Römische Geschichte. Livius Titus

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Römische Geschichte - Livius Titus


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denn in der Bestürzung hatten sie weder festsetzen können, auf welches Zeichen sie sich sammeln, noch auch, ob sie ihrem Lager zueilen oder sich in die Ferne retten wollten. 16 Flucht und Schrecken waren so groß, dass dem Konsul an 40 000 Schilde – so hoch belief sich doch die Zahl der Erschlagenen bei Weitem nicht – und mit den im Lager erbeuteten an 170 Fahnen eingeliefert wurden. 17 Nun erfolgte der Rückzug ins Lager der Feinde, wo die ganze Beute den Soldaten überlassen wurde.

      (38) Das Glück dieses Krieges nötigte teils die Falisker, welche bisher mit Rom nur einen Waffenstillstand gehabt hatten, bei dem Senat um ein Bündnis zu bitten, teils wandte es den Krieg der Latiner, deren Heere schon bereit standen, von den Römern gegen die Paeligner. 2 Ja der Ruf von diesem Erfolg beschränkte sich nicht auf Italiens Grenzen, sondern auch Karthago schickte Gesandte nach Rom, seine Glückwünsche und einen goldenen Kranz als Geschenk zu überbringen, der auf dem Kapitol in Jupiters Allerheiligstem niedergelegt werden sollte; er wog 25 Pfund.

      3 Beide Konsuln triumphierten über die Samniten, und Decius zog, durch Ehre und Geschenke ausgezeichnet, hinterher, denn in den liederartigen Soldatengesängen erscholl sein Name ebenso oft wie derjenige der Konsuln. 4 Darauf bekamen die Gesandtschaften der Campaner und Suessulaner Gehör und die Gewährung ihrer Bitte, dass man bei ihnen eine Besatzung in die Winterquartiere legen möchte, die den Streifzügen der Samniten wehren könne. 5 Capua, schon damals ein der kriegerischen Zucht gar nicht zuträglicher Aufenthalt, tilgte in den Herzen der Soldaten, welche sich durch die Befriedigungsmittel jeder Sinnlichkeit verführen ließen, das Andenken an ihr Vaterland; und sie entwarfen in den Winterquartieren allerlei Pläne, den Campanern Capua auf eine ebenso frevelhafte Art zu nehmen, als es diese einst seinen alten Bewohnern genommen hätten. 6 Auch sei es gar nicht unrecht, ihr Beispiel auf sie selbst anzuwenden. Warum denn die fruchtbarste Gegend Italiens und eine Stadt, die einer solchen Gegend Ehre mache, gerade den Campanern gehören solle, die weder sich noch das Ihrige schützen könnten, und nicht vielmehr dem siegreichen Heer, das mit seinem Schweiß und Blut die Samniten daraus vertrieben habe? 7 Sei es wohl billig, dass Leute, die sich ihnen hätten ergeben müssen, in dieser Fruchtbarkeit und Anmut schwelgten, sie hingegen, ermüdet vom Kriegsdienst, mit einem verpesteten und dürren Boden rings um die Stadt zu kämpfen hätten, oder an der in der Stadt heimischen Seuche der täglich zunehmenden Schuldenlast dahinschwinden müssten? 8 Diese, in geheimen Verschwörungen besprochenen, noch nicht allen mitgeteilten Pläne fand der neue Konsul, Caius Marcius Rutilus, welcher Kampanien durch das Los erhalten und seinen Amtsgenossen Quintus Servilius in Rom zurückgelassen hatte, bei seiner Ankunft vor. 9 Da er von dem ganzen Verlauf der Sache durch die Tribunen in Kenntnis gesetzt war und als ein Mann von Jahren und Erfahrung – er war jetzt zum vierten Mal Konsul und schon Diktator und Zensor gewesen – es am geratensten fand, den Ungestüm der Soldaten auf die Art abzulenken, dass man sie bei dem Gedanken, ihren Plan, sobald sie wollten, auszuführen, nur hinhielte, sprengte er das Gerücht aus, dass die Besatzungen ihre Winterquartiere in denselben Städten auch für das folgende Jahr behalten würden. 10 Sie waren nämlich in die Städte Kampaniens verteilt, und von Capua aus hatten sich jene Anschläge über das ganze Heer verbreitet. Durch diesen ihren Entwürfen gegebenen Spielraum kam der Aufstand vorderhand nicht zum Ausbruch.

      (39) Nachdem der Konsul mit den Soldaten in das Sommerlager gezogen war, machte er es sich zur Aufgabe, das Heer, solange ihm die Samniten Ruhe ließen, durch Entlassungen der Ruhestörer zu säubern. 2 Bei einigen gab er an, ihre Dienstzeit sei um, bei anderen, sie wären zu betagt oder nicht mehr rüstig genug, wieder andere wurden als Beurlaubte weggeschickt, anfangs nur einzeln, dann auch einige Kohorten, weil sie den Winter über so weit von Heimat und Eigentum gedient hätten. Auch wurde unter dem Vorwand kriegerischer Erfordernisse, zu deren Besorgung die einen hier, die anderen dorthin geschickt wurden, ein großer Teil entfernt, 3 und alle diese hielten der andere Konsul und der Prätor, welche einen Aufenthalt nach dem andern auszumitteln wussten, in Rom zurück. 4 Anfangs nahmen sie, ohne die Täuschung zu merken, die Besuche in der Heimat sehr gern an. Als sie aber merkten, dass nicht allein die Ersten nicht zu den Fahnen zurückkehrten, sondern auch fast keiner außer denen, die in Kampanien in den Winterquartieren gelegen hatten, und selbst unter diesen gerade die bedeutendsten Urheber der Verschwörung weggeschickt wurden, da ergriff sie zuerst Verwunderung und dann die nicht unbegründete Furcht, dass ihre Pläne entdeckt sein möchten. 5 Nun würden sie gerichtliche Untersuchungen, Angaben, heimliche Hinrichtungen des einen und des andern und die grausame Tyrannei der Konsuln und Patrizier über sich ergehen lassen müssen. 6 Dies waren die geheimen Unterredungen der im Lager Gebliebenen, als sie sahen, wie geschickt der Konsul ihrer Verschwörung die Nerven ausgeschnitten habe. 7 Eine Kohorte aber, die auf dem Weg in der Nähe von Anxur war, lagerte sich in dem engen Pass bei Lautulae zwischen dem Meer und dem Gebirge, um diejenigen aufzufangen, die der Konsul, wie ich oben gesagt habe, aus verschiedenen Gründen wegschickte. 8 Schon war ihre Schar beträchtlich angewachsen, und es fehlte ihnen zum Aussehen eines ordentlichen Heeres nichts als ein Anführer. Ungeordnet kamen sie als Plünderer bis ins albanische Gebiet und legten unter der Höhe von Alba ein befestigtes Lager an. 9 Nach Vollendung der Werke brachten sie den übrigen Teil des Tages unter streitigen Meinungen über den zu wählenden Feldherrn hin, weil sie zu keinem von den Anwesenden Vertrauen genug hatten. Wen konnten sie aber aus Rom holen lassen? Wer von den Vätern oder vom Bürgerstand würde sich wissentlich zu einer so großen Gefahr hergeben? 10 Oder wem konnten sie, wenn er soeben von einem wütenden Heer gewaltsam behandelt sei, die Sache desselben mit Sicherheit anvertrauen? 11 Als sie am folgenden Tag dieselbe Beratung fortsetzten, meldeten einige von den umherstreifenden Plünderern, sie hätten in Erfahrung gebracht, dass Titus Quinctius, welcher der Stadt und allen Ehrenämtern entsagt habe, im tuskulanischen Gebiet auf seinem Landgut lebe. 12 Er war von patrizischem Geschlecht, und weil ihm sein durch eine Wunde gelähmter Fuß die Fortsetzung seiner mit großem Ruhm geleisteten Kriegsdienste nicht gestattete, hatte er beschlossen, fern von Amtsbewerbungen und Roms Markt auf dem Land zu leben. 13 Als sie den Namen des Mannes hörten, erinnerten sie sich seiner sogleich und ließen ihn auf gut Glück holen. Es ließ sich indes kaum hoffen, dass er sich freiwillig zu irgendetwas verstehen würde; also wollte man Zwang und Drohung anwenden. 14 Als die dazu Abgeschickten sich in der Stille der Nacht auf dem Landgut des Quinctius in das Haus geschlichen hatten, schleppten sie den im tiefen Schlaf Überfallenen, dem sie, ohne sich auf einen Mittelweg einzulassen, entweder die Ehre der Feldherrnstelle oder im Weigerungsfall als dem Unfolgsamen den Tod ankündigten, ins Lager. 15 Gleich bei seiner Ankunft begrüßte man ihn als Oberbefehlshaber, stattete ihn, von dem überraschenden Auftritt noch vor Schrecken außer sich, mit allen Ehrenzeichen seiner Würde aus und verlangte, nach Rom geführt zu werden. 16 Mehr aus eigenem Ungestüm als nach dem Beschluss ihres Feldherrn erhoben sie die Fahnen und kamen als feindliches Heer auf der Straße, welche jetzt die Appische heißt, bis zum achten Meilensteine, 17 ja sie wären gerade auf Rom losgegangen, wenn sie nicht gehört hätten, dass ihnen ein Heer entgegenrücke und dass Marcus Valerius Corvus gegen sie zum Diktator und Lucius Aemilius Mamercus zum Magister Equitum ernannt sei.

      (40) Sobald sie diesen zu Gesicht kamen und die Waffen und Fahnen erkannten, milderte sogleich die Erinnerung an das Vaterland den Zorn bei allen. 2 Die Tapferkeit, Bürgerblut vergießen zu können, besaßen sie noch nicht, kannten noch keine Kriege als nur gegen das Ausland, und über die Trennung von den Ihrigen ging ihre Wut nicht hinaus. Also sehnten sich zugleich Feldherren und Soldaten auf beiden Seiten nach einer Annäherung in Unterredungen. 3 Und Quinctius, müde, die Waffen für das Vaterland zu führen, geschweige denn gegen das Vaterland, und Corvus, er, der mit seiner Liebe die Bürger alle, besonders die Soldaten, und vor allem sein Heer, umschloss, traten zu einer Unterredung vor. 4 Sobald er erkannt wurde, gewährten ihm die Gegner, um ihn reden zu hören, mit nicht geringerer Ehrerbietung als sein eigenes Heer, die tiefste Stille.

      Soldaten, sprach er, bei meinem Ausmarsch aus der Stadt betete ich zu den unsterblichen Göttern, zu euren so gut wie zu denen des Staates und den meinigen nur um die Gnade, sie möchten keinen Sieg über euch, nein, mir die Ehre verleihen, die Eintracht wiederhergestellt zu haben. 5 Es gab derer genug, an denen ich mir Kriegsruhm erwerben konnte, und wird ihrer geben; hier ist das Wünschenswerte – der Friede. Worum ich die unsterblichen Götter beim Aussprechen der Gelübde anflehte, 6 diesen Wunsch könnt ihr mir gewähren, wenn ihr euch daran erinnern wollt, dass euer Lager nicht in Samnium, nicht im Volskerland, sondern auf römischem Boden ist, dass auf


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