Handbuch der Kunstgeschichte. Springer Anton

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Handbuch der Kunstgeschichte - Springer Anton


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den assyrischen Skulpturen eine gewisse Einförmigkeit; die Profilstellung der Beine, während der Kopf gerade blickt, die Richtung jener nach links, während sich dieser nach rechts zurückdreht, beweist die enge gezogenen Schranken des assyrischen Formensinnes, oder richtiger den Mangel an künstlerischer Tradition, auf deren Schultern die weitere Entwicklung angebahnt werden könnte. Doch, wenn auch die Gestalten und Gruppen, statt nach der Tiefe des Bildes zurückzutreten, sich aufeinander thürmen, wenn auch für die Darstellung landschaftlicher Umgebung geringe Andeutungen, gleichsam Symbole, genügend gefunden werden und den Relieftafeln der belebende Hauch der individuellen Künstlerphantasie abgeht, so besitzen dennoch diese Werke, abgesehen von ihrer kulturgeschichtlichen Wichtigkeit, keine geringe künstlerische Bedeutung. Die Gestalten, welche den Palasteingang bewachen, sind nicht allein riesig in ihren Verhältnissen, sondern tragen auch den Stempel der Erhabenheit an sich, die Relieftafeln sind freilich gemeisselte Chroniken, aber schon dadurch, dass sie das geschichtliche Leben schildern, den liebevollen Sinn für die umgebende Wirklichkeit, und in den meisten Einzelnheiten ein frisches Formengefühl verrathen, dass sie selbstverständlich sind und nicht als abstrakte Zeichen erscheinen, überragen sie weit die früher geschilderten Ansätze zur Kunstthätigkeit und haben das volle Recht auf den Namen wahrer, ächter Kunst.

      §. 18.

      Dem Gedächtnisse der Todten waren die ersten und ältesten Kunstdenkmäler geweiht. Diese Sitte setzte sich auch in der späteren Zeit bei den Orientalen fort und schuf bei denselben überall eine besondere Gattung von Monumenten, welche, wenn auch in der künstlerischen Ausschmückung verschieden, doch darin übereinkommen, dass sie in den lebendigen Fels gehauen, unzugänglich gemacht, die Eingänge verborgen gehalten werden. Derartig sind auch die wenigen bis jetzt entdeckten assyrischen Grabdenkmäler. Gegenüber dem Dorfe Bavian erhebt sich eine steile Felswand, in welche zahlreiche Relieftafeln eingehauen sind. Sie enthalten Königsbilder, vielleicht die Portraite der hier Beigesetzten, und verdecken den Eingang zu den in den Felsen gehauenen, aber bereits ausgeplünderten Grabkammern. Auch von den Felsskulpturen zu Malthaiah, auf dem Wege von Kurdistan nach Mosul gilt die Vermuthung, dass sie zu Grabdenkmälern gehören. Vier Tafeln erblickt man in den Felsen eingehauen, auf jeder Tafel neun Figuren, theils Könige, theils auf Thieren stehende Götter. Dem Style nach dürfte die Entstehung dieser Werke gleichzeitig mit dem Baue von Khorsabad fallen. Es bleibt der Zukunft überlassen, eine nähere Einsicht von der Beschaffenheit dieser eben erwähnten Denkmäler zu nehmen und die Untersuchung der assyrischen Palastbauten abzuschliessen. An den Wunsch, dass dies bald geschehe, knüpft sich der andere, auch die babylonischen Trümmerhügel, namentlich jene von Akerkuf und Al Hymer einer gründlichen Durchforschung zu würdigen. Bis jetzt bilden die oft sehr fein gearbeiteten geschnittenen Edelsteine (Siegel, Amulete) den wichtigsten Fund auf babylonischem Boden.

      2. Die persische Kunst.

      §. 19.

      Die Perser wurden bekanntlich die Erben der assyrischen und babylonischen Macht. Mit der politischen Macht erbten sie auch die künstlerische Bildung, so dass auf der Ebene von Merduscht fortgesetzt wurde, was der Reichthum und die Prachtliebe der assyrischen Könige im Stromlande des Tigris und Euphrat begonnen hatte. So lange die Reste von Niniveh unter der Erde begraben lagen, konnte man über den Ursprung und die Entwicklung der persischen Kunst die mannigfachsten Vermuthungen aufstellen, und namentlich nach beliebter Weise in Aegypten die Lehrmeister der Kinder Ormuzds suchen; gegenwärtig ist es keinem Zweifel unterworfen, dass die persische Kunst in allen ihren Zweigen mit den Ninivehmonumenten im engsten Zusammenhange steht und an den letzteren grossgezogen wurde. Die Verwandtschaft der nationalen Anschauungen und religiösen Vorstellungen erklärt die gemeinsame Kunstform, welche ebensowohl aus der allgemeinen Bauanlage, wie aus der Anordnung und Beschaffenheit der Skulpturen erhellt. Aehnlich wie in Niniveh erheben sich die persischen Paläste auf Terrassen, auch der Portalschmuck, die Mannstiere, sind hier und dort die gleichen, und ebenso die Verkleidung der Kammern mit Reliefplatten, der Inhalt und die Formen der letzteren an beiden Orten identisch. Für die Abweichungen, welche man in der persischen Kunst bemerkt, sind theils das verschiedene Baumaterial, hier vortrefflicher, mehr zu Tage liegender Haustein, während sich Mesopotamien mit Backsteinen behelfen musste, theils die spätere Zeit der Entstehung der persischen Monumente massgebend. Sie fallen nämlich meist in das Zeitalter des Darius Hystaspis und Xerxes (522–465), und sind durch vier Jahrhunderte von den Nimruddenkmälern geschieden. Natürlich macht sich diese zeitliche Entfernung auch in der Kunstform fühlbar, und es stehen die persischen Skulpturen den jüngsten assyrischen Werken ungleich näher, als den alterthümlichen Arbeiten zu Nimrud. Man kann diese grössere Verwandtschaft auch an Aeusserlichkeiten, an dem Kopfputze der beflügelten Gestalten, an dem Kostüme u. s. w. beobachten. Auch von den jüngsten Denkmälern von Khorsabad und Kuyundschik unterscheiden sich aber die persischen Skulpturen besonders durch die faltenreichere, freiere Behandlung der Gewänder. Eine Vergleichung der Architektur würde wahrscheinlich zu den gleichen Resultaten führen, nämlich den persischen Baustyl als eine Ableitung des assyrischen aufweisen, wenn nicht die überaus geringen Reste, die uns von dem Oberbaue der Paläste erhalten sind, jede solche Untersuchung verböten. Doch sprechen die persischen Säulenformen dafür, dass zur Zeit ihrer Bildung der Kunstverfall bereits sichtlich einbrach, und das Verständniss der alten Bautraditionen zu weichen begann.[13]

      §. 20.

       Fig. 23. Grundriss von Tschil-Minar.

      Den grössten Ruhm und auch die grösste räumliche Ausdehnung unter allen persischen Monumenten nimmt der vielsäulige (Tschil-Minar) Bau zu Persepolis, (Fig. 23) nordöstlich von Schiraz für sich in Anspruch. Die hier entdeckten und jüngst entzifferten Keilinschriften lehren, dass Darius Hystaspis den Bau begann, Xerxes und Artaxerxes Ochus denselben fortsetzten. Ob derselbe jemals vollendet worden und nicht vielmehr Alexanders Brandfackel in das erst halb fertige Werk geschleudert worden, ist fraglich. Am Fusse des Rachmedberges gelegen, nimmt der vielgliederige, auf einer Plattform sich erhebende und in mehreren Terrassen aufsteigende Palastbau einen Raum von 4000 Fuss ein. Ein wahres Wunderwerk der Architektur, eine doppelte Treppenflucht aus Marmor (Fig. 23, a), breit und bequem genug, dass zehn Reiter neben einander dieselbe hinaufjagen und beladene Kameele sie ersteigen können, führt an der nordwestlichen Ecke des Unterbaues auf die erste Terrasse, wo uns sofort eine Ehrenpforte (b) empfängt. Vier Pfeiler stehen noch von derselben, ihre Mauerstirnen mit symbolischen Thiergestalten, gekrönten Mannstieren, geschmückt. Zwischen den Pfeilern waren vier Säulen aufgerichtet, deren Kapitäle und Basen eine der wesentlichsten Eigenthümlichkeiten der persischen Architektur versinnlichen. Die überaus reich gebildete Basis zeigt als Hauptglied über der viereckigen Platte einen umgestülpten mächtigen Kelch; als Kopf der schlanken und gefurchten oder kannelirten Säule erblicken wir über einem blätterverzierten Doppelkelche noch einen hohen Aufsatz, zu dessen Seiten je vier spiralförmig gewundene Bänder oder Voluten herabhängen (Fig. 24). Weit entfernt, dass diese Voluten das Vorbild des ionischen Kapitäls abgeben, müssen sie sogar jünger sein, als die Entstehung des letzteren, da sie die natürliche, nämliche liegende Lage der Voluten bereits als zweckloses Ornament verkehrt, d. i. aufrecht stehend zeigen.

      Wir kehren nun wieder zur Beschreibung von Tschil-Minar zurück. Verfolgt man den Weg in gerader Richtung von der Haupttreppe, so stösst man auf kein bedeutendes Bauwerk mehr; wendet man sich dagegen, auf der ersten Plattform angelangt, nach rechts, so hat man eine neue Doppeltreppe (c) vor sich, welche zur zweiten Terrasse führt. Der plastische Schmuck der Doppeltreppe wurde mit Recht als das glänzendste Zeugniss der persischen Kunstblüthe hervorgehoben. Das Mittelfeld zwischen


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