Handbuch der Kunstgeschichte. Springer Anton

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Handbuch der Kunstgeschichte - Springer Anton


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gelassen werden. Hier kann man nicht wie bei der vorgeschrittenen Bildnerei Material und Form unterscheiden, das Eine fällt mit dem Andern zusammen, das noch ungeformte Material gibt auch schon die ganze Form. Derartig sind die celtischen Steinpfeiler (Menhir oder Peulvan) in der Bretagne u. a., welche theils isolirt, theils in grossen Haufen (1200 bei Carnac) vorkommen oder als Sinnbilder der Gottheit den Mittelpunkt der Steinkreise bilden. Die Steinpfeiler sind wieder die Grundlage einer ausgedehnten Klasse von Denkmalen, wie der ägyptischen Obelisken, die vom architektonischen Standpunkte eben nur regelmässig zugehauene Steinpfeiler sind, auch wenn ihre Bedeutung von dem Sinne der celtischen Menhir abweicht, und der indischen Löwensäulen am Jamuna, in Allahabad, bei Bakhra, zu Ehren Buddhas von Açoka errichtet, 40 Fuss hoch, mit Inschriften versehen und auf dem Lotoskapitäl mit einem Löwen geschmückt.

      Man kann darüber streiten, ob diese Monolithen zur plastischen oder architektonischen Gattung gehören; auf eine wirkliche Vermischung beider Gattungen, auf eine gebaute Plastik stösst man am Mississippi und in Wisconsin. Grosse Gruppen von aufgeworfenen Thiergestalten: Vögel, Frösche, Schildkröten, Schlangen u. s. w. mit Hügeln vermischt, wie sie die nebenstehende Zeichnung (Fig. 10) versinnlicht, erheben sich hier in der Nähe der Flüsse, gleich den Mounds Zeugniss gebend von einer untergegangenen amerikanischen Cultur.

      §. 8.

       Fig. 11. Bildstein vom Huronsee.

      Die abnorm gestalteten Bäume, welche bei den Ostiaken, durch Form oder Farbe ausgezeichnete Geschiebe, welche bei den Arabern (Kaabastein) verehrt werden, sind bereits ein weiterer Fortschritt in der Bildnerei, da hier die Aufmerksamkeit auf eine auffallende Form gelenkt ist, ein Bild gesucht wird, nur dass dasselbe, wie bei den bekannten Bildersteinen, nicht von Menschen geschaffen, sondern von aussen angenommen wird. Unter Bildersteinen versteht man Gerölle, welches durch eigenthümliche Formen, namentlich durch eine entfernte Aehnlichkeit mit menschlichen Zügen (Fig. 11) sich auszeichnet, und nachdem die menschliche Hand durch Striche und Farbe nachgeholfen, als Werk der Geister verehrt und in den Hütten oder am Wasser aufgestellt wird. Die Bildersteine sind sowohl bei den Indianern Nordamerikas unter dem Namen Schingabawossin wie bei den Nomaden in Nordasien im Gebrauche. Die letzteren besitzen aber nicht allein Bildersteine, sondern fertigen auch ausgestopfte mit Kleidern behangene Götzenpuppen, an welchen die bildende Kraft der Phantasie zum erstenmale sich selbstständig versucht. Wir treten aus dem Kreise des Unförmlichen in jenen des Missgeformten. Alle Gestalten aufzuzählen, welche diesen niedrigsten Kreis der eigentlichen Bildnerei bevölkern, und die verschiedenartigen Götzen zu beschreiben, bei welchen der religiöse Sinn in der symbolischen Bedeutung für die missgestaltete Form vollkommenen Ersatz findet, würde uns zu weit führen, da ähnliche Gebilde überall wiederkehren, bei allen Völkern, in allen Zeiten zu Hause sind. Nachdem die Plastik in ihrer inneren Entwicklung über sie hinausgeschritten ist, hat ihr Dasein keine kunstgeschichtliche Bedeutung mehr. Doch darf man nicht Alles, was uns als missgeformt erscheint, einfach aus der Unzulänglichkeit der bildenden Phantasie der Barbaren erklären. Die Idole von den Sandwichsinseln (Fig. 12) z. B., welche uns durch das Missverhältniss der einzelnen Glieder, die riesigen Helme, die fratzenhaften Köpfe erschrecken, sind nicht ohne Absicht so verzerrt worden. Das Schreckhafte lag im Plane des Künstlers und musste wiedergegeben werden, sollte das Bild dem Begriffe des Gottes entsprechen; bei der Ausarbeitung selbst aber wurden die Mittel, durch welche z. B. der neuseeländische Krieger den Feind in Furcht versetzen will, nachgeahmt, also ein gewisser Realismus der Darstellung beobachtet. Noch viel deutlicher gewahrt man das gleiche Streben in den neuentdeckten Denkmalen in Centralamerika (Honduras, Guatemala, Nicaragua). Die piedras antiguas am Nicaraguasee hat namentlich Squier einer genaueren Untersuchung unterworfen. Sie befinden sich auf der Insel Momotombita, in Subtiaba, Pensacola, Zapatero, und obzwar von den Missionären vielfach zerstört und verstümmelt, und gegenwärtig im Walddickicht vergraben, lassen sie doch noch ihre ursprüngliche Beschaffenheit erkennen. Es sind diese wahrscheinlich am Fusse der Teokallis aufgestellten Basaltstatuen meist von ansehnlicher Grösse, mit Riesenköpfen versehen, die oft wieder von einem Thierrachen umschlossen werden, die Zungen bis zur Brust ausgereckt, der Mund offen, und eben im Begriff ein Herz zu verzehren — jedenfalls ein Ausdruck der furchtbarsten Hässlichkeit. Die naturalistischen Züge in der Darstellung lassen sich jedoch nicht verkennen. Noch haben die Indianer beim Sitzen dieselbe hockende Stellung, welche an den piedras antiguas ausnahmslos bemerkt wird; die Darstellung der Kultusgebräuche ist vollkommen treu, die Köpfe sind überdies streng individualisirt, scharf umrissen und mit den Adlernasen und hohen Backen vortreffliche Meister des nationalen Typus. Dass Arme und Beine bei denselben nur leise angedeutet, dagegen die Geschlechtstheile stark betont werden, ist ein Zug, der mit grosser Uebereinstimmung an allen alterthümlichen Skulpturen wahrgenommen wird.

      §. 9.

      Der Anfang der Malerei ist die förmliche Bilderschrift. Die Gestalten gelten nicht für sich, sondern sind bloss sinnliche Zeichen für Vorstellungen; demgemäss wird auch die Form nur angedeutet und ohne Rücksicht auf Schönheit so weit ausgeführt, als es die Deutlichkeit verlangt. Noch heutigen Tages bedienen sich die Indianer Nordamerikas, allerdings durch den Gebrauch abgeschliffener, mechanisirter Bildzeichen, um ihre Vorstellungen schriftlich niederzulegen, und malen Sätze, wie wir Buchstaben schreiben.[10] Die mexikanischen Hieroglyphen sind nicht phonetisch, wie die ägyptischen, sondern wahre Bilderschrift, in der Inkasprache dasselbe Wort (quellccanni) daher für Malen und Schreiben im Gebrauche. Mit dieser Bilderschrift in der Form verwandt, ebenfalls nämlich abgekürzte Gestalten gebrauchend, sind die mit zahlreichen Figuren in Hellroth bemalten Felsen am Nihapasee (Nicaragua) (Fig. 13) und die »beschriebenen Felsen« von Masaya.[11] Die Felswand ist geglättet und mit roh eingeschnittenen Contouren von figürlichen und symbolischen Gestalten gänzlich überdeckt.

      Ob die nahe gelegenen Felsmalereien von S. Catarina wirklich Tanzgruppen enthalten, steht dahin. Mit dieser Bildschrift hängt sowohl die Ornamentenmalerei zusammen, welche sich bei halbgebildeten Völkern in so reichem Maasse entwickelt, dass vor der Fülle des Nebenwerkes die organischen Grundlinien der Gestalt zurücktreten, wie die gemeisselten Chroniken der Assyrer und Aegypter. Dieser Uebergang von der Malerei zur Reliefdarstellung darf nicht Wunder nehmen, da auf einer gewissen Kunststufe beide Gattungen zusammenfallen, die eine durch die andere ersetzt und (bei gefärbten Reliefs) unterstützt wird.

       Inhaltsverzeichnis

       Inhaltsverzeichnis

      1. Die assyrische Kunst.

      §. 10.

      Mit der Entwicklung des religiösen und staatlichen Lebens geht die Steigerung der künstlerischen Thätigkeit Hand in Hand. Die Pracht des religiösen Kultus, der Glanz der Herrscherwohnung erhält durch die bildenden


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