Römische Geschichte. Livius Titus
Читать онлайн книгу.er als Diktator treffen würde, eine Strafe von 500 000 Pfund erlegen solle. 10 Wenn ich es wahrscheinlicher finde, dass er sich durch einen Wahlfehler, als durch diesen bis dahin beispiellosen Antrag habe abschrecken lassen, so bestimmt mich dazu teils die Ehrenhaftigkeit des Mannes, teils und noch mehr der Umstand, dass sogleich Publius Manlius als Diktator an dessen Stelle gewählt wurde (Und was würde es geholfen haben, diesen für einen Kampf zu ernennen, in welchem Marcus Furius schon besiegt gewesen wäre?), 11 teils weil das folgende Jahr den Marcus Furius wiederum als Diktator gehabt hat, der wenigstens nicht ohne Scham in ein Amt wieder eingetreten wäre, dessen Kraft das Jahr zuvor in seiner Person gebrochen gewesen wäre, zugleich auch, weil er damals, als auf Geldstrafe angetragen sein soll, entweder auch diesem Antrag, wodurch er sollte zur Ordnung gewiesen werden, 12 widerstehen konnte, oder auch nicht Kraft genug hatte, selbst jene zu hindern, um derer willen auch dieser gestellt worden war, und weil dennoch, solange Tribunen und Konsuln bis auf unsere Zeiten ihre Kräfte gegeneinander versucht haben, die Diktatur sich auf ihrer Höhe über sie behauptet hat.
(39) In der Volksversammlung, welche die Volkstribunen zwischen der niedergelegten ersten und der vom Manlius angetretenen neuen Diktatur, gleichsam in einer Zwischenregierung hielten, zeigte es sich, welche von den Vorschlägen dem Bürgerstand und welche den Urhebern selbst die liebsten waren; 2 denn die Anträge über die Schulden und Ländereien genehmigten die Bezirke, den über das bürgerliche Konsulat verwarfen sie. Und beides wäre durchgesetzt worden, wenn nicht die Tribunen erklärt hätten, dass sie bei dem Bürgerstand auf sämtliche Punkte zugleich antrügen. 3 Nachher gab Publius Manlius als Diktator der Sache eine für den Bürgerstand vorteilhafte Wendung, indem er den gewesenen Kriegstribun Caius Licinius, einen Bürgerlichen, zum Magister Equitum ernannte. 4 Ich finde (in den Quellen), dies sei den Vätern sehr unangenehm gewesen; der Diktator aber habe immer seine nahe Verwandtschaft mit Licinius zu seiner Entschuldigung angeführt und zugleich behauptet, die Stelle eines Magisters Equitum sei ja nicht höher als die eines Konsulartribunen.
5 Als der Tag zur Volkstribunenwahl angesetzt war, benahmen sich Licinius und Sextius so, dass sie durch die Weigerung, sich das Amt verlängern zu lassen, bei dem Volk die heftigste Begierde weckten, gerade das zu tun, was sie selbst, ohne den Schein zu haben, suchten. 6 Schon ins neunte Jahr stünden sie gegen die Vornehmen gleichsam in Schlachtordnung, nicht ohne die größte persönliche Gefahr, aber ohne den geringsten Vorteil für das Ganze. Schon wären mit ihnen selbst die angekündigten Vorschläge und die ganze Kraft des tribunizischen Amtes veraltet. 7 Zuerst habe man ihre Vorschläge durch die Einsprache ihrer Amtsgenossen bekämpft, dann durch die Wegsendung der Mannschaft in den Veliternischen Krieg; zuletzt habe man den Donner der Diktatur gegen sie gerichtet. 8 Jetzt ständen weder Amtsgenossen, noch Krieg, noch ein Diktator im Weg; ja dieser habe sogar durch die Ernennung eines Magisters Equitum aus dem Bürgerstand zu einem bürgerlichen Konsulat gleichsam ein Vorzeichen gegeben. Nur der Bürgerstand vernachlässige sich und seine Vorteile. 9 In dem Augenblick, in welchem er wolle, könne er die Stadt und den Gerichtsplatz von allen Gläubigern frei haben, frei die Ländereien von allen unrechtmäßigen Besitzern. 10 Wann denn die Bürger endlich so große Anerbietungen mit dem gehörigen Dank erkennen würden, da sie selbst jetzt, während sie die zu ihren Vergrößerungen gemachten Vorschläge annähmen, denen, die sie gemacht hätten, die Hoffnung zum Ehrenamt abschnitten? Es sei mit der Bescheidenheit des römischen Volkes unvereinbar zu verlangen, dass man es von seinen Schulden befreien und in die von den Mächtigen unrechtmäßig besessenen Ländereien führen solle, und doch ebendie Männer, durch welche es dies erreicht habe, diese im Tribunate Ergrauten, nicht nur ohne Ehrenamt, sondern auch ohne Hoffnung auf das Ehrenamt zu lassen. 11 Es möchte also zuvor bei sich selbst festsetzen, was eigentlich sein Wille sei, und dann am Tag der Tribunenwahl seinen Willen erklären. Wünsche es, dass sie die von ihnen angekündigten Vorschläge ungetrennt zur Genehmigung vorlegen sollten, so lasse sich’s hören, dass man eben diejenigen Volkstribunen wiederwählen wolle, denn diese würden auch die Durchsetzung ihrer Vorschläge zu bewirken wissen. 12 Wünsche es aber nur die Annahme dessen, was jeder zu seinem besonderen Vorteil nötig finde, so sei die gehässige Verlängerung ihres Amtes unnötig; so würden sie nicht das Tribunat, die Bürger nicht das Angekündigte erhalten.
(40) Als den übrigen vor Unwillen staunenden und verstummenden Vätern jede Antwort auf diese trotzende Rede der Volkstribunen erstarb, 2 soll Appius Claudius Crassus, der Enkel des Dezemvirn, mehr von Hass und Zorn als von Hoffnung beseelt, als Gegenredner aufgetreten sein und etwa folgende Rede gehalten haben:
3 Es wäre mir nicht neu, nicht unerwartet, ihr Quiriten, wenn man den Hauptvorwurf, den aufrührerische Tribunen unserer Familie immer gemacht haben, auch mir jetzt anzuhören gäbe, dass uns Claudiern gleich von Anfang an im Staat nichts wichtiger gewesen sei als die Ehre der Väter, und dass wir uns immer den Vorteilen des Bürgerstandes widersetzt hätten. 4 Das Eine will ich nicht in Abrede stellen, es nicht widerlegen, dass wir von der Zeit an, wo wir zugleich in das Bürgerrecht und unter die Väter aufgenommen wurden, uns angelegentlich bestrebt haben, dass man uns mit Wahrheit nachsagen könne, die Ehre der Geschlechter, unter denen ihr uns unseren Platz angewiesen habt, sei durch uns eher gehoben als herabgesetzt. 5 Hinsichtlich des Zweiten, ihr Quiriten, glaube ich für mich und meine Vorfahren behaupten zu dürfen, wenn nicht etwa jemand das, was man zum Besten des Ganzen tut, als nachteilig für den Bürgerstand ansehen will, gerade als ob dieser eine andere Stadt bewohnte, dass wir wissentlich, wir mochten ohne Amt oder im Amt sein, nie etwas getan haben, was mit dem Wohl des Bürgerstandes unverträglich wäre, und dass man uns mit Wahrheit keiner Tat oder Rede zeihen könne, die euren Vorteil bestritten hätte, sollte sie auch zuweilen euren Willen bestritten haben. 6 Oder sollte ich – gesetzt, ich wäre nicht vom claudischen Stamm, nicht von patrizischem Blut entstammt, sondern ein Quirit wie jeder andere, und wäre mich nur meiner Abkunft von zwei freien Eltern, meines Daseins in einem freien Stand bewusst –, 7 sollte ich dann dazu schweigen können, wenn so ein Lucius Sextius und Caius Licinius, diese, Gott sei’s geklagt, immerwährenden Tribunen, in den neun Jahren, in denen sie herrschen, sich mit der Frechheit so vertraut gemacht haben, dass sie euch ankündigen, sie würden euch weder über die Wahlen noch über die Annahme von Vorschlägen das Recht der freien Stimme gestatten? 8 Nur unter Bedingungen, spricht so ein Mensch, sollt ihr uns zum zehnten Mal zu Tribunen wiederwählen können. – Was sagt dies anders, als was andere suchen, das ist uns so sehr zum Ekel, dass wir es ohne eine große Bewilligung nicht annehmen mögen. – 9 Und worin besteht nun diese Bewilligung, unter der wir euch immer zu Tribunen haben sollen? – Darin, dass ihr unsere sämtlichen Anträge, sie mögen euch gefallen oder nicht, euch nützlich oder schädlich sein, ohne sie zu trennen, annehmt. – 10 Setzt den Fall, ich bitte euch, ihr Tarquinier in Tribunengestalt, ich riefe mitten aus der Versammlung als einzelner Bürger zu euch: Habt doch die Gnade, uns zu erlauben, dass wir von diesen Vorschlägen diejenigen auswählen, die wir uns für zuträglich halten, und mit den anderen es beim Alten lassen. – 11 Nein, spricht er, das wird nicht erlaubt. Nicht wahr, dann würdest du die Vorschläge, an denen ihr alle teilnehmt, ich meine die über die Schulden und Ländereien, gutheißen, ließest aber den Gräuel nicht zur Wirklichkeit kommen, der euch mit Unwillen, mit Abscheu erfüllt, dass die Stadt der Römer so einen Lucius Sextius und einen Caius Licinius als ihre Konsuln ansehen soll? Genehmigt sie entweder alle, oder ich schlage nichts vor. – 12 Geradeso als ob man einem von Hunger Gequälten mit der Speise Gift hineinsetzte und von ihm verlangte, entweder sich des Gedeihlichen zu enthalten, oder mit dem Gedeihlichen das Todbringende zusammenzuschütten. Das ist’s, was ich sage: Wenn der Staat frei wäre, würden euch dann nicht viele zurufen: Fort mit dir und deinen Tribunaten und Vorschlägen! Oder meinst du, wenn du nicht einen Vorschlag machtest, in dessen Annahme das Volk seinen Vorteil sähe, dass ihn zu machen sich niemand finden werde? – 13 Wenn ein Patrizier, oder was nach ihrer Meinung noch gehässiger klingen soll, wenn ein Claudier spräche: Entweder nehmt alles an, oder ich habe gar keine Vorschläge zu machen! – Quiriten, wer von euch würde das ertragen? 14 Werdet ihr denn nie lernen, lieber auf die Sache als auf den Angeber zu sehen, sondern immer alles, was das Tribunat euch vorzutragen hat, mit geneigtem Ohr, und was wir euch sagen wollen, mit Abneigung zu vernehmen? – 15 Ja, sagt ihr, schon eure Sprache hat einen so unbürgerlichen Ton. – So? Wie steht’s denn um den Vorschlag, dessen Verwerfung sie euch so übelnehmen? Ja, freilich, Quiriten, der klingt so leutselig als möglich.