Handbuch der Kunstgeschichte. Springer Anton

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Handbuch der Kunstgeschichte - Springer Anton


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Das Endurtheil über die assyrische Kunstbildung, über das Verhältniss der einzelnen Bauten zu einander und über die Bedeutung der Trümmer von Kalat-Schergat, wo Thoncylinder aus dem 12. Jahrhundert v. Chr. gefunden wurden, sowie jener von Arban am Khabur, westlich vom Tigris, mit den Resten archaistischer Skulpturen, viel einfacher im Detail, viel roher in der Muskelbezeichnung, und mit zahlreichen ägyptischen Skarabäen aus dem 15. Jahrhundert v. Chr., muss demnach noch aufgeschoben bleiben. Bezeichnend für die Lebenskraft der assyrischen Kunst ist noch der Umstand, dass Layard bei Gunduk (nordöstlich von Mosul) Felsskulpturen christlichen Inhaltes fand, welche den assyrischen Styl mit vollkommener Treue wiedergeben.[12]

      §. 13.

      Das Material der assyrischen Bauwerke war nicht auf ewige Dauer berechnet. Die an der Sonne getrockneten Ziegelsteine, aus welchen die Mauern aufgeführt wurden, zerfielen nach der Zerstörung der Bauwerke zu Staub, ohne eine deutliche Spur von den Formen und Linien des Oberbaues zu hinterlassen. Vollends nivellirt wurden die Bautrümmer durch den heissen Sommerwind, welcher Sand und Staub in seinem Gefolge führt und im Laufe der Zeit den Kunstanlagen den Schein natürlicher Hügel verleiht. Wir können nur den Unterbau verfolgen, nur den Grundriss blosslegen; über die Beschaffenheit des Oberbaues dürfen wir uns höchstens einzelne schüchterne Schlüsse erlauben.

      Gleich wie in Persien und Babylonien erhoben sich auch in Assyrien die Bauwerke auf künstlichen 30–40 Fuss hohen Plattformen. Befanden sich auf einer Plattform mehrere selbstständige Gebäude, wie z. B. zu Nimrud, so wurden dieselben durch Terrassen getrennt. Auf breiten Treppen erstieg man die Plattform, von ihrem Rande zum Eingange des Palastes mochten wohl Statuenreihen führen, wenigstens lassen die Reste von Piedestalen, nördlich vom Kuyundschikpalaste, auf eine solche Anordnung schliessen. Ueber den Portalbau und seinen plastischen Schmuck sind wir verhältnissmässig am besten unterrichtet. In der Regel hatte jede Façade drei Eingänge (Fig. 15, a). Als Wandfüllung dienten riesige Mannlöwen oder Mannstiere, so angeordnet, dass die Seitenansicht ihres Leibes die Tiefe des Portales bildet, Kopf, Brust und Vorderbeine, voll von vorne genommen, aus der Façade heraus schauen. Aehnlich gestaltete Figuren, den Kopf seitwärts gewendet, Rücken gegen Rücken gekehrt und mit löwenzwingenden Helden und Genien abwechselnd, ziehen zwischen dem mittleren und den Seiteneingängen an der Façade hin. In dieser Weise sind die Portalbauten zu Kuyundschik (Fig. 16) und Khorsabad, und auch die bedeutenderen Eingänge im Inneren gebildet. Die innere Anordnung des Palastes zeigt grössere Hallen, oder wahrscheinlich offene Hofräume (Fig. 15, b) 126–140', 90–124' im Ausmaasse, um welche sich kleinere Kammern herumgruppiren. Galerien (Fig. 15, c), oft in einer Länge von 214', verbinden die Palastabtheilungen. Höchst wahrscheinlich waren für die Prunkgemächer und das Harem verschiedene Theile des Palastes angewiesen; dieselben jedoch in der Wirklichkeit aufzufinden, ist bis jetzt noch nicht gelungen. Bei der Untersuchung der höheren Bautheile verlässt uns jeder sichere Führer. Dass die Assyrer sich nicht mit der Aufführung roher Steinmassen begnügten, sondern dem Auge Ruhepunkte gewährten, einzelne Bautheile vor andern zurücktreten liessen, eckige und gerundete Glieder kannten, beweist z. B. das in Khorsabad gefundene Karniessgesimse (Fig. 17). Auch die Anwendung stützender Säulen und zwar einer Säulenart, welche der sogen. ionischen Säule in Griechenland sehr nahe kommt, lernen wir aus Reliefdarstellungen kennen. Diese Säulen trugen nicht allein Decke und Dach (Fig. 18), sondern wurden auch bei dem Fensterbaue als trennende und tragende Glieder verwendet (Fig. 19). Das untenstehende Bild gibt eine deutliche Anschauung, in welcher Weise das Licht — hart unter dem Dache — in die Gemächer eingeführt wurde. Dass viele der letzteren, namentlich jene, welche die offenen Hofräume umgaben, keine besonderen Lichtöffnungen besassen, ist sehr wahrscheinlich. Zur Bedeckung der Räume dienten, wie die vielen Holzkohlen in den Schutthügeln beweisen, Holzbalken; doch waren Gewölbe bei den Assyrern keineswegs unbekannt. Die Relieftafeln zeigen regelmässig die Thoröffnungen im Rundbogen gewölbt, auf solche stiess man auch bei der Ausgrabung eines Portales in Khorsabad und in Nimrud. Der grosse ionische Hügel in der Nordwestecke (Fig 14, e), welcher die Trümmer eines stufenförmigen Thurmes in sich birgt und als das Grab Sardanapals bezeichnet wird, wird im Innern von einer 100' langen, 12' hohen gewölbten Galerie durchzogen. Auch im Südostpalaste stiess man auf gewölbte Gänge und lernte überdies ihre Construktionsweise kennen. Da die Ziegel viereckig waren, so blieben im Bogen Lücken übrig, welche durch langgelegte Ziegel ausgefüllt wurden. Gewölbt waren schliesslich die Abzugskanäle, welche man unter den Palästen von Nimrud und Khorsabad entdeckte. Bekrönt wurden die Tempelpaläste durch staffelförmig aufsteigende Zinnen (Fig. 18); selten kommt auf den Relieftafeln ein Bauwerk zur Darstellung, das nicht auf die eben erwähnte kräftige Weise abgeschlossen wäre. In Bezug auf die Dachform hat der um die Restauration der assyrischen Architektur verdiente Fergusson die Ansicht ausgesprochen, dass die Bauten statt des Daches eine Plattform trugen, auf welcher sich Feueraltäre erhoben.

      §. 14.

      Die Bildnerei und Malerei fanden in Babylon und Assyrien eine reiche Stätte. Im ersteren Lande verhinderte zwar der Mangel an passendem Materiale, welches sich den Anwohnern von Niniveh in den nahen Alabasterbrüchen so reichlich darbot, die Anwendung eines plastischen Schmuckes. Man begnügte sich mit glasirten und emaillirten Ziegeln, und malte auf dieselben geschichtliche und religiöse Scenen. In Niniveh dagegen verband sich Malerei und Bildnerei zur glänzendsten Verzierung der Bauwerke. Nur wenige Kammern zu Nimrud entbehren der Reliefdarstellungen und scheinen bloss mit Gemälden auf einem Gypsgrunde geschmückt gewesen zu sein; das gewöhnliche System bestand aber darin, dass erst über den Relieftafeln ein gemalter Fries sich hinzog, theils figürlichen, theils ornamentistischen Inhaltes, welcher die Wände mit der ebenso reich bemalten und vergoldeten Holzdecke verband. Die Figuren sind in schwarzen oder weissen Umrissen auf blauem oder grünem Grunde gezeichnet, in einzelnen Fällen aber auch der Fleischton glücklich nachgebildet. Die am meisten üblichen Farben waren: roth, gelb, weiss, schwarz und blau, und ihre Kraft und Tiefe ebenso gross, als die Geschicklichkeit in ihrer Verbindung bewunderungswürdig. Für die Durchführung eines Ornamentes in complementären Farben, wie Blau und Gelb, herrschte gleich wie in Aegypten eine grosse Vorliebe. Schon die Fülle des malerischen Schmuckes an der Decke und über den Relieftafeln duldete nicht die kalte grauweisse Naturfärbung der letzteren. Auch der oberste Grundsatz der assyrischen Kunst: ein umständliches Festhalten an der äusseren Wirklichkeit, konnte sich nicht mit der blossen Idealität der reinen Plastik befreunden. Nicht allein die Analogie mit der ägyptischen und älteren griechischen Kunst, auch die unverkennbaren Farbenspuren, namentlich an den Skulpturen zu Khorsabad, sprechen für die Anwendung der Polychromie in der assyrischen Bildnerei.

      §. 15.

      Als Layard seine Ausgrabungen in Kuyundschik schloss, berechnete er bereits


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