Römische Geschichte. Livius Titus
Читать онлайн книгу.so weit, dass er auf die laute Klage seiner Tribunen, es sei um die Freiheit geschehen, jetzt müsse man nicht bloß das Marsfeld, sondern eine Stadt verlassen, die unter der Sklaverei und dem Joch königlich schaltender Patrizier stehe, in tiefer Betrübnis mit ihnen davonging. 10 Die Konsuln, die den einen Teil der Versammlung abziehen sahen, hielten trotz des spärlichen Besuches die Wahlversammlung ab. Die gewählten Konsuln, beide Patrizier, waren Marcus Fabius Ambustus zum dritten Mal und Titus Quinctius. In einigen Jahrbüchern finde ich statt des Titus Quinctius einen Marcus Popilius als Konsul angegeben.
(19) Zwei Kriege wurden in diesem Jahr mit Glück geführt, und die Tiburtiner durch Siege zur Unterwerfung gezwungen. Man nahm ihnen die Stadt Sassula ab, und ihre übrigen Städte hätte dasselbe Schicksal getroffen, wenn sich nicht der ganze Volksstamm mit Niederlegung der Waffen dem Konsul (Fabius) ergeben hätte. 2 Über die Tiburtiner wurde triumphiert; sonst zeigten sich die Sieger milde. Gegen die Tarquinier hingegen verfuhr man mit erbitterter Härte. Nachdem man eine ansehnliche Menge von ihnen in der Schlacht getötet hatte, wählte man aus der großen Anzahl von Gefangenen 358, lauter Vornehme, aus, um sie nach Rom zu schicken; die übrigen wurden niedergehauen. 3 Und das Volk war gegen die nach Rom geschickten nicht milder. Mitten auf dem Markt wurden sie alle mit Ruten gepeitscht und dann enthauptet. So vergalt man den Feinden die Opferung der Römer auf dem Markt zu Tarquinii.
4 Diese siegreichen Taten veranlassten auch die Samniten, sich um Roms Freundschaft zu bewerben. Ihre Gesandten erhielten im Senat eine freundliche Antwort, und sie wurden durch einen Vertrag als Bundesgenossen angenommen. 5 In der Stadt aber waren die römischen Bürger nicht so glücklich wie im Feld. Denn obgleich sie durch die Herabsetzung der Zinsen auf 8 ⅓ % Erleichterung bekommen hatten, erlagen doch die Armen unter dem Kapital selbst und fielen den Gläubigern als Sklaven anheim. Folglich ließen sich die Bürgerlichen in ihrer häuslichen Not weder zwei Konsuln noch die Sorge für den Wahltag, noch die Parteien im Staat zu Herzen gehen. 6 Beide Konsulstellen blieben den Patriziern. Gewählt wurden zu Konsuln Caius Sulpicius Peticus zum vierten Mal, Marcus Valerius Publicola zum zweiten Mal. Der Aufmerksamkeit des Staates, der sich auf einen Krieg mit den Etruskern gefasst machte, weil sich einem Gerücht zufolge das Volk von Caere mit seinen Stammesgenossen, den Tarquiniern, aus Mitleid vereinigt haben sollte, gaben Gesandte aus Latium die Richtung gegen die Volsker; denn sie meldeten, jene hätten ein Heer ausgehoben, bedrohten schlachtfertig schon ihre Grenzen und würden von da verheerend ins römische Gebiet einfallen. 7 Der Senat beschloss also, keines von beiden zu vernachlässigen, ließ Legionen gegen beide ausheben und die Konsuln um die Provinzen losen. 8 Späterhin wurde jedoch der Etruskerkrieg zum Hauptgegenstand der Sorge, denn man ersah aus einem Schreiben des Konsuls Sulpicius – ihm war durch das Los Tarquinii zugefallen –, dass sie in der Gegend der römischen Salzwerke geplündert, einen Teil der Beute in das Gebiet der Caeriten geschafft und sich unter den Plünderern ohne Zweifel Truppen dieses Volkes befunden hätten. 9 Also befahl der Senat dem zurückberufenen Konsul Valerius, welcher gegen die Volsker gestanden und sein Lager an der tuskulanischen Grenze gehabt hatte, einen Diktator zu ernennen. Er ernannte den Titus Manlius, des Lucius Sohn. 10 Dieser wählte den Aulus Cornelius Cossus zu seinem Magister Equitum, begnügte sich mit dem Heer des Konsuls und erklärte nach dem Beschluss der Väter und auf Befehl des Volkes den Caeriten den Krieg.
(20) Nun erst ergriff die Caeriten, als läge in dieser feindlichen Formel eine gewissere Andeutung des Krieges als in ihrem eigenen Benehmen, da sie doch durch ihre Plünderung die Römer gereizt hatten, eine wirkliche Furcht vor dem Krieg; und sie sahen ein, wie wenig dieser Kampf ihren Kräften entsprechend sei. 2 Sie bereuten die Plünderung und verwünschten die Tarquinier, ihre Verführer zum Abfall. Auch versah sich niemand mit Waffen oder rüstete sich zum Krieg, sondern jeder war dafür, dass man Gesandte schicken sollte, um sich für den Fehltritt Verzeihung zu erbitten.
3 Als die Gesandten, die ihre Bitte vor den Senat brachten, vom Senat an das Volk gewiesen waren, riefen sie die Götter an: Da sie ihre Heiligtümer im Gallischen Krieg aufgenommen und gehörig besorgt hätten, möchten sie auch jetzt dasselbe Mitleid mit ihnen das römische Volk in seinem Glück ergreifen lassen, welches sie ehemals gegen das römische Volk in seiner Not ergriffen habe. 4 Und gegen den Tempel der Vesta gewandt, beriefen sie sich auf die gastliche Aufnahme, die sie den Eigenpriestern und Vestalinnen so treu und gewissenhaft hätten angedeihen lassen. 5 Ob wohl jemand glauben könne, dass Leute mit solchen Verdiensten auf einmal ohne allen Grund Feinde werden könnten? Oder sollten sie ja feindlich gehandelt haben, dass sie dies mehr mit kalter Überlegung als durch Verblendung irregeleitet getan hätten, so dass sie selbst ihre alten Wohltaten, die sie noch dazu bei einem so dankbaren Volk angebracht hätten, durch spätere Übeltaten vernichteten und das römische Volk in seinem Wohlstand und bei seinem höchsten Glück im Krieg sich zum Feind wählten, da sie sich ihm in seinem Unglück zu Freunden gemacht hätten? Man möge das nicht Absicht nennen, was Zwang und Gebot des Schicksals zu nennen sei. 6 Als das anrückende Heer der Tarquinier durch ihr Land gezogen sei, habe es, ohne weiter etwas als den Durchmarsch zu verlangen, auf jene Plünderung, die ihnen zur Last gelegt werde, einige sich anschließende Landleute mitgenommen. 7 Verlange man deren Auslieferung, so wären sie bereit, sie auszuliefern, oder ihre Hinrichtung, so würde man sie zur Strafe ziehen. Aber Caere, einst der heilige Schrein des römischen Volkes, die Gaststätte seiner Priester, den Rettungsort der römischen Heiligtümer, möchten sie für die gütige Aufnahme der Vestalinnen und für die ehrfurchtsvolle Aufbewahrung der Götter von der Beschuldigung des Krieges rein und unbefleckt bleiben lassen.
8 Nicht so sehr ihre Sache, wie sie vorlag, als vielmehr ihr ehemaliges Verdienst bewog das Volk, lieber die Beleidigung als die Wohltat zu vergessen. Also wurde dem Volk von Caere der Friede bewilligt, und man ließ ihn als hundertjährigen Waffenstillstand in den anzufertigenden Senatsbeschluss eintragen. 9 Nun wandte sich der Krieg gegen die Falisker, welche dieselbe Beschuldigung traf; allein man fand die Feinde nirgends. Nach verheerenden Streifzügen in ihrem Gebiet ließ man sich doch nicht auf Bestürmung der Städte ein, und als die Legionen nach Rom zurückgeführt waren, verwandte man die noch übrige Zeit des Jahres auf die Ausbesserung der Mauern und ihrer Türme und weihte dem Apollo einen Tempel.
(21) Am Ende des Jahres ging die Versammlung zur Konsulwahl über einen Streit zwischen Vätern und Bürgern auseinander, weil die Tribunen keinen Wahltag gestatten wollten, wenn er nicht nach dem Licinischen Gesetz gehalten würde, und der Diktator entschlossen war, lieber das Konsulat ganz für den Staat abzuschaffen, als den Bürgerlichen mit den Vätern gleichen Anteil daran zu geben. 2 Da nun nach dem Aufschub des Wahltages der Diktator sein Amt niedergelegt hatte, kam es wieder zu einer Zwischenregierung; und da die Zwischenkönige immer den Bürgerstand gegen die Väter erbittert fanden, dauerte der Wetteifer im Streit bis in die elfte Zwischenregierung. 3 Die Tribunen gaben sich den Schein, als nähmen sie bloß das Licinische Gesetz in Schutz; dem Bürgerstand aber lag der Kummer über die ihm immer drückender werdende Schuldenlast mehr am Herzen, und er überließ sich in den öffentlichen Streitigkeiten den Ausbrüchen seines häuslichen Grams. 4 Da befahlen die Väter, dieser Sache überdrüssig, dem Zwischenkönig Lucius Cornelius Scipio, sich bei der Konsulwahl um der Eintracht willen nach dem Licinischen Gesetz zu richten. Publius Valerius Publicola bekam als Amtsgenossen aus dem Bürgerstand den Caius Marcius Rutilus. 5 Die neuen Konsuln, die sich bei dieser allgemeinen Stimmung zur Eintracht auch auf die Erleichterung der Schuldenlast einließen, weil sie allein das Hindernis der Einigkeit zu sein schien, machten die Bezahlung der Schulden zur Sache des Staates, indem sie Fünfmänner ernannten, welche man von der Auszahlung der Gelder Wechsler nannte. 6 Gerechtigkeit und Sorgsamkeit erwarb ihnen die Ehre, dass in allen Urkunden der Jahrbücher ihre Namen erwähnt werden. Caius Duellius nämlich, Publius Decius Mus, Marcus Papirius, Quintus Publilius und Tiberius Aemilius hießen die Männer, 7 die eine so schwierige Sache, welche gewöhnlich beide Teile, wenigstens doch den einen drückt, sowohl überhaupt durch angebrachte Milderung als hauptsächlich auf die Art durchführten, dass der Staat nicht verlieren, sondern nur bereitstellen musste. 8 Alte, mehr durch Untätigkeit als Unfähigkeit der Schuldner verzögerte Posten wurden entweder nach vorangegangener Sicherstellung des Staates aus der Schatzkammer bezahlt, wozu die Tische mit Geld auf dem Gerichtsplatz standen, oder nach einem billigen Anschlag ihres gesamten Vermögens getilgt, so dass eine bedeutende Menge Schulden nicht allein ohne Ungerechtigkeit, sondern selbst ohne Klage auf einer von beiden Seiten abgetragen wurde. 9 Eine unbegründete Furcht vor