Praxis der Selbstmotivierung. Jens-Uwe Martens
Читать онлайн книгу.als Bedingung für ein geglücktes Leben?
Unter Selbstmotivierung (oft auch Selbstmotivation) wird die Fähigkeit verstanden, sich aus eigenem Antrieb und ohne Ermutigung oder gar Zwang von außen, Ziele zu setzen, und diese konsequent, langfristig und mit Freude zu verfolgen.
Selbstmotivierung hat also zwei Zielrichtungen: Zum einen ist sie eine Voraussetzung dafür, dass wir unser Leben und uns selbst gestalten, dass wir Ziele, die wir uns vorgenommen haben, optimal erreichen. Zum anderen ist es eine Fähigkeit, mit der es uns gelingt, von andern gestellte Aufgaben, die wir erfüllen müssen, um übergeordnete Ziele zu erreichen, mit mehr Freude und in der Folge mit größerem Erfolg erfüllen. Wenn wir die Kunst der Selbstmotivierung erlernt haben, werden wir auch leichter mit Rückschlägen und Schwierigkeiten fertig, weil wir in dem Bewusstsein leben, dass wir zwar aufgehalten werden können, aber langfristig unser Ziel erreichen werden.
Das Verfolgen und Erreichen von selbst gesetzten Zielen hat zwei unterscheidbare Auswirkungen auf das Leben: Es führt uns (wenn das Schicksal gnädig ist) zu Ergebnissen, zu Situationen, die wir selbst ausgewählt haben und an denen wir (wenn überhaupt) nur wenig auszusetzen haben. Aber vielleicht ist die zweite Auswirkung noch wichtiger. Einstein hat einmal gesagt: „Wenn du ein glückliches Leben willst, verbinde es mit einem Ziel …!“ Und der Philosoph Ralph Waldo Emerson erkannte: „Die Welt gehört dem, der in ihr mit Heiterkeit und zu hohen Zielen wandert“. Ziele, für die wir uns motiviert haben und zu denen wir daher „mit Heiterkeit“ wandern, stellen sicher eine Grundbedingung für ein erfülltes, gelungenes und glückliches Leben dar.
Natürlich beeinflussen sich die beiden hier unterschiedenen Auswirklungen gegenseitig: Wenn wir unseren Weg mit positiven Gefühlen gehen, werden wir mit größerer Wahrscheinlichkeit Ziele erreichen, die uns zufrieden machen, und wenn wir zufrieden sind, werden wir eher mit positiven Gefühlen unseren Lebensweg gehen.
Können wir uns überhaupt selbst beeinflussen?
Dieses Buch geht von der Grundannahme aus, dass wir uns selbst an die Hand nehmen können, dass wir uns selbst beeinflussen können. Ist das überhaupt möglich? Viele Personen um uns herum erwähnen immer wieder, dass sie nicht dafür verantwortlich sind, wenn es Schwierigkeiten gibt oder ihnen etwas misslungen ist, weil sie „einfach so sind“, und dass sie sich selbst und ihre Umwelt damit abfinden müssen. Es ist sicher unbestritten, dass wir alle mit bestimmten, erblich durch unsere Gene fixierten Eigenschaften, die wir selbst nicht verändern können, auf die Welt gekommen sind. Dazu zählen vor allem unsere Begabungen, die in die eine oder andere Richtung ausgeprägt sind. Sicher gehören dazu auch viele körperliche Merkmale wie Körpergröße, Körperbau etc.
Auf der anderen Seite wird der Lauf unseres Lebens weniger von diesen angeborenen Eigenschaften bestimmt, als vielmehr von den Wertungen, mit denen wir unsere Umwelt wahrnehmen, von den täglichen Hunderten von kleinen Entscheidungen, die uns oft gar nicht bewusst werden: was wir ablehnen, was wir bevorzugen, wofür wir uns interessieren, wofür wir unsere Energie einsetzen, womit wir uns Tag für Tag beschäftigen usw.
Die Skeptiker werden an dieser Stelle einwenden, dass auch das nicht in unserer Hand liegt, dass wir uns z. B. nur damit beschäftigen können, was an uns herangetragen wird. Wer nie klassische Musik gehört hat, der wird sich nicht für klassische Musik interessieren, wer nie in Südafrika war, wird meine Begeisterung für die Natur und die Menschen dieses Landes nicht nachvollziehen können. Andererseits werden wir heute in der Presse und im Fernsehen mit so vielen Themen konfrontiert, dass wir den Eindruck gewinnen können, es gäbe kaum etwas auf dieser Welt, mit dem wir nicht irgendwann in Kontakt gekommen sind – was natürlich eine „optische Täuschung“, ein Irrtum der Wahrnehmung ist.
Das Problem liegt also nicht darin, dass wir zu wenige Eindrücke haben und uns das Leben nicht zeigt, wofür es sich lohnt, sich einzusetzen. Es gibt vieles, mit dem wir konfrontiert werden, was wir auch hoch einschätzen, nach dem wir unser Leben gern ausrichten wollen. Es gelingt uns nur häufig nicht. Wir wollen z. B. gesünder leben, wir wollen mehr für unsere Freunde tun, weil wir erkannt haben, wie wichtig Freunde im Leben sind, wir wollen uns weniger aufregen, wir wollen uns von der Arbeit nicht auffressen lassen usw. In solchen Fällen müssen wir bewusste Entscheidungen treffen und unser Handeln nach diesen Entscheidungen ausrichten. Was aber so einfach klingt, zeigt sich in der Praxis als durchaus schwer durchführbar. Wie oft haben wir uns schon – vor allem am 1. Januar – vorgenommen, etwas in unserem Leben zu ändern, und stellen nach Wochen fest: Es ist alles beim Alten geblieben. Albert Einstein sagte:
„Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu lassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas (für einen) ändert“.
Können wir uns also nicht ändern? Viele Beispiele zeigen uns das Gegenteil: Es gibt Menschen, die konnten sich oder ihr Leben ändern. Wir gehen in diesem Buch davon aus, dass die Menschen, die das geschafft haben, einfachen Regeln gefolgt sind und daher erfolgreich waren. Diese Regeln sollen hier dargestellt werden.
Ob wir uns selbst beeinflussen können, ob wir also Willensfreiheit besitzen, ist eine philosophische Frage, auf die es bis heute unterschiedliche Antworten gibt. Es ist nicht das Thema dieses Buches, auf die philosophischen Aspekte der Willensfreiheit näher einzugehen. Ich möchte nicht für Sie entscheiden, welche Auffassung die richtige ist. Eines allerdings ist unbestritten: Die Überzeugung, dass wir Willensfreiheit besitzen und uns daher selbst an die Hand nehmen und beeinflussen können, ist die Auffassung, die uns unser Leben leichter und besser ertragen lässt – ob es nun eine Utopie ist, oder nicht.
Wir gehen also davon aus, dass es so etwas wie eine Freiheit des Willens gibt, dass wir uns sogar bis zu einem gewissen Grad selbst beeinflussen, also verändern können. Der ausschlaggebende Punkt ist, dass wir entscheiden können, worauf wir unsere Aufmerksamkeit lenken. So wie wir entscheiden können, ob wir in unser Buch oder zur Nachbarin hinübersehen, können wir auch entscheiden, ob wir den Focus unserer Aufmerksamkeit auf diese oder jene Regung in uns lenken. Bei der Erläuterung der Regeln werden Ihnen häufiger Formulierungen begegnen wie: „Sie könnten sich bewusstmachen …“, oder „Sie sollten die Vorstellung aktivieren …“ und Ähnliches. Jedes Mal ist damit gemeint, dass Sie Ihre Aufmerksamkeit auf einen bestimmten Aspekt Ihres Bewusstseins richten. Das ist sicher nur eine Kleinigkeit, die aber große Konsequenzen haben kann.
Die Fähigkeit des Menschen zur Reflexion
Wofür wir uns motivieren wollen, wie sehr und wie oft wir uns motivieren, hat wesentlich damit zu tun, welches Leben wir führen und welchem Persönlichkeitstyp wir angehören. Der Mensch hat als einziges Lebewesen auf diesem Planeten die Fähigkeit, sich neben sich selbst zu stellen, sich und sein Leben zu betrachten und damit auch zu beurteilen und darüber zu entscheiden, welches Leben er führen will. Wir Menschen sind prinzipiell in der Lage, Entscheidungen zu treffen, die unser Leben beeinflussen. Wir können uns bis zu einem gewissen Grad dahin führen, wohin wir in diesem Leben gehen wollen. Die Psychologie spricht in diesem Zusammenhang von „Selbstwirksamkeit“. Damit ist die Fähigkeit gemeint, darauf zu vertrauen und davon auszugehen, dass ein bestimmtes Ziel auch durch Überwindung von Hindernissen am Ende tatsächlich von uns erreicht werden kann. Dabei spielt die Fähigkeit, sich selbst zu motivieren eine entscheidende Rolle, sie ist die Grundlage der Selbstwirksamkeit. Das Ausmaß der Selbstwirksamkeit, das wir in unserem Leben zeigen, ist – nach allem, was wir heute darüber wissen – nicht angeboren. Selbstwirksamkeit wird erworben, und wir selbst können beeinflussen, in welchem Umfang wir uns diese Fähigkeit aneignen.
Die Basis der Selbstmotivierung: Die PSI-Theorie von Kuhl
Die folgenden 20 Regeln, mit deren Hilfe man sich selbst motivieren kann, beruhen auf zwei Quellen: Die eine ist meine erlebte Praxis (die Beobachtungen meines eigenen Lebens und das vieler Menschen, die ich beraten oder die ich geschult habe). Die andere Quelle ist die Theorie von Julius Kuhl , er nennt sie PSI-Theorie (Persönlichkeit-System-Interaktion). Ich fasse im Folgenden einige seiner theoretischen Überlegungen zusammen, weil die PSI-Theorie von Kuhl die wissenschaftliche Basis der folgenden Regeln liefert. Wenn Sie sich dafür nicht interessieren,