Römische Geschichte. Livius Titus
Читать онлайн книгу.beim Volk auf die Ernennung zweier Ädilen aus den Vätern antragen, und die Väter alle Wahlen dieses Jahres bestätigen sollten.
Siebentes Buch
Inhalt
Die obrigkeitlichen Ämter wurden um zwei neue vermehrt, die Prätur und das Kurulische Ädilenamt. Die Stadt wurde von einer Pest heimgesucht, welcher des Furius Camillus Tod eine Denkwürdigkeit gab, und da man, um zu genesen und die Pest zu vertreiben, neue heilige Feierlichkeiten anstellte, gab dies den Spielen der Schaubühne den Ursprung. Als der Volkstribun Marcus Pomponius den Lucius Manlius wegen seiner Härte bei der Werbung und weil er seinen erwachsenen Sohn Titus Manlius ohne Schuld auf das Land verwiesen habe, vor Gericht forderte, kam der Jüngling selbst, dessen Verweisung man dem Vater zum Vorwurf machte, in des Tribuns Schlafzimmer und zwang ihn mit gezücktem Schwert, ihm den Eid nachzusagen, dass er die Klage nicht fortsetzen wolle. Das ganze Vaterland gerät durch einen Erdfall in der Stadt Rom in den größten Schrecken, und man wirft in den tiefen Schlund Kostbarkeiten aller Art. In seiner Rüstung zu Pferd stürzt Curtius sich hinein, und der Abgrund schließt sich. Der junge Titus Manlius, der seinen Vater von der Plackerei des Tribuns gerettet hatte, trat gegen einen Gallier, der die römischen Soldaten herausforderte, zum Zweikampf auf, nahm dem Erlegten eine goldene Halskette ab, die er nachher selbst trug, und bekam davon den Namen Torquatus. Zu den Bezirken kommen zwei neue hinzu, der Pomptinische und Publilische. Licinius Stolo wird Kraft des von ihm selbst vorgeschlagenen Gesetzes verurteilt, weil er mehr als 500 Morgen Land besaß. Marcus Valerius erschlägt als Kriegstribun einen Gallier, von dem er herausgefordert war, mit Hilfe eines Raben, der sich ihm auf den Helm setzt und den Feind mit Krallen und Schnabel anfällt, und bekommt davon den Namen Corvus, und wird das Jahr darauf in einem Alter von dreiundzwanzig Jahren seiner Tapferkeit wegen zum Konsul gewählt. Geschlossener Freundschaftsvertrag mit Karthago, weil die Campaner, von den Samniten mit Krieg bedrängt, die bei dem Senat gesuchte Hilfe gegen sie nicht erhalten, übergeben sie ihre Stadt und ihr Land dem römischen Volk; dies bewirkt den Entschluss, sie als nunmehriges römisches Eigentum mit den Waffen gegen die Samniten in Schutz zu nehmen. Als das Heer unter Zuführung des Konsuls Cornelius in einer nachteiligen Stellung in große Gefahr geriet, wurde der Kriegstribun Publius Decius Mus dessen Retter. Durch Besetzung eines Hügels, der die Höhe beherrschte, auf welcher sich die Samniten gelagert hatten, gab er dem Konsul Gelegenheit, sich auf einen vorteilhafteren Platz zu ziehen, er selbst schlug sich durch die ihn umschließenden Feinde. Als die zur Besatzung in Capua gelassenen römischen Soldaten sich verschworen hatten, die Stadt für sich in Besitz zu nehmen, und nach Entdeckung ihres Anschlages aus Furcht vor der Strafe vom römischen Volk abfielen, wurden sie durch den Diktator Valerius Corvus, dessen Klugheit sie von ihrer Verblendung zurückrief, dem Vaterland wiedergegeben. Außerdem enthält dieses Buch Siege über die Herniker, Gallier, Tiburtiner, Privernaten, Tarquinier, Samniten und Volsker.
(1) Dieses Jahr wird durch das Konsulat eines homo novus (Aufsteigers) merkwürdig bleiben, merkwürdig durch zwei neue Ämter, das der Prätoren und das der kurulischen Ädiledie. Diese Ehrenstellen verschafften sich die Patrizier für das eine dem Bürgerstand eingeräumte Konsulat. 2 Dieses Konsulat übertrug das Volk dem Lucius Sextius, durch dessen Gesetz es ihm erworben war, die Prätur verschaffte der Einfluss der Väter auf dem Wahlfeld dem Spurius Furius Camillus, des Marcus Sohn, die Ädilität dem Cnaeus Quinctius Capitolinus und Publius Cornelius Scipio, lauter Männern ihres Standes. Dem Lucius Sextius wurde zum Amtsgenossen aus den Vätern Lucius Aemilius Mamercus gegeben.
3 Im Anfang des Jahres kam es teils wegen der Gallier, welche sich nach ihrer ersten Zerstreuung in Apulien, wie das Gerücht sagte, wieder sammelten, teils über den Abfall der Herniker mehrmals zu Anträgen. 4 Da man aber absichtlich alles aufschob, um dem bürgerlichen Konsul keinen Stoff zu Taten zu geben, herrschte in den Geschäften eine allgemeine Stille und eine einem Gerichtsstillstand ähnliche Ruhe, 5 nur dass die Tribunen es nicht ungerügt ließen, dass sich der Adel zum Ersatz der einen bürgerlichen Konsulstelle drei Ämter für seine Patrizier angemaßt habe, welche in der Purpurverbrämung gleich Konsuln auf Thronsesseln dasäßen, 6 ja dass auch ein Prätor, noch dazu mit der Gerichtspflege beauftragt, den Konsuln als Amtsgenosse zugeteilt und gleich ihnen durch Befragung der Vögel geweiht werde – und dadurch dem Senat die Bescheidenheit aufnötigten, die Wahl der kurulischen Ädilen aus den Vätern nicht zu fordern. Zuerst einigte man sich dahin, sie ein Jahr um das andere aus dem Bürgerstand zu wählen; nachher hatten beide Teile ohne Unterschied gleichen Zutritt.
7 Unter dem folgenden Konsulat des Lucius Genucius und Quintus Servilius, in welchem weder Aufruhr noch Krieg die Ruhe störte, entstand nun, damit es nie an Besorgnis und Gefahr fehlen möchte, ein großes Sterben. 8 Ein Zensor, ein kurulischer Ädil, drei Volkstribunen sollen gestorben, und nach dem Verhältnis auch unter dem übrigen Volk viele Todesfälle vorgekommen sein. Und besonders denkwürdig machte diese Pest der, wenn auch nicht zu frühe, so doch betrübliche Verlust des Marcus Furius. 9 Denn wirklich war der Mann in jeder Lage des Lebens einzig; schon ehe er in die Verbannung ging, im Frieden und im Krieg der erste, glänzender noch durch diese Verbannung, sei es, weil der Staat ihn vermisste, der, selbst in Feindeshand, den Abwesenden um Rettung anflehte, oder weil ihm das Glück beschieden war, bei seiner Zurückberufung in die Vaterstadt mit sich selbst zugleich die Vaterstadt wiederherzustellen. Und in den folgenden 25 Jahren – denn so lange lebte er nachher noch – 10 erhielt er sich die Auszeichnung, die ein so hoher Ruhm ihm gab, und galt für einen Mann, der es verdiente, nächst Romulus der zweite Erbauer Roms genannt zu werden.
(2) In diesem und im folgenden Jahr, unter den Konsuln Caius Sulpicius Peticus und Caius Licinius Stolo währte die Pest fort. Darum wurde nichts Denkwürdiges unternommen, 2 außer dass man, um die Gnade der Götter zu erflehen, jetzt zum dritten Mal nach Roms Erbauung ein großes feierliches Göttermahl anstellte. 3 Und da weder menschliche Mittel noch göttliche Hilfe die Gewalt der Krankheit milderten, so sollen, wie es heißt, bei der abergläubischen Stimmung der Leute unter anderen Sühnemitteln des göttlichen Zornes auch die Spiele der Bühne aufgekommen sein, für ein kriegerisches Volk, dem bisher nur Spiele der Rennbahn eine Augenweide gewährt hatten, etwas ganz Neues. 4 Aber auch diese waren zuerst, wie fast aller Anfang, nur klein und noch dazu ausländisch. Ohne allen Gesang, ohne alle Darstellung des Gesungenen durch Gebärdenspiel, machten die aus Etrurien geholten Spieler, in tuskischen von einer Flöte begleiteten Tänzen ganz zierliche Bewegungen. 5 Die Jünglinge ahmten ihnen nach, zugleich ließen sie sich untereinander in scherzhaften, frei gearbeiteten Versen hören, und die Gebärden waren dem Vortrag nicht unangemessen. 6 Die Sache fand Beifall und hob sich durch die öftere Ausführung. Weil ein Spieler auf tuskisch Hister hieß, so gab man auch den heimischen Künstlern den Namen Histrio, 7 welche nun nicht mehr, wie sonst, ungefeilte und regellose Verse, den Fescenninen77 ähnlich, als Wechselgespräch hinwarfen, sondern ein im Silbenmaß vollendetes Allerlei, als ein von der Flöte geleitetes Singstück mit angemessenem Gebärdenspiel aufführten. 8 Mehrere Jahre nachher soll Livius, der es zuerst wagte, statt des Allerlei ein Schauspiel mit einer Haupthandlung zu begründen, als ihm bei den geforderten öfteren Wiederholungen eine Heiserkeit zustieß – er war nämlich, wie damals alle, zugleich Verfasser und Geber seiner Stücke –, 9 nach erbetener Erlaubnis einen Knaben zum Singen vor den Flötenspieler gestellt und den Gesang der einen Person mit um so lebhafterer Bewegung begleitet haben, weil ihm nun der Aufwand seiner Stimme nicht mehr hinderlich war. 10 Seitdem ließ man zu dem Gebärdenspiel der Histrionen einen anderen singen, und nur der Wechselgesang blieb ihrer eigenen Stimme vorbehalten. 11 Als sich die Form der Bühnenstücke durch diesen regelmäßigen Gang immer mehr vom bloßen Lachen und ausgelassenen Scherz entfernte, und ihr Spiel allmählich zu einer Kunst gediehen war, überließen die jungen Römer die Aufführung der Bühnenstücke den wirklichen Schauspielern und machten sich’s zum eigenen Geschäft, allerlei Stoff zum Lachen in Versen vorzutragen, welche man nachher, unter der späteren Benennung der Nebenspiele, hauptsächlich mit den atellanischen Possenspielen78 in Verbindung setzte. 12 An diese, den Oskern abgelernten Spiele hielt sich die Jugend und ließ sie nicht von den Histrionen entweihen. Daher wurde es zur bleibenden Sitte, dass die Geber atellanischer Stücke darum nicht aus ihrem Bezirk gestoßen werden und Kriegsdienste tun dürfen, als wären sie mit der Schauspielkunst außer aller Verbindung.
13 Unter den Nachrichten