Praxis der Selbstmotivierung. Jens-Uwe Martens

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Praxis der Selbstmotivierung - Jens-Uwe  Martens


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Ziele attraktiver erscheinen, ist häufig untersucht und immer wieder bestätigt worden. Kuhl[13] führt diesen Effekt auf die Vorhersagbarkeit eines Reizes zurück, der mit seiner Vertrautheit steigt. Mit der Vorhersagbarkeit geht eine Aktivierung des Extensionsgedächtnisses einher, was zu einer Steigerung des positiven Affekts führt.

      Annäherungs- oder Vermeidungsverhalten

      Alles was wir tun, tun wir entweder, um etwas zu erreichen, was wir uns wünschen (wir sprechen von Annäherungsverhalten) oder um etwas zu vermeiden, was uns unangenehm ist (wir sprechen von Vermeidungsverhalten). Häufig ist uns das selbst nicht bewusst, die Unterscheidung ist aber wichtig, wenn es um unseren täglichen Gemütszustand geht und besonders, wenn wir uns motivieren wollen. An der Tätigkeit selbst ist nicht erkennbar, warum wir sie ausüben. Warum sehen wir abends fern? Interessiert uns das, was wir sehen wirklich? Oder wollen wir nur die Langeweile oder sogar die negativen Gedanken vermeiden, die entstehen würden, wenn wir uns nicht „berieseln“ ließen? Grundsätzlich sind Annäherungsziele immer attraktiver. Sie bringen uns weiter, durch sie erreichen wir, was wir uns vorgenommen haben und sie versetzen uns in eine bessere Stimmung. Wir sollten also darauf achten, dass wir in unserem Alltag möglichst selten Vermeidungsziele verfolgen. Hinzu kommt, dass wir viel Zeit gewinnen, wenn wir uns mehr auf Annäherungsziele konzentrieren, Zeit, die wir für Ziele einsetzen können, für die wir uns motivieren wollen.

      Fremdbestimmte Ziele

      Ziele setzt man sich nicht nur selbst. Eine allgemein anerkannte Definition von Zielen lautet: Ziele sind bewusste Vornahmen einer Person, die sich auf zukünftige, von ihr angestrebte Handlungsresultate beziehen, welche zumeist außerhalb des Individuums liegen. Die Ziele können dabei ihren Ursprung in der handelnden Person selbst haben, sie können gemeinsam mit anderen Personen ausgehandelt bzw. vereinbart werden oder aber auch von anderen Personen vorgegeben sein.[14]

      Die gewünschte Selbstmotivation kann sich also auch auf Ziele beziehen, die mit anderen ausgehandelt oder die völlig von anderen vorgegeben wurden. Auch solche Ziele können wir für uns attraktiv machen, indem wir die hier besprochenen Techniken einsetzen, z. B. das Erreichen des Ziels mit uns angenehmen Vorstellungen verknüpfen. Der dritte Maurer hat uns ein Beispiel dafür geliefert. Ein anderes Beispiel ist mir früh in meiner beruflichen Tätigkeit begegnet: Angestellte Näherinnen hatten eine monotone Tätigkeit zu verrichten. Es gelang ihnen auch nicht, sich die Arbeit attraktiv zu machen, indem sie sie mit positiven Attributen versahen. Sie motivierten sich, zur Arbeit zu gehen, indem sie daran dachten, wie schön es sei mit den Kollegen zusammen zu sein, die sie dort trafen und mit denen sie auch während der Arbeit reden konnten.

      Andere motivieren

      Die hier besprochenen Kriterien sind auch wirksam, wenn wir das Ziel haben, nicht uns selbst, sondern andere zu motivieren. In Untersuchungen hat sich gezeigt, dass erfolgreiche Führungskräfte in ihrem Verhalten jene Bedingungen realisieren, die die Forschung als förderlich für die Leistungswirksamkeit von Zielen identifiziert hat. Es sind genau die, die hier zum Kennzeichnung von Zielen vorgeschlagen werden, um sie für sich selbst attraktiver zu machen: d. h. erfolgreiche Führungskräfte geben ihren Mitarbeitern herausfordernde, spezifische und erreichbare Zielen.[15] Wenn man nicht das Glück hat, einen in dieser Weise geschulten Chef zu haben, dann muss man selbst dafür sorgen, dass die Ziele die erwähnten Eigenschaften besitzen. Dabei sind wir wieder bei der Notwendigkeit zur Selbstmotivierung angelangt.

      Zusammenfassung Regel 1 „Das Ziel attraktiv machen“

      Wenn wir uns selbst motivieren wollen, müssen wir das Ziel, das wir dabei verfolgen, möglichst attraktiv machen. Das erreichen wir, indem wir

      • viele positive Gefühle auslösende Vorstellungen mit dem Ziel verbinden;

      • das Ziel konkret machen;

      • komplexe Ziele in kleinere Unterziele gliedern;

      • uns intensiv mit dem Ziel beschäftigen und es uns auf diese Weise vertraut machen;

      • schwierige Ziele oder auftauchende Schwierigkeiten als Herausforderung interpretieren.

      Beispiele zu Regel 1 „Das Ziel attraktiv machen“

      Ehrgeiz entwickeln

      Wenn jemand mehr Ehrgeiz entwickeln will, „fleißig sein“ aber als spießig empfindet und sich einbildet „genial“ zu sein,

      • dann muss er sich motivieren, zu den „Leistungsträgern“ zu gehören (vorausgesetzt, es gelingt ihm, das als ein herausforderndes Ziel vor sich selbst darzustellen);

      • dann muss er sich motivieren, mehr Geld verdienen zu wollen und eine Gehaltserhöhung bis zu einem bestimmten Datum zu erreichen (vorausgesetzt, dass die Gehaltserhöhung von der Leistung abhängig ist);

      • dann muss er sich mit anderen sehr engagierten Kollegen vergleichen (vorausgesetzt, dass es ihm gelingt, Kollegen ausfindig zu machen, die ihm sympathisch sind und die er als ehrgeizig einstuft).

      Fitnesstraining

      Dieses Beispiel habe ich persönlich ausprobiert: Vor mehreren Jahrzehnten nahm ich mir vor, etwas für meine Gesundheit zu tun, indem ich meine Schreibtischtätigkeit durch regelmäßiges Körpertraining ergänzte.

      Das Ziel wurde für mich besonders attraktiv durch das Buch von Cooper, Bewegungstraining. Praktische Anleitung zur Steigerung der Leistungsfähigkeit, in dem die positiven Folgen von regelmäßigem Konditionstraining plastisch dargestellt wurden: höhere und längere Konzentration, mehr Ausdauer, bessere Gesundheit, mehr Freude im Alter usw. Besonders wichtig war es aber für mich, dass ich das Training selbst (den Weg zum Ziel) mit positiven Assoziationen verband. Ich richtete mir den Raum, in dem ich mein Training absolvierte, schön ein, sorgte dafür, dass er immer so warm war, dass ich mich richtig wohl fühlte und ich legte eine Sammlung von CDs mit rhythmischer Musik an, die mir besonders gut gefiel.

      In eine fremde Stadt umziehen

      Wenn Sie in eine fremde Stadt ziehen müssen, das eigentlich aber nicht wünschen und sich daher dafür motivieren wollen, dann könnten Sie

      • sich ein oder mehrere Bücher besorgen, in der die fremde Stadt positiv dargestellt ist;

      • sich informieren, welche kulturellen Angebote die Stadt bereit hält, vor allem in Feldern, für die Sie sich interessieren;

      • versuchen, über gemeinsame Bekannte oder über das Internet Kontakt mit Personen aufzunehmen, die in dieser fremden Stadt wohnen und die Ihnen sympathisch sein könnten.

      Mit dem Rauchen aufhören

      Wenn Sie den Wunsch haben, nicht mehr zu rauchen, dann könnten Sie das Ziel „Nichtrauchen“ dadurch besonders anziehend machen, indem Sie eine Liste erstellen, auf der alle Vorteile des Nichtrauchens aufgelistet sind. Darüber hinaus könnten Sie nach für Sie attraktiven Personen recherchieren, die mit dem Rauchen aufgehört haben.

      Sich auf ein Examen vorbereiten

      Das Ziel attraktiv zu machen, das mit dem Bestehen eines Examens verbunden ist, kann leicht oder schwer sein, je nachdem wie konkret das Examen mit einem Wunschberuf zu tun hat. Auch in diesem Fall geht es bei der Motivation nicht so sehr darum, neue Ideen zu entwickeln, die mit dem Bestehen des Examens zusammenhängen (obwohl auch das möglich ist), als vielmehr die entsprechenden positiven Bilder in den Vordergrund des Bewusstseins zu holen. Man kann sich aber auch motivieren, indem man sich Begleiterscheinungen, die mit dem guten Bestehen der Prüfung zusammenhängen, bewusst macht. Z. B. hat es mich immer wieder motiviert, mir vorzustellen, bei dem Dozenten, den ich vom meinem Studium her kannte und den ich mochte, einen guten Eindruck zu machen.

      Regel 2: Aktivieren intrinsischer Bedürfnisse

      Begeisterungsfähigkeit ist eine der Hauptursachen


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<p>13</p>

Kuhl, 2001, S. 733.

<p>14</p>

Schmidt und Kleinbeck, 2004, S. 904.

<p>15</p>

vgl. Murphy & Cleveland, 1995; Schmidt und Kleinbeck, 2004, S. 924.