Sprachkunst. Dietmar Wolfgang Pritzlaff

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Sprachkunst - Dietmar Wolfgang Pritzlaff


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Schreiberei werden. Das ahnte ich nur noch nicht damals.

      Es gab eine ganze Reihe von kleinen humorvollen Gedichten. Später entdeckte ich, dass noch jemand mit niveauvollem Blödsinn bekannt geworden war: Christian Morgenstern. Ich will jetzt nicht meine mit seinen Werken vergleichen. Oder doch? Es ging jedenfalls in diese Richtung. Ich sammelte diese, aber sie blieben irgendwie nicht in meinem Besitz. Schade eigentlich. Habe ich sie doch nicht für so gut befunden und weggeworfen? Erst viel später schrieb ich in der Morgenstern-Art wieder ein paar Gedichte.

      Erst mit 23 Jahren erhielt ich die Möglichkeit zu einer Veröffentlichung einiger meiner literarischen „Ergüsse“. Vorher hatte ich keine Gelegenheit zur Veröffentlichung entdecken können.

      Kapitel 5: Kinder, Blagen, kleine Kröten

      Meine Lieblingscousine Rebecca wohnte nicht weit entfernt. Wir trafen uns gerne nachmittags nach der Schule und schlugen gemeinsam unsere Zeit tot. Wir waren beide 13 Jahre. Meine Mutter arbeitete zu dieser Zeit als Kindergartenhelferin im Katholischen Kindergarten Breitenhagen in Altena. Unsere Familie war zwar nicht katholisch, dennoch erhielt meine Mutter den Job.

      War es meine Mutter, die auf den Gedanken kam? War ich es? Ich weiß es nicht mehr. Meine Cousine und ich planten ein Kasperle Theater im Kindergarten aufzuführen, damit die Blagen mal was zu lachen hatten.

      Der Kindergarten war einfach nur unsere Straße runter, am Ende der Straße. Eines schönen nachmittags zogen wir also in den Kindergarten ein. Wir bauten das Kasperle Theater auf zwei Stühlen auf. Wir waren ja schon groß und man hätte uns sonst gesehen. Eine Decke über den Stühlen bis auf den Boden verbarg unsere Bewegungen hinter dem Theater-Gestell.

      Wir hatten uns eine kleine Geschichte ausgedacht und wollten den Ablauf auch einhalten, aber wie es so kommt, wurde noch hier und da improvisiert und schon ging das Stück in eine ganze andere Ecke. Aber immer spannend und lustig. Natürlich mit den Hauptfiguren eines Kasperle Theaters: dem Kasperl, Gretchen, Krokodil, Polizist, Oma und dem Teufel.

      Die Kinder hatten Spaß und meine Mutter Ruhe um andere Dinge in dieser Zeit erledigen zu können. Und meine Cousine und ich wurden mit Applaus bedacht. Toll gemacht!

      Meine Mutter meinte, dass wir solche Theaternachmittage öfters machen könnten, dann wären die Kinder beschäftigt und würden nicht ständig rumrennen. Tatsächlich waren die kleinen Kröten von unserem Theaterspiel völlig paralysiert, in den Bann gezogen und fieberten richtig mit.

      Natürlich gab es auch Ausnahmen. Hyperaktive Kinder konnten nicht stillsitzen und rannten ständig hinter das Kasperle-Theater, um uns bei der Arbeit zuzusehen. „Der Teufel kommt auch noch“, schrie ein Dreikäsehoch. Na klasse, die Überraschung war dann nicht mehr so dolle. Andere wurden ganz still und waren wie gelähmt beim Zusehen.

      Meine Cousine und ich hatten daran Gefallen gefunden und einige Male Kasperle-Theater für die Kindergartenkinder. Immer eine andere Geschichte, sonst würde es ja langweilig. Wir nahmen uns Themen vor, für die wir uns selbst interessierten, wie zum Beispiel Langeweile, Lügen und Völlerei. Ein Thema kam auch vor Gewalt. Frei Schnauze entwickelten wir spontan aus dem Stehgreif die Geschichte und meist war sie auch spannend und unterhaltsam, mit fröhlichem Zwischenton.

      Beim Aufbau unseres Theaters hatte ich beobachtet, wie ein kleiner Junge seine noch kleinere Schwester mit der Hand ins Gesicht schlug. Einfach so. Ohne Grund. Alle saßen an einem Tisch und klebten bunte Schnipsel zu einem Bild zusammen. Der Junge saß neben dem Mädchen. Es gab kein Gespräch, kein Schnipsel- oder Kleber-Wegnehmen. Der Junge drehte sich zu seiner Schwester und peng! – landete seine Hand mitten im Gesicht der Schwester. Natürlich gab die Schwester sofort lauthals von der schallenden Ohrfeige Kunde. Sie quietsche und schrie uns nur so um die Ohren. Als meine Mutter mit dem Jungen schimpfte und nebenher die Schwester beruhigte, nickte der Junge nur verlegen und schaute auf den Boden. Er hatte doch gerade erst angefangen und musste schon aufhören?

      Wir waren fertig mit dem Theateraufbau. Jetzt konnte das Spiel beginnen. Aber denkste. Der Bub ging in die Krabbelecke zu einem anderen Jungen und nahm ihm einen kleinen Holzhammer weg, mit dem man Holzklötze, wenn die Form stimmte, in einen Holzklotz schlagen konnte. Der Junge nahm also den Hammer und schlug mit diesem kleinen Stück Holz auf den Kopf des anderen Jungen. Bam! Bam! Bam! Mehrmals. Mit seiner ganzen Kraft. Sofort ging das große Brüllen los. Der andere Junge war so überrascht, dass er nur die Hände vors Gesicht hielt. Der schlagende Junge hört nicht auf. Bam! Bam! Bam! Wieder und wieder. So schnell konnten meine Mutter, meine Cousine oder ich gar nicht in die Ecke gelangen. Der Junge bekam Theaterverbot als Strafe und er sollte mal darüber nachdenken, was er da getan hatte. Kinder können ja so grausam sein. Und wie?!

      Nein, ich bin nicht für das Grönemeyer-Lied KINDER AN DIE MACHT. Kinder sind dumm, blöd und müssen alles ausprobieren und erlernen. Mit dieser rohen Gewalt an die Macht? Bin ich völlig dagegen.

      Unser Theaterstück über Gewalt spielte mit Neid und Missgunst. Kasperle schenkte Gretchen eine kleine Puppe, die aber das Krokodil haben wollte, weil er neidisch darauf war. Das Krokodil wollte Gretchen beißen, ihr die Sachen zerreißen. In unserem Stück gab es also einen Grund. Dem Krokodil wurde eine neue Schultasche geschenkt, damit es auch was Schönes hatte, dann gab es Ruhe.

      Aber so plötzlich wie der Junge zugeschlagen hatte, das kam nicht in unserem Stück vor. Das war einfach nur schockierend für unsere jugendlichen Seelen.

      Kapitel 6: Das erste Hörspiel

      1978 hörte ich zum ersten Mal das Musical DER KRIEG DER WELTEN. Die Science-Fiction-Vorlage hierfür stammte von H.G. Wells. Jeff Wayne schrieb die Musicalfassung. Richard Burton mit seiner rauen Stimme war als Sprecher dabei. In der deutschen Fassung übernahm das Curt Jürgens.

      Ich stellte es meiner Cousine vor, die auch ganz begeistert reagierte. Unheimlich spannende Geschichte, mit tollem Sound-Design unterlegt und klasse Songs.

      Wir wollten auch so ein Hörspiel machen. Da wurde nicht vorher was aufgeschrieben, sondern wieder aus dem Stehgreif gleich auf einen Kassettenrekorder aufgenommen.

      Unser Hörspiel sollte auf dem Saturn spielen. Damals stellten wir uns vor, wie man auf dem Saturn-Ring spazieren gehen konnte und genau da landeten Außerirdische im Zwischenstopp und begegneten Saturn-Reisenden von der Erde. Natürlich waren unsere Außerirdischen gefährliche übelriechende schmatzende Schwabbelwesen die nur eines im Sinn hatten: die Menschen zu fressen. Filme mit freundlichen Außerirdischen wie E.T. oder UNHEIMLICHE BEGENUNG DER DRITTEN ART kamen erst Jahre später in die Kinos. Also mussten die Außerirdische noch schön böse sein.

      Als ein Außerirdischer seine fliegende Untertasse öffnet sollte das, wie in dem Musical sein, ein metallisches Aufschrauben. Dafür nahmen wir ein Einmachglas, hielten es in die Kloschüssel, damit es hohl klang und mahlten Glasdeckel und Glas aufeinander. Es klang damals für uns perfekt.

      Natürlich wurde unser Hörspiel nicht abendfüllend. Etwa 15 Minuten lang wurde unser Werk, mit Krachen und Knirschen, mit Schreien und Stimmenverstellen. Aber für uns eine runde Sache und jede Menge Spaß. Wir brauchten 4 Tage um es rund zu kriegen.

      Wir stellten das Stück meinen Eltern vor. Rebecca und ich waren völlig aus dem Häuschen gibbelten und lachten, wir waren von uns selbst beeindruckt. Weniger beeindruckt waren meine Eltern. Es war für sie ganz nett, aber von unserer großen Kunst nicht angetan.

      „Geht doch lieber draußen spielen“, gab mein Vater zu Bedenken. „Ihr seid jeden Tag, Stunde für Stunde in der Wohnung.“

      Sie wollten es nicht verstehen, dass wir auf so was „voll Bock“ damals hatten. Hätte man uns doch mal gelobt für unsere Kreativität, aber die hat damals keiner wahrgenommen.

      Kurz darauf zog die Familie meiner Cousine auf einen anderen Berg der Stadt. Es war umständlich dort hinzukommen. Entweder mühsam zu Fuß, oder mit dem Bus, aber


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