Römische Geschichte. Livius Titus
Читать онлайн книгу.eine Schlacht ohne Vorsicht und Überlegung, 10 und sein Verlust im Treffen war nicht so schmerzhaft, als dass die Tarquinier 307 gefangene römische Soldaten opferten, eine Hinrichtung, die durch ihre Abscheulichkeit den Schimpf des römischen Volkes weit ruchbarer machte. 11 An diese Niederlage schloss sich die Verwüstung des römischen Gebietes, welche die Privernaten und dann die Veliterner nach einem plötzlichen Einbruch ausübten. In demselben Jahr bekam die Stadt zwei neue Bezirke, den Pomptinischen und Publilischen. Die den Göttern gelobten Spiele, welche ihnen Marcus Furius als Diktator83 gelobt hatte, wurden gefeiert; 12 auch wurde auf Veranlassung der Väter jetzt zum ersten Mal ein Vorschlag gegen ungebührliche Amtsbewerbung vom Volkstribun Caius Poetelius an das Volk gebracht, 13 und sie schmeichelten sich, durch dies Gesetz besonders diejenigen niederzuhalten, welche sich durch die auf Wochenmärkten und Sammelplätzen erschlichene Stimmenmehrheit zu Aufsteigern zu heben suchten.
(16) Lange nicht so erfreulich war den Vätern der Vorschlag, die Zinsen auf den zwölften Teil des Kapitals84 herabzusetzen, den im folgenden Jahr unter den Konsuln Caius Marcius und Cnaeus Manlius die Volkstribunen Marcus Duellius und Lucius Maenius gültig machten und den die Bürgerlichen mit weit mehr Wärme guthießen und als Gesetz annahmen. 2 Zu den im vorigen Jahr schon bestimmten neuen Kriegen kam nun auch der gegen die Falisker, unter doppelter Klage gegen sie; denn teils hatte ihre junge Mannschaft unter den Tarquiniern gekämpft, teils hatten sie die aus jener unglücklichen Schlacht nach Falerii Geflüchteten den römischen Fetialen, welche sie zurückforderten, nicht ausgeliefert. 3 Die Führung dieses Krieges erhielt Cnaeus Manlius; Marcius führte sein Heer auf das in langem Frieden geschonte Gebiet der Privernaten und bereicherte seine Krieger mit Beute. Außer dem ihnen zugewandten Überfluss bewies er sich auch noch darin als der Freigebige, dass er durch Unterlassung aller Abzüge für die Staatskasse die Soldaten in der Verbesserung ihrer eigenen Verhältnisse begünstigte. 4 Da sich die Privernaten vor ihrer Stadt in einem befestigten Lager gesetzt hatten, berief er die Soldaten zur Versammlung und sprach: Jetzt gebe ich euch das Lager und die Stadt der Feinde preis, wenn ihr mir versprecht, euch in der Schlacht als tapfere Männer zu zeigen und nicht mehr ans Plündern als ans Kämpfen zu denken. 5 Mit großem Geschrei forderten sie das Zeichen und hohen Mutes, und mit der Überlegenheit eines festen Vertrauens rückten sie in die Schlacht. Da rief Sextus Tullius, von dem wir oben gesprochen haben, vor den Fahnen: Sieh her, Feldherr, wie dein Heer dir Wort hält! Er ließ den Wurfspieß fallen und ging mit gezücktem Schwert auf den Feind los. 6 Das ganze erste Glied folgte dem Tullius, und im ersten Angriff warf man den Feind, verfolgte den geschlagenen zur Stadt, die sich ergab, als man schon die Sturmleitern an die Mauern stellte. Über die Privernaten wurde triumphiert.
7 Der andere Konsul vollführte nichts Bemerkenswertes, außer dass er, völlig beispiellos, sein Heer im Lager bei Sutrium nach Stadtbezirken für seinen Vorschlag stimmen ließ, dass bei jeder Freilassung eines Leibeigenen der zwanzigste Teil seines Wertes in die Staatskasse fallen sollte. Die Väter bestätigten dies Gesetz, weil dadurch in die arme Schatzkammer eine nicht unbedeutende Einnahme floss. 8 Allein die Volkstribunen bestimmte nicht so sehr das Gesetz als das Beispiel, die Todesstrafe darauf zu setzen, wenn jemand künftig das Volk auswärts abstimmen ließe, denn wenn dies erlaubt sei, so könne ja ein Konsul durch die ihm vereideten Soldaten alles Mögliche durchsetzen, wenn es auch dem Volk noch so nachteilig wäre. 9 In demselben Jahr wurde Caius Licinius Stolo nach seinem eigenen Gesetz von Marcus Popilius Limas zu einer Strafe von 10 000 Kupfer-As verurteilt, weil er nebst seinem Sohn tausend Morgen Land besaß und durch Entlassung des Sohnes aus der väterlichen Gewalt das Gesetz hatte umgehen wollen.
(17) Die darauf folgenden neuen Konsuln, Marcus Fabius Ambustus zum zweiten Mal und Marcus Popilius Laenas zum zweiten Mal, fanden zwei Kriege. 2 Der eine, mit den Tiburtinern, welchen Limas führte, war leicht. Nach Zurücktreibung der Feinde in die Stadt verheerte er das Land. Den andern Konsul aber brachten die Falisker und Tarquinier im Beginn der Schlacht zum Fliehen. 3 Sie hatten sich so furchtbar hauptsächlich dadurch gemacht, dass ihre Priester mit vorangetragenen Feuerbranden und Schlangen, als Furien einherschreitend, durch diese neue Erscheinung die römischen Soldaten in Schrecken setzten; und anfangs warfen sich diese, als hätten sie Gespenster gesehen und wie Angedonnerte in gedrängten Haufen in ihre Bollwerke. 4 Als aber der Konsul, die Legaten und Obersten sie verlachten und schalten, dass sie sich wie Kinder durch nichtige Gaukeleien hätten scheuchen lassen, da weckte die Beschämung plötzlich das Ehrgefühl, und blindlings rannten sie auf das ein, vor dem sie geflohen waren. 5 Kaum hatten sie das Possenspiel der Feinde zerstreut und sich auf die Bewaffneten selbst geworfen, da schlugen sie die ganze Linie, eroberten noch an demselben Tag das Lager, machten ansehnliche Beute und kehrten unter lautem Spott über den Aufzug der Feinde und ihre eigene Zaghaftigkeit als Sieger zurück. 6 Nun machten sich alle etruskischen Völkerschaften auf und zogen, von den Tarquiniern und Faliskern geführt, bis an die Salzwerke.85 In dieser gefährlichen Lage wurde Caius Marcius Rutilus Diktator, und zwar der erste vom Bürgerstand; er ernannte ebenfalls einen Bürgerlichen, den Caius Plautius, zum Magister Equitum. 7 Dies vollends schien den Vätern eine Unwürdigkeit, dass auch schon zur Diktatur jedermann den Zutritt habe, und sie hintertrieben es aus allen Kräften, dass dem Diktator zu diesem Krieg irgendetwas bewilligt oder angeschafft würde. Desto bereitwilliger gestand ihm auf seinen Antrag das Volk alles zu. 8 Nach seinem Auszug aus der Stadt vernichtete er auf beiden Seiten des Tibers, da er sein Heer allenthalben, wo die Feinde bemerkt wurden, auf Flößen übersetzte, eine Menge zerstreut umherschwärmende Plünderer. 9 Auch ihr Lager eroberte er durch einen unvermuteten Angriff, nahm 8000 Feinde gefangen, tötete die übrigen oder jagte sie aus dem römischen Gebiet und triumphierte ohne Genehmigung der Väter auf Befehl des Volkes. 10 Weil sie nun weder durch den bürgerlichen Diktator noch durch den bürgerlichen Konsul den konsularischen Wahltag abhalten wollten, und der andere Konsul, Fabius, noch vom Krieg abgehalten wurde, trat wieder eine Zwischenregierung ein. 11 Zwischenkönige waren nacheinander Quintus Servilius Ahala, Marcus Fabius, Cnaeus Manlius, Caius Fabius, Caius Sulpicius, Lucius Aemilius, Quintus Servilius und Marcus Fabius Ambustus. 12 Unter der zweiten Zwischenregierung erhob sich ein Streit, weil zwei patrizische Konsuln zur Wahl standen; und da die Tribunen Einsprache erhoben, erwiderte der Zwischenkönig Fabius, ein Gesetz der zwölf Tafeln bestimme, dass das allemal recht und gültig sein solle, was das Volk zuletzt für seinen Willen erklärt habe; nun aber lasse sich hier Volkeswille und Stimmenwahl nicht leugnen. 13 Da die Tribunen durch ihre Einsprache weiter nichts als den Aufschub des Wahltages hatten bewirken können, so wurden zwei patrizische Konsuln gewählt, Caius Sulpicius Peticus zum dritten Mal und Marcus Valerius Publicola; sie traten noch an diesem Tag ihr Amt an.
(18) Im Jahr 400 nach Erbauung der Stadt Rom, im 35. nach ihrer Errettung von den Galliern, traten zwei Patrizier, da die Bürgerlichen nach elf Jahren das Konsulat wieder einbüßten, als Konsuln mit dem Ende der Zwischenregierung in das Amt ein, Caius Lulpicius Peticus zum dritten Mal und Marcus Valerius Publicola. 2 Den Tiburtinern wurde in diesem Jahr Empulum ohne besonderen Kampf abgenommen; dieser Krieg mag nun, wie einige melden, unter der Leitung beider Konsuln geführt sein, oder der Konsul Sulpicius verheerte gerade, während Valerius die Legionen gegen die Tiburtiner anführte, zugleich das Gebiet der Tarquinier. 3 Zu Hause aber hatten die Konsuln mit den Bürgerlichen und Tribunen einen bedeutenderen Streit. Sie glaubten es nicht bloß ihrer Tüchtigkeit, sondern selbst ihrer Rechtlichkeit schuldig zu sein, das Konsulat, sowie sie es als zwei Patrizier erhalten hätten, auch wieder zwei Patriziern zu übertragen. 4 Ja man müsse entweder das Konsulat ganz aufheben, wenn es nun einmal ein bürgerliches Amt werden sollte, oder man müsse es ganz besitzen, so wie man diesen Besitz ungeschmälert von den Vorfahren erhalten habe.
5 Dagegen riefen die Bürgerlichen laut: Wozu sie denn das Leben hätten und für einen Teil der Bürger angesehen würden, wenn sie das, was ihnen die Tapferkeit zweier Männer, des Lucius Sextius und Caius Licinius, errungen habe, nicht einmal alle zusammen behaupten könnten? 6 Sie wollten sich lieber Könige oder Dezemvirn oder eine noch ärgere Regierung, wie sie auch heißen möge, gefallen lassen, 7 als zwei patrizische Konsuln zu sehen, wenn man nicht abwechselnd zu gehorchen und zu befehlen habe, sondern der eine Teil, zu ewiger Herrschaft eingesetzt, die Sklaverei für die einzige Bestimmung des Bürgerstandes halte. 8 Die Tribunen ließen es nicht daran fehlen, den Lärm anzufachen; aber bei der allgemeinen Aufregung ragten die Führer kaum hervor.
9 Nachdem man sich mehrere Male auf dem Marsfeld vergeblich versammelt