Praxis der Selbstmotivierung. Jens-Uwe Martens

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Praxis der Selbstmotivierung - Jens-Uwe  Martens


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Disziplin erlernbar?

      Disziplin ist der wichtigste Teil des Erfolgs

TRUMAN CAPOTE

      Haben auch Sie schon einmal jemanden bewundert, der sehr viel Disziplin hatte, der sich einfach etwas vorgenommen hat und es – auch wenn es schwierig war – getan hat? Disziplin oder – wenn es um Selbstmotivation geht – die Selbstdisziplin können wir als die Fähigkeit definieren, ein Ziel auch unter inneren (andere Ziele) und äußeren (Hindernisse, Ablenkung, Verführung) Schwierigkeiten konsequent zu verfolgen. Wenn wir dieser Definition folgen, geht es um ein eigenkontrolliertes Verhalten, das zu einer dauerhaften Haltung geworden ist oder einfacher ausgedrückt: Es geht darum, immer wieder das zu tun, was man sich vornimmt.

      Das Konzept der Selbstdisziplin geht also davon aus, dass es eine Instanz in uns gibt (das Selbst oder das Ich), die etwas will und eine andere, die es ausführt. Mangel an Selbstdisziplin würde bedeuten, dass die Instanz, die etwas will, sich bei der Instanz, die das Gewollte umsetzen soll, nicht durchsetzen kann. Wenn wir also die Selbstdisziplin fördern oder stärken wollen, dann müssen wir diese Instanz stärken bzw. ihr Techniken an die Hand geben, mit der sie sich auch in schwierigen Situationen durchsetzen kann. Darum geht es in diesem Buch. Wie diese Instanz des Ich oder des Selbst, die sich durchsetzen will, gestärkt werden kann, wird gesondert in der letzten der zwanzig Regeln „Das eigene Selbst, seine Persönlichkeit stärken“ behandelt. Die neunzehn anderen Regeln können als die Techniken verstanden werden, die es dem Selbst erleichtern, die Oberhand zu behalten. So gesehen ist Selbstdisziplin nichts anderes als die Anwendung der hier dargestellten Regeln.

      Selbstmotivierung und Fremdmotivierung

      In dir muss brennen, was du in anderen entzünden willst.

AURELIUS AUGUSTINUS

      In diesem Buch steht die Selbstmotivierung im Vordergrund. Ich bin davon überzeugt, dass Selbstmotivierung eine wichtige Voraussetzung ist, damit uns das Leben gelingt. Falls Sie eine Führungskraft sind oder vielleicht nur häufiger eine Führungsrolle übernehmen, indem sie z. B. in Diskussionen Freunden dazu bewegen wollen, etwas Bestimmtes zu unternehmen, oder in der Familie das gemeinsame Bemühen um bestimmte Ziele durchsetzen wollen, dann können sie die meisten dieser hier dargestellten Regeln natürlich auch verwenden, um andere zu motivieren.

      Beispiele

      Regel 1: Ziele attraktiv machen: Sie stellen die Ziele, die man gemeinsam erreichen will, besonders attraktiv dar.

      Regel 4: Ziele visualisieren: Sie zeigen den Geführten, wie das Erreichen des Ziels aussieht, oder Sie beschreiben es so plastisch, dass das Ziel vor den Augen der anderen sichtbar wird.

      Regel 14: Positive Erfahrungen machen, sich belohnen: Sie sorgen dafür, dass Ihre Freunde oder Mitarbeiter schon mit kleinen Schritten in Richtung auf das Ziel belohnt werden.

      usw.

      Sich selbst zu motivieren oder andere zu motivieren ist also im Prinzip kein großer Unterschied. Man kann sogar sagen, dass die Selbstmotivierung eine Voraussetzung dafür ist, dass man andere motivieren kann. Denn wie schon der eingangs zitierte Gedanke von Augustinus deutlich macht: Wenn Sie selbst nicht motiviert sind, also „brennen“, dann wird es Ihnen kaum gelingen, andere zu motivieren und sie „zu entzünden“.

      Zur Darstellung der einzelnen Regeln

      In den folgenden Kapiteln werde ich die Regeln im Einzelnen vorstellen. Dabei sollen Zitate und eine einleitende Geschichte Sie auf die jeweilige Regel einstimmen, so dass Ihre entsprechenden Erinnerungen aktiviert werden und Sie sich Ihre eigenen Gedanken zum Thema machen können. (Um auf die oben beschriebenen Makrosysteme von Kuhl zurückzukommen: Die Zitate und vor allem die Geschichten sind dazu da, Ihr Extentionsgedächtnis zu aktivieren.) Anschließend wird jede Regel im Einzelnen erläutert und es werden – soweit mir bekannt – empirische Untersuchungen zitiert, in denen die Wirksamkeit dieser Regeln nachgewiesen wurde. Die Beschreibung der Experimente soll zu einer Konkretisierung der abstrakten Regel beitragen. Dabei werden ich auch einige wissenschaftliche Literatur zitieren, damit Sie als Leserin und Leser die Möglichkeit haben, sich mit dem jeweiligen Thema näher zu befassen, auch wenn dieses Buch primär für Praktiker gedacht ist, die daran kein Interesse haben werden.

      Das Ziel der Konkretisierung verfolge ich auch, wenn ich zum Schluss der Darstellung der Regeln Beispiele heranziehe, anhand derer gezeigt wird, wie man die Regel tatsächlich zur Selbstmotivierung einsetzen kann. Die Anwendung der Regeln wird dabei – neben anderen wechselnden Beispielen – häufig an vier Szenarien dargestellt:

      • Das eine Beispiel bezieht sich auf den Fall, dass man sich beruflich gezwungen sieht, in eine fremde Stadt zu ziehen, obwohl man sich in der Stadt, in der man z. Zt. wohnt, sehr wohl fühlt. Das Ziel ist es, sich mit Hilfe der Regeln dazu zu motivieren, in diese Stadt zu ziehen, damit man mit mehr Freude und positiver Energie den neuen Arbeitsplatz beginnen kann.

      • Das zweite Beispiel bezieht sich auf einen Menschen, der sich das Rauchen abgewöhnen will. Das Ziel ist es hier, sich mit Hilfe der Regeln zu motivieren, einen wirksamen Entschluss zu fassen und bei dem Entschluss zu bleiben und nicht rückfällig zu werden.

      • Ein drittes Beispiel betrifft einen Studenten, der sich auf sein Examen oder eine wichtige Prüfung vorbereiten muss bzw. will. Wir gehen in diesem Fall davon aus, dass er noch einige Wochen Zeit hat und sich bewusst ist, dass er mit einem besseren Ergebnis abschließen wird, wenn es ihm gelingt, sich selbst frühzeitig zu motivieren, anstatt im letzten Moment – aus Angst zu versagen – sich die wichtigsten Inhalte unter erheblichem Stress kurzfristig aneignet.

      • Ein letztes Beispiel, auf das ich immer wieder zu sprechen komme, habe ich ganz konkret bei meiner Frau erlebt. Eine Freundin hatte sie in einem gemeinsam verbrachten Urlaub auf die Idee gebracht, beim nächsten Marathonlauf in New York mitzulaufen. Nachdem sie ein paar Male am Strand gemeinsam gelaufen waren, versicherte die Freundin meiner Frau, sie sei ein „Lauftalent“ und würde das auf jeden Fall schaffen. Meine Frau ist eigentlich nicht sehr sportlich und das Laufen war noch nie ihre Leidenschaft. Ich war daher überrascht, dass sie sofort von dieser Idee begeistert war. Ich denke auch, dass die Begeisterung sich weniger auf die sportliche Leistung bezog, als auf die Aussicht eine Reise nach New York zu unternehmen, die für sie besondere Attraktivität besaß, vor allem, wenn man die Jahreszeit mit einbezieht: Der Marathonlauf findet immer im November statt und da kann man schon mal an Weihnachten denken. Welche Stadt wäre für meine Frau für Shopping interessanter und begehrenswerter als New York?

      Ich war eigentlich innerlich überzeugt, dass meine Frau den Lauf nicht absolvieren würde und fühlte mich in den Wochen nach diesem denkwürdigen Urlaub sehr in meiner Einschätzung der Situation bestätigt. Ihre Freundin, die selbst sehr viel läuft, ist Ärztin. Sie hatte ihr einen Trainingsplan ausgearbeitet, mit dem sie sich in den nächsten Wochen und Monaten die notwendige Kondition antrainieren sollte. Dieser Trainingsplan wurde von meiner Frau bald sehr stiefmütterlich behandelt. Sie hatte Schwierigkeiten mit ihrem Fußballen, der sie schmerzte und sie am Training hinderte. Allerdings ist sie von ihrem Vorsatz, in New York zu laufen, nie abgerückt und sie wurde von ihrer Freundin auch angemeldet. Sie ist auch tatsächlich gelaufen – weil sie eine große Zahl der Regeln zur Selbstmotivierung beachtete – wahrscheinlich eher intuitiv als durch meine Anleitung, aber das kann ich nur schwer beurteilen.

      Die Regeln sind unabhängig vom jeweiligen Ziel anwendbar, für das Sie sich motivieren wollen. Aber nicht jede Regel ist in jedem Einzelfall gut geeignet und wirkungsvoll. Sie werden sehr schnell herausfinden, welche der Regeln in einer konkreten Situation besonders hilfreich sind. Das hängt ab von der Situation, in der Sie sich befinden, von dem Ziel, das Sie verfolgen und natürlich auch von Ihrer Persönlichkeit. Wahrscheinlich werden Sie Ihre „Lieblingsregeln“ entdecken, die Sie immer wieder einsetzen und an die Sie sich auch immer wieder erinnern. Andere Regeln geraten vielleicht in Vergessenheit. Zwanzig Regeln sind zu viel, als dass wir sie uns gleichzeitig vor Augen halten können. Auch ich lese die einzelnen Punkte immer wieder durch, wenn ich mich für eine schwierige Aufgabe motivieren will. Dabei soll Sie vor allem


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