Römische Geschichte. Livius Titus
Читать онлайн книгу.Ortschaften am Meer. 4 Das Meer, den Strich an der Küste von Antium, die Gegend von Laurentum und die Mündungen des Tibers machten griechische Flotten unsicher, so dass einmal die Seeräuber im Zusammentreffen mit jenen zu Lande ein unentschiedenes Gefecht hatten, und beide ungewiss, ob sie Besiegte oder Sieger wären, die Gallier sich in ihr Lager, die Griechen auf ihre Schiffe zurückzogen. 5 Mitten unter diesen Bewegungen erwuchs die erschreckendste Besorgnis aus den von den latinischen Völkerschaften im Hain der Ferentina gehaltenen Versammlungen und der nicht zweideutigen Antwort, die sie den Römern auf die geforderte Truppenstellung gaben: Sie möchten aufhören, denen befehlen zu wollen, deren Hilfe sie nötig hätten. 6 Die Latiner würden die Waffen lieber für ihre eigene Freiheit als für fremde Herrschaft ergreifen.
7 Weil der Senat in der Verlegenheit, in welche ihn bei zwei gleichzeitigen Kriegen von außen noch der Abfall der Bundesgenossen setzte, es nötig fand, Völker, welche sich durch Treue nicht fesseln lassen wollten, durch Furcht zu fesseln, so befahl er den Konsuln, bei der zu haltenden Aushebung alle Kräfte des Reiches aufs Äußerste anzuspannen. Da das Bundesheer abfalle, müsse man sich mit einem Heer von Eingeborenen behaupten. 8 In dieser rund umher angestellten Aushebung nicht bloß der städtischen, sondern auch der ländlichen Jünglinge soll man zehn Legionen aufgebracht haben, jede zu 4200 Mann zu Fuß und 300 zu Pferd. Selbst jetzt würden bei einer plötzlichen Gefahr von außen die vereinten Kräfte des römischen Volkes, denen der Erdkreis fast zu klein wird, 9 ein so zahlreiches Heer aus neu geworbenen Landeskindern nicht ohne Schwierigkeit aufstellen, so sehr haben wir nur an dem zugenommen, worauf wir losarbeiten, an Reichtum und Üppigkeit.
10 Es gehört zu den übrigen traurigen Ereignissen dieses Jahres, dass der eine Konsul, Appius Claudius, mitten unter den Rüstungen zum Krieg starb; und so kam die ganze Regierung in die Hände des Camillus. 11 Und ihm, als alleinigem Konsul, einen Diktator an die Seite zu setzen, hielten die Väter für minder schicklich, teils überhaupt, weil man einen Mann von solchem Ansehen keiner Diktatur unterordnen müsse, teils auch der glücklichen Vorbedeutung wegen, die man bei diesem Aufstand gegen Gallier in seinem Familiennamen fand. 12 Der Konsul ließ der Stadt zwei Legionen zur Besatzung, teilte die acht mit dem Prätor Lucius Pinarius, und seines verdienstvollen Vaters würdig nahm er den Gallischen Krieg, ohne zu losen, für sich selbst, 13 den Prätor hieß er die Seeküste decken und den Griechen die Landung wehren. Als er ins pomptinische Gebiet gezogen war, wählte er einen geeigneten Platz zum Standlager; er wünschte keinen Angriff in der Ebene, wozu ihn nichts zwang, und glaubte auch, einem Feind, der bloß vom Raub zu leben gezwungen sei, Schaden genug zu tun, wenn er ihm die Plünderungen verwehrte.
(26) Als hier die Römer ruhig auf ihren Posten standen, trat ein Gallier hervor, ausgezeichnet durch seine Größe und Rüstung, und als er durch Schläge auf seinen Schild alle zur Stille aufgefordert hatte, rief er durch einen Dolmetscher einen von den Römern auf, sich mit ihm zu schlagen. 2 Marcus Valerius, damals Oberster, ein Jüngling, der es sich zutraute, einer solchen Ehre ebenso würdig zu sein wie Titus Manlius, holte sich zuvor die Einwilligung des Konsuls und trat dann bewaffnet in die Mitte. 3 Den minder auffallenden Kampf der beiden Männer verherrlichte eine eintretende Fügung der Götter. Dem schon angreifenden Römer setzte sich plötzlich ein Rabe auf den Helm, gegen den Feind gekehrt. 4 Erfreut nahm dies der Tribun sogleich für ein vom Himmel gesandtes Zeichen und empfahl sich im Gebet dem gnädigen Schutz des Gottes oder der Göttin, die ihm den geflügelten Boten des Glückes gesandt habe. 5 Wunderbar! Der Vogel blieb nicht allein auf der einmal genommenen Stelle, sondern bei jedem Gang des Gefechtes hob er sich mit den Flügeln und fuhr mit Schnabel und Krallen dem Feind ins Gesicht und in die Augen, bis dieser, durch den Anblick eines solchen Ungetüms geschreckt und seiner Augen und Besinnung kaum noch mächtig, von Valerius niedergestochen wurde. Der Rabe, den Blicken entschwebend, flog gegen Morgen.
6 So lange verhielt man sich auf beiderseitigen Posten ruhig. Als aber der Tribun dem erlegten Feind die Waffen nehmen wollte, blieben die Gallier nicht länger auf ihrer Stelle, und noch schneller liefen die Römer dem Sieger zu. Hier entstand aus dem neben der Leiche des daliegenden Galliers begonnenen Gefecht eine mörderische Schlacht. 7 Bald wurden nicht bloß die Rotten von den nächsten Posten, sondern die von beiden Seiten herzugeströmten Legionen handgemein. Camillus hieß seine Soldaten, die der Sieg ihres Tribunen und der sichtbare Beistand der Götter mit frohem Mute erfüllte, dem Rufe der Schlacht folgen, und indem er auf den im Schmuck der Feindesbeute prangenden Tribunen hinzeigte, rief er: Dem tu es nach, Soldat, und strecke Gallier in Scharen neben dem daliegenden Anführer hin.
8 Götter und Menschen taten in dieser Schlacht das Ihrige, und der Sieg über die Gallier kam zur völligen Entscheidung; so gewiss hatten sich beide Heere schon im Geist von ihrer Schlacht denselben Ausgang versprochen, den der Zweikampf ihrer Krieger für beide gehabt hatte. 9 Zwischen den ersten Rotten, deren Zusammentreffen die übrigen herbeigezogen hatte, war das Gefecht schrecklich; der übrige Schwarm der Gallier ergriff die Flucht, ehe er zum Abschleudern des Wurfspießes kam. Zuerst zerstreuten sie sich über das Volsker- und Falernergebiet, darauf wandten sie sich nach Apulien und dem Obermeer.
10 Der Konsul beschenkte den vor einer berufenen Versammlung mit Lobsprüchen überhäuften Tribunen mit zehn Ochsen und einem goldenen Kranz. Dann vereinigte er sich nach erhaltenem Senatsbefehl, des Seekrieges sich anzunehmen, mit dem Prätor, 11 weil sich aber bei der Saumseligkeit der Griechen, die sich auf keine Schlacht einließen, die Sache zu verzögern schien, ernannte er hier nach einem Senatsbeschluss, damit der Wahltag abgehalten werden könnte, den Titus Manlius Torquatus zum Diktator. 12 Als der Diktator den Aulus Cornelius Cossus zum Magister Equitum ernannt hatte, hielt er den konsularischen Wahltag ab und kündigte den von allen Stimmen des Volkes begünstigten Nacheiferer seines Ruhmes, den abwesenden Marcus Valerius Corvus (Rabe) – denn von jetzt an hatte er diesen Beinamen – in einem Alter von 23 Jahren als erwählten Konsul an. 13 Zum Amtsgenossen aus dem Bürgerstand bekam Corvus den Marcus Popilius Laenas, der dadurch zum vierten Mal Konsul wurde.
Gegen die Griechen richtete Camillus nichts besonders Merkwürdiges aus. Sie waren so wenig Krieger zu Lande als die Römer zur See. 14 Als ihnen endlich, weil sie zu keiner Landung kommen konnten, bei den übrigen Bedürfnissen auch das Wasser ausging, verließen sie Italien. 15 Von welcher griechischen Völkerschaft oder von welchem Hauptvolk dies eine Flotte gewesen sei, ist ungewiss. Ich möchte am liebsten glauben, dass sie Siziliens Tyrannen gehört habe, denn das entferntere Griechenland sah schon in dieser Zeit, durch inneren Krieg erschöpft, der makedonischen Übermacht mit Schaudern entgegen.86
(27) Als nach Entlassung der Heere Friede von außen und im Inneren Eintracht der Stände und Ruhe herrschte, zwang eine Pest, welche den Staat als Milderung seines zu großen Glückes heimsuchte, den Senat, durch die Zehnmänner die Sibyllinischen Bücher einzusehen, auf deren Mahnung ein Göttermahl angestellt wurde.
2 In diesem Jahr führten die Antiaten eine Kolonie nach Satricum und bauten diese von den Latinern zerstörte Stadt wieder auf. Und zu Rom schloss man mit den Gesandten von Karthago, welche mit der Bitte um Freundschaft und Bündnis gekommen waren, einen Vertrag.
3 Ebendiese Ruhe von außen und im Inneren dauerte unter den Konsuln Titus Manlius Torquatus und Caius Plautius fort. Doch wurden die Zinsen statt des bisher gezahlten zwölften Teiles vom Kapital auf den 24. Teil herabgesetzt,87 und die Abtragung der Schulden wurde zu gleichen Zahlungen auf drei Jahre verteilt, wenn das erste Viertel gleich jetzt bar bezahlt würde. 4 Und ging gleich selbst bei dieser Einrichtung noch mancher Bürger zugrunde, so hielt doch der Senat den öffentlichen Kredit für einen wichtigeren Gegenstand seiner Sorge als die Not der Einzelnen. Doch bekamen diese dadurch eine Erleichterung, dass keine Steuer und keine Aushebung nötig waren.
5 Im dritten Jahr nach Satricums Wiedererbauung durch die Volsker erhielt Marcus Valerius Corvus, der in seinem zweiten Konsulat den Caius Poetelius zum Amtsgenossen hatte, auf die Nachricht aus Latium, dass Gesandte von Antium, um einen Krieg zustande zu bringen, 6 die latinischen Völkerschaften besuchten, den Auftrag, ehe die Feinde stärker würden, die Volsker zu bekriegen, und zog mit seinem erbitterten Heer gegen Satricum. Da ihm hier die Antiaten und anderen Volsker mit ihren auf den Fall einer Bewegung von Rom aus schon in Bereitschaft gehaltenen Truppen entgegenrückten, erlaubte die alte Erbitterung auf beiden Seiten keinen Aufschub des Kampfes. 7 Die Volsker, denen es eigen war, den Krieg mutiger zu erneuern als zu führen, eilten