Handbuch der Kunstgeschichte. Springer Anton

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Handbuch der Kunstgeschichte - Springer Anton


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sich zwischen dem vorderen und hinteren Treppenpaare hinzieht, schildert den Zug der Völker und der Abgesandten zum Königsthrone. An Cypressen vorüber schreiten die Perser im höfischen faltenreichen Gewande, andere Stämme in enganliegender kurzer Nationaltracht, ihnen gegenüber die Gesandten von zwanzig Völkern, von Stabträgern eingeführt, und die für den König bestimmten Geschenke: Vasen, Weihrauchschalen, Salbenbüchsen, Geschmeide, Felle u. s. w. vor sich tragend, oder gezäumte und geschirrte Rosse, Stiere, Widder, Dromedare nachziehend. Drei Friese übereinander nimmt der Festzug ein, doch ist leider der oberste Fries zur Hälfte abgebrochen. Auf der zweiten Terrasse erhebt sich der Hauptbau, der Audienzsaal. Ein quadratischer, von 36 Säulen getragener Mittelraum (e) hat kleinere zwei Säulen tiefe Nebenhallen vor und neben sich. Die Säulen der Haupthalle (55' hoch) sind den oben beschriebenen verwandt, jene der Nebenhallen (60' hoch) haben als Kapitäl zwei Halbstiere, die mit ihren Leibern zusammenstossen und so einen Einschnitt bilden, in welchen das Gebälke eingefügt wurde. In der Richtung gegen die Felswand (l) haben sich gleichfalls beträchtliche Reste eines Prachtbaues, etwa des Thronsaales (e) erhalten. Hundert Säulen, in zehn Reihen aufgestellt, erfüllten das Innere desselben, die acht Eingänge waren der allgemeinen Regel gemäss von symbolischen Thieren bewacht, die Thürpfeiler und die Wände mit Reliefs bedeckt. Ihren Gegenstand bilden eine Audienz bei dem Könige, die Huldigung der Völker und Kämpfe des Fürsten mit Greifen und Löwen. Hinter dem Säulenbaue führen Treppen zu höheren Terrassen, auf welcher sich nach der Meinung Vieler die eigentlichen Palastwohnungen des Xerxes und Artaxerxes befanden. Man erkennt wohl noch Portiken (f, g) und grössere, in Vorhallen, Säle und Kammern gegliederte Räume (h, i, k), doch haben sich dieselben noch schlechter erhalten, als die Bauwerke auf den niederen Terrassen.

      §. 21.

      Neben Tschil-Minar werden noch andere Denkmäler der persischen Baukunst und Bildnerei genannt und von den Reisenden beschrieben. Auf dem Wege von Ispahan nach Schiraz, nordöstlich von Persepolis, liegt die Ebene von Murghab, gewöhnlich mit Pasargadä identifizirt. Hier stösst man auf zahlreiche Ruinengruppen, auf Plattformen von 600' im Umfange, auf Feueraltäre und zertrümmerte Säulenhallen. Nicht das geringste Interesse erregt das Reliefportrait Cyrus, welches Ker Porter an einem isolirten Marmorpfeiler aufgefunden hat. Der grosse König schreitet mit erhobener Hand gemessenen Schrittes einher, ein reichverbrämtes faltenloses Gewand, mehr assyrisch als persisch in der Form, reicht bis an die Knöchel, vier mächtige Flügel entwachsen seinen Schultern, eine eng anliegende Kappe bedeckt das Hinterhaupt, das Gesicht ist leider so stark zerstört, dass man nur den Umriss und den kurzen buschigen Bart erkennen kann. Ein seltsamer Aufsatz steigt über dem Kopfe empor. Auf einem Hörnerpaare ruhen kleine Kreise, über welchen drei kleine karaffenartige Gefässe angebracht sind. Die Inschrift über dem Bilde lässt über seine Bedeutung keinen Zweifel.

      Am Flusse Cyrus trifft man auch die Trümmer eines befestigten Platzes, welcher einen Tempel und Palast einschloss. Eine Säule, mit zusammengefügten Stierleibern als Kapitäl, ähnlich den früher erwähnten zu Tschil-Minar, steht noch aufrecht, andere liegen neben Resten von Umfassungsmauern und Thürpfosten zertrümmert umher. Auch Schiraz bewahrt in der Nähe des Saadigrabes Trümmer aus der Achämenidenzeit. Sie gehören einem kleinen viereckigen Tempel an, dessen Portalwände mit Reliefs reich geschmückt waren.

      Schliesslich bleiben noch die Felsskulpturen von Behistun bei Kermanschah zu erwähnen. Semiramis soll hier nach der Erzählung des Diodor einen Park von zwölf Stadien im Umkreise geschaffen und auf dem Felsen ihr Portrait, umgeben von den Bildern ihrer Leibwache, eingehauen haben. Davon ist freilich nichts vorhanden, wohl aber eine historische Scene aus dem Leben des Darius Hystaspis. Er hatte den Aufruhr, der sich seiner Thronbesteigung widersetzte, besiegt, und lässt sich nun die gefangenen Rebellen, die Prätendenten von Susiana, Babylon u. s. w. vorführen. Neun derselben sind durch einen um ihren Nacken gewundenen Strick aneinander gefesselt, der zehnte wird von den Füssen des Königs getreten, über dessen Haupte der Ferwer schwebt. Die artistische Ausführung des Bildes, welches nach Rawlinson aus dem Jahre 516 stammt, ist nicht sonderlich, und gegen die allgemein geschichtliche Bedeutung desselben jedenfalls weit zurückstehend.

      §. 22.

      Die persischen Grabdenkmäler, welche neben der Palastarchitektur die Kunstthätigkeit der Orientalen am meisten beschäftigten, kommen an drei Punkten vor: in Murghab, bei Tschil-Minar und in Nakschi-Rustam. Ihrer Form nach zerfallen sie in freistehende und Felsengräber. Mit Hülfe der entzifferten Keilinschriften wurde das Bild des Cyrus entdeckt, ihnen verdanken wir auch die Kenntniss seines Grabes. Es liegt in der Ebene von Murghab, umgeben von anderen Baulichkeiten, im Volksmunde unter dem Namen des Grabes der Mutter Salomons bekannt, und erhebt sich auf einer pyramidalaufsteigenden Stufenbasis. Die Form des 8' hohen, 7' breiten und 10' tiefen Grabes ist die eines Giebelhauses, die Anlage desselben dadurch, dass der Giebel aus einem einzigen Felsstücke gearbeitet ist und die Steinblöcke durch die Dicke der Mauer hindurchgehen, der Ewigkeit trotzend. Die einfache Schönheit des Baues, der ruhige Linienzug, die Abwesenheit aller Ornamente fällt nicht wenig auf. Doch steht dieses Beispiel eines organischen Baues keineswegs einzig da; auch die Felsengräber oder vielmehr ihre Façaden zeichnen sich durch den Reichthum der einzelnen Bauglieder und das glückliche Zusammenwirken der letzteren aus. Man kennt bis jetzt drei Felsengräber in der Nähe von Persepolis und vier in dem Berge, welcher bei den Anwohnern den Namen Rustamsbild (Nakschi-Rustam) führt. Da die Anordnung aller Genannten im Wesentlichen übereinstimmt, so genügt die Beschreibung des niedrigsten von Nakschi-Rustam, welches Ker Porter genau untersucht hat.

      In die Felswand ist eine Façade in der Form eines Kreuzes eingehauen, der obere Arm und die Querarme des letzteren architektonisch behandelt. Vier Halbsäulen, gekrönt von den schon früher beschriebenen Doppelstieren, tragen ein beinahe in griechischer Weise gegliedertes Gebälke (Fig. 25). Auf einen Stufenbau folgt dann ein von zwei Karyatiden eingeschlossenes Reliefbild: Zwei Reihen von Männern, baarhaupt, mit kurz geschürzter Tunika, tragen schreitend auf ihren emporgehaltenen Armen zwei Friese. Ueber denselben steht wie auf einem Katafalke der König im weitfaltigen Gewande vor dem Feueraltare, die eine Hand zum Ferwer emporhaltend, der in der Luft schwebt und mit ausgestrecktem Arme dem Könige die Krone überreicht. Auch die Seitenflächen der vertieften Felswand sind in Felder getheilt und auf diesen links Speerträger, rechts das wehklagende Gefolge des Verstorbenen abgebildet. Das Innere, in welches man mit Gewalt durch die zwischen den Halbsäulen angebrachte Scheinthüre eindrang, ist gewölbeartig ausgehauen und im Hintergrunde mit drei, jetzt leer stehenden Nischen versehen.

      Wenn es gestattet ist, von diesen Façaden einen Schluss auf den allgemein in Persien üblichen Baustyl zu schliessen, so haben wir allerdings keine Ursache, zwischen der orientalischen und der europäischen Kunst eine schroffe Kluft zu ziehen, mag auch vorläufig die Ableitung der besonderen Bauglieder aus der assyrischen und persischen Tradition grossen Schwierigkeiten unterliegen.

      3. Die ägyptische Kunst

      §. 23.

      Mit dem gleichen Rechte, mit welchem die Kultur der Assyrer und Babyloner mit dem vorderasiatischen Doppelstrome verknüpft und darauf hingewiesen wird, dass jene zumeist an der Vernachlässigung des Irrigationssystemes zu Grunde ging, verehrt man auch im Nile die Lebensader der ägyptischen Bildung. Doch darf die dadurch für Aegypten erzielte Kultureinheit nicht unbedingt und ausschliesslich gelten, da die geographische Verschiedenheit zwischen dem marschigen Unterägypten und dem von Felsen enger eingeschlossenen oberägyptischen Thale gleichfalls unter den Kulturbedingungen zählt. Es verhält sich damit ähnlich, wie mit der gerühmten Unveränderlichkeit der ägyptischen Kunstweise. Noch heute wird der Laie Platons Ueberzeugung theilen, dass Jahrtausende keinen Einfluss auf die ägyptische Kunst üben und uralte Werke von den jüngsten in Nichts verschieden sind, und dennoch findet das geübte Kennerauge gewichtige Unterschiede zwischen den einzelnen Kunstwerken, und folgenreiche Wandlungen in der


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