicht um weniger als eben dieses.

      Neben dieser Kulisse da konnte ich nur verblassen, ein Umstand, der mir sehr gelegen kam, da es mir ein wenig Ruhe vor Sabrina verschaffte. In diesem Zustand wollte ich nicht ihre Aufmerk­samkeit erhaschen.

      Da war es mir um einiges lieber sie nun beobachten zu können, besser als Fern­sehen war das, ich spürte mehr, und vor allem könnte ich mit ihr sprechen.

      Aber das brauchte ich nicht, sie unterhielt sich, und uns mehr als ausreichend. Nicht einmal Konrad wagte den Versuch sie zu bremsen, oder schlimmer noch, sie zu übertönen. Ich traute Konrad wirklich viel zu, aber ein solcher Versuch wäre zum Scheitern verurteilt. Ich kannte keinen Menschen, mich einge­schlossen, der einen wenigstens ebenbürtigen Atem hatte wie Sabrina. Und dann noch ihre Zunge, die war so gewand wie ein Turner, Sätze mit drei Frage­zeichen zu versehen, war für sie die leichteste Übung. Beinahe jeder Satz wäre als Schlagzeile brauchbar gewesen. Subtil, und doch bissig. Nur unvor­bereit­eter Text, keine Probe, kein Schnitt, so sollte Fernsehen sein.

      Insgeheim hoffte ich, dass der Kameramann reichlich gute Bilder mit verwert­barem Material fand, und er weniger auf mich angewiesen war, denn bei mir war nun Funkstille. Feierabend, abschalten und zuhören, oder so ähnlich.

      – 4 – Der Start

      Es dauerte eine Weile bis der Pilot die Triebwerke aufgeheizt hatte, doch dann schloss sich die Tür, und Augenblicke später spürte ich, wie wir uns fort­be­weg­ten. Langsam, sehr langsam und doch war es ein aufregendes Gefühl.

      Dieses schwerfällige Manövrieren zur Startbahn und dieses leichte, scheinbar kraft­lose Vorankommen irritierten und faszinierten mich gleichermaßen.

      Hätte ich zugehört, so hätte ich hören können, was Konrad mir alles zu berichten wusste, doch ich konnte es nicht. Das, was draußen, hinter den kleinen Fenstern geschah, war weitaus aufregender. Auch kannte ich den Mil­lion­är inzwischen gut genug, um zu wissen, dass er es mir nicht übel nehmen würde, wenn ich mich erst später an seine Lippen hängen würde. Es war zwar nicht seine Art, und ein Anderer hätte sich dies bei ihm niemals erlauben dürfen, aber dies hier war unser Spiel, und nun musste er sich in Geduld üben. Wir hatten die Welt noch vor uns, also noch reichlich Zeit.

      Sabrina hatte die ungeschriebenen Regeln noch nicht begriffen, und sie war nicht die Frau, die sich an solche halten würde, und so griff sie das Gespräch auf, das ich ungeachtet fallen gelassen hatte.

      «Blockier kurz deinen Sessel Junge», hörte ich es wie aus den Wolken rufen.

      Als ich dann verständnislos zu Konrad blickte, zeigte dieser mir, was er meinte. Es waren alles Drehsessel, auf denen wir saßen, und ich stellte mir nun leb­haft vor, wie wir beim Start hin und her schaukeln würden. Doch mit einem ein­fachen Griff unter den Sessel war dieses Vergnügen nicht mehr zu erwarten.

      Jetzt konnte ich mich, aufgrund des lästigen Sicherheitsgurtes, der mich in das weiche Leder zerrte, nicht mehr so nah zum Fenster lehnen, und die Freiheit, die mir dieser Luxus bringen sollte, wurde zu meinem Gefängnis.

      Als


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