Die beliebtesten Geschichten, Sagen & Märchen zur Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe). Walter Benjamin

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Die beliebtesten Geschichten, Sagen & Märchen zur Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe) - Walter  Benjamin


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und Vätern gesellten, eine Familienversammlung bilden, bei der vor lauter Rührung kein männliches Auge trocken bleiben konnte.

      Doch es sollte sich noch mehr ereignen. Sogar noch viel mehr als das. Sir Joseph Bowley, Baronet und Parlamentsmitglied, wollte mit seinen Bauern eine Partie Kegel, tatsächlich Kegel spielen.

      »Das erinnert einen ganz«, sagte Ratsherr Cute, »an die Tage des alten Königs Heinz, des starken Königs Heinz, des dicken Königs Heinz. Ach, ein herrlicher Charakter!«

      »Außerordentlich«, sagte Mr. Filer trocken. »Das heißt, indem er heiratete und seine Frauen dann ermorden ließ. Beiläufig gesagt gibt es bedeutend mehr Frauen als nötig ist.«

      »Nicht wahr, du wirst die schönen Damen heiraten und sie nicht ermorden?« sagte Ratsherr Cute zu dem zwölfjährigen Erben von Bowley. »Ein lieber Knabe! Wir werden diesen kleinen Gentleman im Parlament haben«, fuhr der Ratsherr fort, indem er ihn bei den Schultern nahm und so nachdenklich ansah, wie es ihm irgend nur möglich war, »ehe wir es uns versehen. Wir werden von seinen Erfolgen bei der Wahl, seinen Reden im Hause, seinen ihm vom Ministerium gemachten Anerbietungen, seinen herrlichen Leistungen aller Art hören. Ach! wir weiden unsere kleinen Reden über ihn im Stadtrate halten, darauf wette ich, ehe wir Zeit haben werden, uns danach umzusehen.«

      »O, den Unterschied machen Schuh und Strümpfe«, dachte Trotty, doch sein Herz sehnte sich nach dem Kinde, vor Liebe zu denselben schuh-und strumpflosen Knaben, die die Kinder der Meg hätten sein können, und von denen Ratsherr Cute vorausgesagt hatte, daß sie schlecht sein würden. »Richard«, seufzte Trotty, indem er zwischen der Gesellschaft auf und nieder schritt, »ich kann Richard nicht finden, wo ist Richard?«

      Wahrscheinlich nicht dort, wenn er noch lebt! Sein Schmerz und seine Einsamkeit verwirrte Trotty, und er wandelte immer noch mitten unter der stattlichen Gesellschaft umher, sah sich nach seinem Führer um und sagte: »Wo ist Richard? Zeige mir Richard.«

      Gerade als er auf und nieder wandelte, begegnete er Mr. Fish, dem Geheimsekretär, in großer Aufregung.

      »Bei meiner Seele«, sagte Mr. Fish, »wo ist Ratsherr Cute? Hat niemand den Ratsherrn gesehen?«

      Den Ratsherrn gesehen? O lieber Gott, wer konnte den Ratsherrn nicht sehen! Er war so vorsorglich, so leutselig, er dachte so viel an den natürlichen Wunsch der Leute, ihn zu sehen, daß, wenn er einen Fehler hatte, es der war, einem beständig vor Augen zu sein. Und wo es vornehme Leute gab, da war gewiß auch Cute, den natürlich die Verwandtschaft zwischen großen Seelen dorthin zog.

      Einige riefen, daß er sich in einem Zirkel befände, der um Sir Joseph stand. Mr. Fish drängte sich dorthin durch, fand ihn und führte ihn an ein Fenster, um heimlich mit ihm zu sprechen. Trotty, gesellte sich zu ihnen. Nicht aus eigenem Antrieb. Er fühlte, daß seine Schritte dorthin gelenkt wurden.

      »Mein lieber Ratsherr Cute«, sagte Mr. Fish, »ein wenig weiter hierher. Ein schreckliches Ereignis! Ich habe diesen Augenblick die Nachricht erhalten. Ich denke, es wird das beste sein, Sir Joseph nichts mitzuteilen, bis der Tag vorüber ist. Sie kennen Sir Joseph und werden mir Ihre Meinung sagen. Ein entsetzliches, fürchterliches Ereignis!«

      »Fish«, entgegnete der Ratsherr, »mein lieber Mann, was gibt’s? Doch keine Revolution, hoff’ ich? Nein – doch nichts Aufrührerisches gegen die Obrigkeit?«

      »Deedles, der Bankier«, keuchte der Sekretär, »Deedles Gebrüder, der heute hier sein sollte, hoch in Würden bei der Goldschmiedszunft –«

      »Hat doch nicht die Zahlungen eingestellt?« rief der Ratsherr aus. »Das kann nicht sein!«

      »Hat sich erschossen!«

      »Guter Gott!«

      »Er hat eine Doppelpistole in seinem Bankhaus an den Mund gesetzt«, erzählte Mr. Fish, »und sich das Gehirn ausgebrannt. Keine Ursache – fürstliche Verhältnisse!«

      »Verhältnisse«, rief der Ratsherr aus. »Ein Mann von ungeheurem Vermögen. Einer der respektabelsten Männer. Selbstmord, Mr. Fish; von seiner eigenen Hand.«

      »Am heutigen Morgen«, entgegnete Mr. Fish.

      »O das Gehirn, das Gehirn«, rief der fromme Ratsherr aus, und erhob die Hände gen Himmel! »O die Nerven, die Nerven! Die Geheimnisse der Maschine, die man Mensch nennt! O wie wenig bedarf es, um sie aus den Fugen zu bringen. Arme Geschöpfe, die wir sind! Vielleicht ein Diner, Mr. Fish! Vielleicht das Benehmen seines Sohnes, der, wie ich gehört habe, sehr leichtsinnig lebte und ohne die geringste Erlaubnis Wechsel auf ihn zu ziehen pflegte! Ein höchst respektabler Mann! Einer der respektabelsten Männer, die ich kenne. Ein beklagenswertes Beispiel, Mr. Fish, ein öffentliches Unglück! Ich werde den Antrag stellen, tiefe Trauer anzulegen. Ein höchst respektabler Mann! Doch es lebt Einer über uns. Wir müssen uns unterwerfen!«

      Wie, Ratsherr? Kein Wort von Ausrottung des Selbstmordes? Denk’ an deine hohe Moral und deinen prahlerischen Stolz, Richter! Komm, Ratsherr! Nimm diese beiden Wagschalen. Wirf in diese eine, die leere, ein armes Weib ohne Nahrung, das vor Elend und Hunger stirbt und bei der die Quelle der Natur verdorrt, ausgetrocknet und unerbittlich ist gegen die Ansprüche, auf die ihr Kind ein Anrecht hat von der Mutter Eva her. Wäge mir die zwei, Daniel, der du zu Gericht gehst, wenn dein Tag kommt! Wäge sie vor den Augen der Tausende von Gequälten, die der greulichen Komödie, die du spielst, zuhören, Oder angenommen, deine fünf Sinne gingen dir verloren – es liegt nicht so fern, daß dies nicht leicht geschehen könnte – und du legtest Hand an dich selber, als eine Warnung für deinesgleichen (wenn es deinesgleichen gibt), wenn sie ihre gemütliche Schlechtigkeit den zum Wahnsinn getriebenen Gemütern und verzweifelten Herzen vorkrächzen. Was dann?

      Die Worte kamen aus Trottys Brust, als wenn sie eine fremde Stimme in ihm gesprochen hätte. Ratsherr Cute verpflichtete sich Mr. Filsh gegenüber, daß er ihm behilflich sein wollte, die traurige Katastrophe Sir Joseph beizubringen, wenn der Tag vorüber wäre. Dann sagte er in der Bitterkeit seines Schmerzes, Mr. Fish die Hand drückend: »Der ehrenwerteste der Menschen!« und fügte hinzu, daß er kaum wisse, nicht einmal er, warum so viel Kummer auf Erden geduldet würde.

      »Man könnte fast denken, wenn man es nicht besser wüßte, sagte Cute, »daß manchmal in der allgemeinen Einrichtung der gesellschaftlichen Fabrik eine umstürzende Bewegung der Dinge stattfände. Gebrüder Deedles!«

      Das Kegelspiel ging mit großem Erfolg vor sich. Sir Joseph warf die Kegel mit großem Geschick. Master Bowley spielte auch mit, auf kürzerer Bahn, und alle Welt sagte, daß nun, wo ein Baronet und der Sohn eines Baronets Kegel spielten, das Land wieder hochkommen würde, so schnell es könnte.

      Dann wurde das Bankett serviert. Trotty begab sich unfreiwillig mit den übrigen in die Halle, denn er fühlte sich von einem stärkern Impuls, als sein freier Wille war, dorthin geführt. Es sah dort äußerst prächtig aus. Die Damen waren sehr hübsch, die Gäste heiter, fröhlich und guter Laune. Als die unteren Türen geöffnet wurden und die Leute in ihrer ländlichen Tracht hereinströmten, da erreichte die Schönheit des Schauspiels ihren Gipfel. Doch Trotty murmelte nur immer öfter: »Wo ist Richard? Er sollte ihr helfen und sie trösten! Ich kann Richard nicht sehen.«

      Es wurden einige Reden gehalten und Lady Bowleys Gesundheit getrunken, und Sir Joseph Bowley hatte dafür seinen Dank abgestattet und seine große Rede gehalten, in der er mit verschiedenen Gründen bewies, daß er der geborene Freund und Vater usw., und hatte als Toast seine Freunde und Kinder und die Würde der Arbeit ausgebracht. Da zog im Hintergrunde der Halle eine kleine Störung Tobys Aufmerksamkeit auf sich. Nach einigem Wirrwarr, Lärm und Streit durchbrach ein Mann den Haufen und stand allein da.

      Es war nicht Richard, Aber einer, an den er oft gedacht und den er erwartet hatte. Bei spärlichem Licht hätte er vielleicht an der Identität des alten, grauen, gebeugten, abgezehrten Mannes gezweifelt, aber bei dem hellen Schein der Lampen, der auf seinen knochigen Kopf fiel, erkannte er Will Fern, sobald derselbe nur hervortrat.

      »Was ist das?« rief Sir Joseph sich erhebend aus. »Wer erlaubte diesem Manne den Zutritt? Dies ist ein Verbrecher aus dem Gefängnis. Mr. Fish, wollen Sie die Güte haben« –

      »Eine


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