Handbuch der Kunstgeschichte. Springer Anton

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Handbuch der Kunstgeschichte - Springer Anton


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Verbindung mit den höchsten Lebenszwecken. Wir umgehen die Frage nach den ältesten Sitzen gereifter gesellschaftlicher Bildung, da sich dieselbe weder auf kunstgeschichtlichem Wege entscheiden lässt, noch die Resultate der Untersuchung einen erheblichen Gewinn für die kunstgeschichtliche Erkenntniss versprechen, und halten nur an den allgemeinen Thatsachen fest, dass die Wurzeln unseres Kunstlebens im Oriente gefunden, dass auf arianisch-semitischem und auf ägyptischem Boden die ältesten Formen ausgebildeter Kunst geschaut werden, und dass schliesslich die letzteren die Tradition bilden, welche aller folgenden Kunstthätigkeit bis auf unsere Tage zu Grunde liegt. Die tiefere Einheit der arianischen Völker diesseits und jenseits des Indus, sowie die Wechselwirkung zwischen der Bildung des südwestlichen Asiens und Aegyptens sind Thatsachen, welche vorläufig für die kunstgeschichtliche Erkenntniss werthlos bleiben. Wir behalten daher nur die unmittelbare Wirklichkeit der neben einander gestellten assyrisch-persischen und ägyptischen Kunst vor Augen. Die vorhandenen und bekannten Denkmäler der assyrischen Kunst stehen zwar in Bezug auf das Alter hinter den ägyptischen weit zurück; denn während die ersteren kaum in das zehnte Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung reichen, werden zahlreiche ägyptische Bauwerke in das dritte Jahrtausend v. Chr. und weiter hinauf versetzt. Dennoch erscheint es passend, die Geschichte der bildenden Künste mit der Beschreibung der assyrischen Kunst zu beginnen. Die bekannten Reste von Niniveh sind keineswegs der ältesten, sondern theilweise der jüngsten assyrischen Kunstperiode angehörig und nur unter der Voraussetzung vorangegangener längerer Kunstübung verständlich; die assyrische Kunst schliesst ferner bereits im sechsten Jahrhundert v. Chr., dagegen erhält sich die ägyptische bis in die griechische Zeit lebendig, und endlich spricht auch für unsere Anordnung das allgemeine Fortschreiten des Völkerlebens von Osten nach Westen.

      §. 11.

      Die orientalische Kunst wird in der neueren Kunstlehre als die symbolische bezeichnet. Zunächst wird durch diesen Namen die Eigenthümlichkeit der religiösen Begriffe bei den Orientalen charakterisirt: ihre Anschauung des Göttlichen in unpersönlichen Bildern, welche selbst, wenn sie überfliessen und in unendlicher Ausdehnung gedacht werden, dennoch unfähig bleiben, das göttliche Wesen zu erfüllen. Doch gilt auch von der Kunst der Orientalen ein ähnliches Verhältniss. Namentlich wird die orientalische Bildnerei von symbolischen Beziehungen geleitet, die äussere Gestalt nicht als schöne Form, sondern als das zufällige Zeichen des Geistes betrachtet, durch die Steigerung der Grösse, durch die Vervielfältigung von Gliedmassen, durch die Vermischung fremdartiger Formen, wie thierischer und menschlicher, die Bedeutung des Kunstwerkes versinnlicht. Auch die Architektur strebt eine unendliche äussere Fülle an, häuft entweder Massen auf Massen, oder setzt Räume neben Räume, ohne dass dieser Raumerfüllung eine innere nothwendige Grenze gesetzt ist. Die Grundlage der orientalischen Architektur bildet nicht das geschlossene Haus, sie trägt vielmehr durch ihre weite Ausdehnung, durch die Mannigfaltigkeit der Anlage, und den unmittelbaren Einschluss grösserer Flächen ein gewisses landschaftliches Gepräge. Noch in anderer Hinsicht überschreitet die Architektur das ihr gewöhnlich gesetzte Maass und die später übliche Schranke. Sie unterwirft auch die Bildnerei ihrer Herrschaft und lässt die Werke der letzteren im architektonischen Style als belebte Pfeiler und Säulen gebildet werden. Zu dieser architektonischen Skulptur gehören die geflügelten assyrischen Palastwächter und die Sphinxe und Bildsäulen in Aegypten, welche theils die Tempelstrasse zu beiden Seiten begrenzen, theils an die Pfeiler im Inneren der Tempel und Grabmonumente sich anlehnen. Ihre Bestimmung erklärt auch den Mangel an individuellem Leben, die mechanische Wiederholung desselben Typus bei allen Gestalten. Neben der architektonischen Plastik breitet sich dann die Reliefkunst aus. Die Wände der assyrischen und ägyptischen Monumente sind fast durchgängig mit Relieftafeln bedeckt, welche, wenn sie auch zahlreiche artistische Mängel verrathen, ohne Rücksicht auf die Perspektive gearbeitet und mehr vom Verstande, der nach Treue und Deutlichkeit strebt, als von einer dichterischen Phantasie gedacht sind, doch wegen ihres geschichtlichen Inhaltes, als eine ausführliche Chronik des öffentlichen und privaten Lebens der Anwohner einen überaus grossen Werth besitzen. In diesen Gattungen der Bildnerei sind die vielversprechendsten Ansätze zur weiteren Entwicklung bereits vorhanden, und zwischen denselben und der vollendeten griechischen Plastik keineswegs eine unübersteigliche Kluft wahrnehmbar; nur fehlt es zur Zeit noch an Erfahrungen, um die einzelnen Entwicklungsstufen fest zu bestimmen.

      §. 12.

       Fig. 14. Plan der Plattform und Paläste zu Nimrud.

      Im Jahre 1820 machte der englische Resident Rich zuerst auf die zahlreichen Erdhügel gegenüber von Mosul, am östlichen Ufer des Tigris, aufmerksam. Die Lokaltradition hatte schon längst hier das Grab des Propheten Jonas erblickt und in den Namen Nimrud, Aschur einen deutlichen Fingerzeig über die Bedeutung dieser Trümmerhügel gegeben. Diese Ahnungen einer unter dem Schutt begrabenen assyrischen Prachtstadt bestätigten zufällige Funde von Skulpturen. Rich's Vermuthung fand namentlich auch bei dem Reisenden Layard 1840 vollen Glauben. Nur zufällige Hindernisse verhinderten die Ausführung systematischer Ausgrabungen, und sicherten dem französischen Konsul zu Mosul, Botta, die Ehre des ersten Spatenstiches 1842. Die Ausgrabungen übertrug Botta von Kuyundschik, nachdem die ersten Versuche hier misslangen, nach dem fünf Stunden von Mosul in nordöstlicher Richtung entfernten Khorsabad. Reliefplatten und Riesenstatuen stiegen rasch nach einander aus der Erde hervor, Kammern auf Kammern wurden bloss gelegt. Nach einigen Monaten Arbeit war es keinem Zweifel mehr unterworfen, dass man einen altassyrischen Palast vor sich hatte, welcher durch Feuer zerstört worden war. Auf Botta folgten seit 1845 Layards noch ausgedehntere und folgenreichere Entdeckungen. Er blieb bei seinem alten Plane und begann die Ausgrabungen im Nimrudhügel, dessen Form als ein Parallelogramm (1800' Länge auf 900' Breite) angegeben wird, mit einem hohen konischen Hügel an der Nordwestecke (Fig. 14). Ein zweimaliger längerer Aufenthalt in diesen Landschaften (1845 und 1849) verschaffte Layard nicht allein eine genaue Uebersicht der Ruinen von Nimrud, sondern gab ihm auch Gelegenheit zu Ausgrabungen an anderen Punkten, von welchen jene in Kuyundschik gegenüber von Mosul die wichtigsten sind (Fig. 15). Nach Layards Ansicht stehen wir erst am Anfange, oder besser gesagt, am Ende der assyrischen Kunst, wir kennen erst die Reste der jüngsten Bauten und dürfen hoffen bei weiteren und tieferen Forschungen auf ältere Monumente zu stossen. Spuren solcher älteren Werke kommen nach Layard häufig vor. Und welcher Name gebührt den Ruinen? Layard hält Nimrud, Khorsabad, Kuyundschik, Karamles (alle diese Ruinen lassen sich durch ein Parallelogramm verbinden) und Nebbi-Yunus für Paläste und Parkanlagen einer einzigen Stadt, und zwar Ninivehs, dagegen will Rawlinson nur die letztgenannten Trümmerhügel auf Niniveh bezogen wissen. Das Alter der einzelnen Monumente bestimmt Layard, gestützt auf die Entzifferungsversuche der Keilinschriften, welche seine Freunde begonnen, in folgender Weise: Der Nordwestpalast in Nimrud (Fig. 14, a) wurde etwa 900 v. Chr. erbaut und ist der älteste bis jetzt bekannte Bau Assyriens. Der Sohn des Erbauers des Nordwestpalastes gründete daselbst den Centralpalast (b) 885 v. Chr., welcher von Tiglath-Pileser oder Pul wieder hergestellt und nachmals von Asarhaddon bei dem Baue seines Palastes (c) als Material benützt wurde. Das grössere Alter der Nimrudmonumente gegen die Trümmer von Khorsabad (erbaut von Sargon um 720) und Kuyundschik (erbaut von dem Sohne Sargons, Sennacherib um 700) beweist nächst den Königsnamen in den Keilinschriften die Verschiedenheit in der Anordnung der Relieftafeln, mit welchen die Wände verkleidet sind. Jene zu Nimrud sind durch Inschriften in zwei Friese getheilt, und jede Tafel bildet für sich ein abgeschlossenes Ganzes, in Kuyundschik dagegen sind die vier Wände einer Kammer von einer einzigen Bilderreihe ohne trennende Inschriften ausgefüllt, und die ganze Kammer der Darstellung einer zusammenhängenden Geschichte gewidmet. Der jüngste Bau ist der vom Enkel Asarhaddons errichtete Südostpalast zu Nimrud (d). An keinem der erwähnten Punkte sind die Nachgrabungen abgeschlossen, überall sind bis jetzt nur Fragmente der Bauanlagen an den Tag gefördert worden. Dieselben sind bedeutend


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