Handbuch der Kunstgeschichte. Springer Anton
Читать онлайн книгу.Fortschritte. Die zahlreichen neuen Städteanlagen in Aegypten, Antiochien u. s. w. boten der schöpferischen Phantasie und technischen Geschicklichkeit der Baumeister umfassende Aufgaben. Was an Schönheit verloren ging, ersetzten die kolossalen Verhältnisse, die Pracht der Ausführung und der Reichthum der Dekoration. Die korinthische Säule, die schmuckreichste von allen und für die Verbindung mit jeder beliebigen Stylweise geschickt, stiess natürlich auf die grösste Vorliebe; neben ihr kamen auch phantastische Säulenformen, Palmen und Thyrsen nachahmend, zur Geltung; bei der Bedachung Kuppelformen in Aufnahme. Nicht mehr im Dienste des Volkes, diente die Architektur auch nicht mehr den Göttern; von den prunkliebenden Nachfolgern Alexanders in Anspruch genommen, wurde ihr wichtigster Gegenstand der Palastbau. Das Höchste in der Gattung des Luxusbaues bildeten wohl das dionysische Zelt Ptolomäus II. und die schwimmenden Paläste Philopators und Hieros II. von Syrakus. So weitläufig, dass er erst von 4000 Ruderern in Bewegung gesetzt wurde, besass überdies der eine derselben, das Nilschiff, Gärten und Säulengänge, der andere Schiffspalast sogar ein Gymnasium und Vertheidigungsthürme. Mit der Verbreitung der griechischen Bildung über die alte Welt verlor die nun jenseits der Grenzen Griechenlands am meisten gepflegte Kunst ihr nationales Gepräge und damit ihre geschichtliche Bedeutung; doch dauert die Uebung der griechischen Architektur im Allgemeinen bis in die römische Kaiserzeit, welcher Periode z. B. der Ausbau des Jupitertempels in Athen angehört.
Bei der Aufzählung der wichtigsten griechischen Bauwerke bis auf die Zeit Alexanders des Grossen, mischt sich nothwendig mit der Klage über die rauhe Schicksalshand, welche nur kärgliche Trümmer weniger Monumente auf unsere Zeit brachte, das Bedauern über die Vernachlässigung der griechischen Baugeschichte durch die Kunstwissenschaft, über die ausschliessliche Betonung des Systems auf Kosten der Entwicklungsgeschichte.
Nicht wegen ihres Alters, wohl aber weil sie das altdorische Planschema, die Parastaden, bewahrt haben, verdienen der Tempel der Artemis zu Eleusis und jener der Themis zu Rhamnus (mit cyklopischem Unterbaue) an die Spitze gestellt zu werden. Auch die Säulenreste des Pallastempels (?) zu Korinth zeigen in ihren stämmigen Verhältnissen das Gepräge des älteren Styles.
An die Blüthezeit reicht bereits der Minervatempel zu Aegina (75. Ol.) heran, ein dorischer Peripteros hypäthros, sechssäulig in der Fronte, 94 × 45', die Säulenhöhe 5 ¼ Durchmesser (als Maasseinheit gilt der Durchmesser des Säulenstammes an seinem unteren Ende, oder der Halbmesser, modulus) mit deutlichen polychromatischen Spuren.
Der Tempel des Theseus zu Athen, einer der besterhaltenen, aus Cimon's Zeit (Ol. 77, 4), ein dorischer Peript. 104 × 45', sechssäulige Fronte, bei gleicher Breite eine grössere Länge als der Aeginatempel, auch schlankere Säulenverhältnisse (die Höhe = 5 ½ Durchmesser oder 11 moduli).
Die Bauwerke der Akropolis: Seitwärts von den Propyläen lag der Tempel der Nike Apteros, aus Cimon's Zeit, ein ionischer Amphiprostylos, aber noch nicht in ausgebildeter attisch-ionischer Weise, 27 × 18', Säulenhöhe 15 mod.
Der Parthenon, kein eigentlicher Kultustempel, von Iktinos und Kallikrates 454–438 v. Chr. erbaut (Fig. 32), ein dorischer Peript. hypäth., achtsäulige Fronte, 227 × 101', Säulenhöhe = 5 ⅔ Durchmesser. Feine Spuren des mildernden ionischen Einflusses sind bemerkbar.
Die Propyläen, das Prachtthor der Akropolis an der Westseite von Mnesikles 436–431 mit einem Aufwande von 3 Millionen Thalern (2012 Talente, nach heutigem Geldwerthe wohl 10 Millionen) erbaut. Dem Hauptbaue legen sich vorspringende Flügelbauten zur Seite, jener selbst zeigte eine ionische Halle zwischen dorischen sechssäuligen Thoren.
Das Erechtheum, 409 v. Chr. im Rohbau vollendet, nach Construction und Bestimmung Gegenstand langwierigen Streites, das älteste Heiligthum Athens, wegen der Mannigfachheit der hier verehrten Kultusgegenstände von der gewöhnlichen Tempelform abweichend. Der Hauptbau, der Athene Polias (die westliche Hälfte dem Poseidon) geweiht, ist ein sechssäuliger ionischer Prostylos, und hat unter der Cella noch eine Krypta; zu beiden Seiten der Cella südlich und nördlich legen sich Vorbauten, die eine im ionischen Style, die andere mit Karyatiden als Gebälketräger an.
Der grosse Demetertempel zu Eleusis aus Perikles Zeit, unter der Leitung des Iktinus im dorischen Style, aber abweichend von der gewöhnlichen Tempelform, fast quadratisch erbaut und zur Aufnahme einer grösseren Menge eingerichtet, die äusseren Propyläen jenen der Akropolis nachgebildet.
Der grössere Themistempel zu Rhamnus, aus dem fünften Jahrhundert, den athenischen Prachtbauten verwandt, dorischer Peript.; sechssäulige Fronte, 33 × 71'; Säulenhöhe 5 ⅔ Durchmesser.
Der Tempel der Athene auf dem Vorgebirge Sunion, dorischer sechssäuliger Peript., aus Perikles Zeit.
Der Zeustempel zu Olympia, 435 von Libon erbaut, dorischer sechssäuliger Peript. hyp.; 95 × 230', nur in wenigen Resten erhalten.
Der Tempel des Apollon Epikurios zu Bassae von Iktinus 430 erbaut, dorischer sechssäuliger Peript. hyp. mit ionischen Säulen in der Cella; 48 × 126'; Säulenhöhe 5 ½ Durchmesser; die Länge des Tempels grösser als bei den attischen Bauten.
Der Tempel der Athena Alea zu Tegea, von Skopas im Anfange des vierten Jahrhunderts erbaut, ionischer Peript. hyp., im Innern mit dorischer und darüber korinthischer Säulenstellung.
Für den Baustyl des vierten Jahrhunderts sind zwei kleine choragische Monumente in Athen, jenes des Lysikrates und Thrasyllus, das erstere mit korinthischen Säulen, das letztere mit dorischen Pilastern (aber nicht mehr den Triglyphen darüber) versehen, und für die letzte Zeit der griechischen Kunst (3. Jahrhundert) der sogen. Windthurm oder die Uhr des Andronikos in Athen charakteristisch.
Der Apollotempel zu Delos, dem Themistempel zu Rhamnus verwandt, nur das Kapitäl schwerer und die Säule stämmiger (Höhe 10 ⅔ moduli oder etwas über 5 Durchmesser); ebendort Reste eines von K. Philipp errichteten Portikus; die Form des Kymation in ihrer Schwunglosigkeit, die flachen mutuli charakteristisch für die Verfallzeit des dorischen Styles; Säulenhöhe über 6 Durchmesser, während jene vom alten Apollotempel zu Korinth nur 4 ¼ beträgt.
Die Baureste in Ionien sind zahlreich genug, aber selten noch vom kunsthistorischen Standpunkte gewürdigt.
Der Tempel des Apollon Did. bei Milet aus dem fünften Jahrhundert, von Päonios und Daphnis erbaut, ionischer zehnsäuliger Dipteros hyp.; 164 × 303'. Die Höhe der Säulen mehr als 10mal so gross als ihr Umfang, unvollendet geblieben.
Der Tempel der Pallas Polias zu Priene, von Pytheus 340 gebaut, ionischer sechssäuliger Peript.; 64 × 116'; mit eigenthümlicher Volutenbildung der Eckkapitäle; die Säulenbasen ruhen gegen die frühere Sitte auf Plinthen.
Der Tempel des Dionysos zu Tlos von Hermogenes im vierten Jahrhundert erbaut, ein Peript., und jener der Artemis zu Magnesia, ein Pseudodipteros.
Auch in Phrygien (Aezani: ionischer Peript.), Lycien (Xanthus), Karien (Labranda: ein korinthischer Tempel; Aphrodisias: ionischer Aphroditentempel), in der Landschaft nördlich von Smyrna u. a. werden zahlreiche Tempelruinen, doch meistens aus später Zeit, angetroffen.
Bildnerei.[23]
§. 42.
Etwa um die 50. Olymp. (580) beginnt das bis dahin sagenhafte Element zur Geschichte sich zu verdichten. Wir lernen mannigfache Erfindungen kennen, welche das Handwerk erleichtern und die Ausdrucksmittel der künstlerischen Phantasie erhöhen. Theodoros erfindet das Winkelmaass, die Richtwage, Drehbank, und mit seinem Genossen (nicht Vater) Rhökos den Erzguss; Glaukos aus Samos die Erzlöthung; Byzes aus Naxos die Marmorsäge. Andere Umstände kommen zu diesen technischen Fortschritten hinzu, um den Aufschwung der Bildnerei zu erklären. Die Tempel bergen nebst den Kultusbildern noch andere Götterstatuen, bei welchen wegen ihrer nichtkirchlichen Bestimmung das Formgefühl