Handbuch der Kunstgeschichte. Springer Anton

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freie Portiken vor sich.

      Verwandter Natur sind die phrygischen Grabdenkmäler zu Aezani, Doganlu u. a. Auch sie ahmen einen alterthümlichen Holzbau nach, sind als getäfelte Thore gemeisselt und mit einfachen, an das Assyrische erinnernden Ornamenten geschmückt. Ihr Alter ist nicht bedeutend, die Herrschaft der griechischen Anschauungsweise während ihrer Errichtungszeit an zahlreichen Einzelheiten bemerkbar. Die überaus grosse Ausbeute, welche Kleinasien für die Skulptur bietet — das ganze Land einwärts und nördlich von Smyrna ist voll antiker Trümmer — spricht allerdings für eine ungemein rege und mächtige Kunstthätigkeit. Fast alles bisher Aufgefundene gehört aber nicht der selbständigen kleinasiatischen Kunst mehr an, sondern der Periode der hellenischen Kulturherrschaft, kann uns daher über den Zustand der ersteren nicht aufklären. Auch das schon von Pausanias angeführte Steinbild am Berge Sipylos in Lydien — die trauernde Niobe — ist nicht geeignet, uns eine genaue Vorstellung der altheimischen Plastik zu geben und zur Feststellung des Verhältnisses zwischen dieser, der ägyptischen und assyrischen Kunst, die sich hier, nach den früher erwähnten Monumenten zu Euyuk zu schliessen, begegnet haben mochten, beizutragen.

       Inhaltsverzeichnis

      1. Hellas.

      §. 34.

      Nur im mittelbaren Zusammenhange, so weit eben die Geschicke des ganzen Menschengeschlechtes eine Einheit bilden und ineinander greifen, stehen die bis jetzt betrachteten Kunststufen zu unserer und unserer näheren Vorfahren Bildung. Unmittelbar lebendig dagegen, auch ästhetisch gültig, und für die praktische Nachbildung befähigt ist die klassische Kunst der Griechen. Auch ihr Schauplatz, die Gestade des Mittelmeeres, fällt bereits in unsere Welt. Gleich wie wir in diesen Räumen uns unmittelbar heimisch fühlen, und keinen bis zum Abstossenden fremden geographischen Mächten begegnen, so sind auch die Phantasiebilder, die auf diesen Räumen erzeugt, und die künstlerischen Formen, in welche jene eingekleidet werden, uns ohne weitere Vermittlung verständlich. Die freie, heitere Menschlichkeit, die jeden Kreis griechischer Thätigkeit durchleuchtet, bildet das festgeschlungene Band zwischen der griechischen Kunst und jener der folgenden Zeitalter. Dass die gewöhnliche, auf den ästhetischen Genuss bedachte Anschauungsweise der griechischen Kunst wählerisch verfährt und ihre Entwicklungsgeschichte wenig berücksichtigt, ist selbstverständlich. Die historische Betrachtung darf aber die Anfänge und ersten Versuche der hellenischen Phantasie nicht ausschliessen, mögen auch dieselben im Vergleiche zu späteren Werken des feinen und verfeinerten Geschmackes unbedeutend und unförmlich erscheinen und die Meinung von der gleich ursprünglichen Vollendung griechischer Kunstwerke etwas herabstimmen.[18]

      Die Frage, welche auch hier wie bei den früher betrachteten Volksstämmen wiederkehrt: ob die griechische Kunst ein einheimisches Produkt bilde, oder von Aussen, etwa von Aegypten oder Assyrien in das Land gebracht worden sei, bildet noch gegenwärtig eine unentschiedene Streitfrage. Die Behauptung einer gänzlichen Abgeschlossenheit des hellenischen, seefahrenden Stammes ist unbedingt verwerflich. Auf der anderen Seite kann aber auch die Meinung, dass fertige Kunstformen von den Griechen übernommen wurden, nicht begründet werden. Selbst das Vorkommen des ionischen Kapitäls in Assyrien, und dorisirender Säulen in Aegypten zugegeben, kann doch das hellenische geschlossene Giebelhaus nicht aus diesen Einflüssen erklärt werden. Auch Diodors Versicherung, dass die Dädalusbilder im Style den ägyptischen gleich kommen, ist nicht über jeden Zweifel erhaben; viel grösseren Glauben verdient daher die Ansicht, welche nur einen stofflichen Zusammenhang mit dem Oriente annimmt, die Umformung dieser Bildungsstoffe aber als ein selbständiges Werk der Griechen betrachtet.

      Die Anfänge der griechischen Baukunst, im Wesentlichen von den allgemeinen Kunstanfängen nicht unterschieden, haben wir in den Resten der pelasgischen Vorzeit zu suchen.[19] Auf dem Peloponnes, namentlich in Argolis, in Attika, in Epirus, auf den Inseln befanden sich noch die Trümmer alter Ummauerungen der Akropolen, auffallend durch das wuchtige Material, die aller Zerstörung trotzende, aber formlose Arbeit. Die einzelnen Steinblöcke haben riesige Verhältnisse, gehen oft durch die ganze Dicke der Mauern, sind aber weder regelrecht bebauen, noch geradlinig gefügt. Die roheste Form dieser cyklopischen Mauern zeigt die Steinmassen einfach aufeinandergewälzt, die fortschreitende Technik fügt dann die polygonen Blöcke an ihren Bruchflächen zusammen und füllt die Lücken mit Kleingestein aus, bis allmählig die Schichtung gerader, die einzelnen Lagen gleichförmiger werden und der Quaderbau entsteht. Die Thore, welche die Mauern durchbrechen, sind häufig als Dreieck gestaltet (Missolunghi, Ephesus), und selbst dort, wo sie mit einer breiten Oberschwelle bedeckt und nicht zugespitzt sind, verjüngen sie sich nach oben und haben ein entlastendes Dreieck über sich, so z. B. an dem berühmten Löwenthore zu Mykenä. Hier ist das Dreieck mit zwei Löwinnen, vielleicht der ältesten europäischen Skulptur, ausgesetzt, welche zwischen sich das Symbol des thürhütenden Apollo, eine Säule mit vier Kugeln auf der Deckplatte, halten. Eine gleiche Construction wie die Thüren offenbaren auch die in der Tiefe der Mauer angelegten Gänge zu Mykenä, Larissa, Tiryns. Auch hier treten die Steinlagen nach oben immer mehr vor, bis sie oben, einen Giebel bildend, zusammenstossen, was diesen übrigens noch wenig aufgehellten Galerien den Schein eines Spitzbogenbaues verleiht.

      Auch Pyramiden und Innenbauten haben sich aus der altgriechischen Zeit erhalten. In der Form Grabkammern entsprechend, führen diese den conventionellen Namen von Schatzhäusern, so z. B. der Thesauros des Atreus zu Mykenä, andere zu Orchomenos, bei Amyklä, Pharsalus u. s. w. Insofern als auch hier eine Trennung von Decke und Mauer nicht eingehalten, die erstere durch Vorkragung der oberen Theile aus der Mauer unmittelbar gewonnen wird, kommt der gleiche Grundsatz wie bei der Bildung der Thore und Galerien zur Geltung. Das Schatzhaus des Atreus ist im Grundrisse kreisrund; die einzelnen Mauerringe treten je höher desto mehr auf allen Seiten gleichmässig vor, bis sie zuoberst nahe genug aneinander rücken, um durch einen Schlussstein eingedeckt zu werden. Dadurch gewährt der Bau den Eindruck eines Kuppelgewölbes, als dessen Durchschnitt ein Spitzbogen erscheint. Die Wände waren, anklingend an die phönikische Kunstsitte, mit Metalltafeln ausgelegt.

      Das Dunkel, welches über die Anfänge der griechischen Architektur verbreitet ist, erhellt sich nicht bei den Anfängen der Bildnerei. Den Cyklopen, welchen die Sage die alten Bauwerke zuspricht, gesellen sich auf dem Gebiete der Bildnerei die mythischen Telchinen, Daktylen und Kureten bei. Auch Dädalus, der Künstler, der Sohn des »gediegenen Handwerkers,« der bald an die Spitze der attischen, bald an die Spitze der griechischen Kunst überhaupt gestellt, und auf seinen Wanderungen durch die ganze damals bekannte Welt geführt wird, gehört der Sage an. Er schnitzt Götterbilder aus Holz (Xoanen), wie sie die in Griechenland herrschende Tempelsitte verlangte, und wie sich ähnliche Werke, puppenartig aufgeputzt und mit einer vollständigen Garderobe versehen, noch lange nachher für den kirchlichen Gebrauch als hieratische Bilder erhielten; aber Dädalus ist gleichzeitig auch ein Reformator der Kunst. Er hebt die geschlossenen Beine, die enganliegenden Arme und die blossen Augenschlitze auf, öffnet die letzteren, hebt die Arme vom Leibe ab und lässt die Gestalten schreiten. An Dädalus reiht sich dann eine zahlreiche Schule der Dädaliden an, deren Endglieder erst von der Sage zur Geschichte führen. Auch von Butades, dem Erfinder der Thonbildnerei und Portraitirkunst, bleibt als historischer Kern nur die frühzeitige Blüthe der eigentlichen Plastik in Sikyon und Korinth übrig, welche den späteren Sitz des Erzgusses in diesen Städten erklärt.

      Baukunst.

      §. 35.

      Von den pelasgischen Bauresten zum ausgebildeten griechischen Tempelstyle ist ein gewaltiger Sprung. Die dazwischen liegende Kluft zu überbrücken, ist, da uns nur Bauwerke jüngeren Alters bekannt sind und die Verheerungen der Perserkriege, sowie der steigende Reichthum der Griechen viele Neubauten veranlassten, bis jetzt nicht der geringste Versuch gemacht worden, es sei denn, dass man die früher beliebte Entwicklung des griechischen Steinbaues aus einem untergegangenen Holzbaustyle dafür nimmt. Für den altitalischen oder tuskischen Styl ist diese Ableitung allerdings gerechtfertigt, dagegen muss der griechische Säulenbau


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