Sprachkunst. Dietmar Wolfgang Pritzlaff

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Sprachkunst - Dietmar Wolfgang Pritzlaff


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war so ganz nebenbei Hausmeister und Helfer der Stadtgalerie Altena von 1985 bis 1990. Zu den ganzen Werbematerialien für Ausstellungen anderer Orte gesellten sich auch immer mal Ausschreibungen für Literatur- und Kunstwettbewerbe.

      1988 las ich zum ersten Mal von einem Literaturwettbewerb. Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen. Bei dem überregional ausgeschriebenen Wettbewerb wurden nur knapp 60 Bewerbungen eingereicht. Wie sollte man auch von einem Wettbewerb gehört haben?

      Heute „geht“ man ins Internet. Googelt das Wort Literaturwettbewerb und schon flattern die Angebote ins Haus. Unglaublich.

      Früher war es eine reine Sisyphusarbeit. Mühsam kam man an Adressen heran. Lernte dann auf Preisverleihungen neue Leute und Orte kennen. So und nicht anders.

      Allerdings wuchsen von Jahr zu Jahr die Bewerberzahlen. Als sich dann das Internet Mitte der 90er-Jahre verbreitete und man so mir nichts dir nichts an Informationen gelangen konnte, wuchs auch schnell die Bewerberzahl. Von den 60 Bewerbungen 1988 bis 1000 Bewerbungen in 2000.

      Ich las von einem „Gladbecker Satirepreis“. Thema war das Ruhrgebiet. Ich schrieb einen Liedtext. Das Lied EIN HOCH DER RUHR gefiel. Es bekam zwar keinen Preis, aber ich wurde kostenlos in die Anthologie des Wettbewerbes aufgenommen. Meine erste Veröffentlichung in einer Anthologie. Vorher wusste ich gar nicht, was so eine Anthologie eigentlich ist. Man lernt ja bekanntlich nie aus.

      Schön zum ersten Mal ein Buch in den Händen zu halten in dem ein Text von mir steht.

      Das wollte ich nochmal und nochmal und mehr und mehr... Manchmal gelang es mir mit meinen Texten Jurys zu überzeugen. Manchmal eben nicht.

      Und das ist so ein Ding. Manchmal glaubt man DEN Text geschrieben zu haben, den andere unbedingt toll finden müssen und dann passiert nichts und dann sendet man ziemlich halbherzig etwas ein, was sofort genommen wird und hoch gelobt wird. Ich war jedes Mal bei solchen Wettbewerbsversuchen überrascht was am Ende rauskam.

      Kapitel 11: Erste Lesung mit Aufregung

      1988 war ich selbstbewusst und schickte neue Werke zu höheren Weihen an den nächsten Wettbewerb. Ein Gedicht-Wettbewerb. Der RSGI veranstaltete für junge Lyrik einen Wettbewerb für junge Schreibende. Man durfte bis zu einem Alter von 25 Jahren mitmachen. Die RSGI heißt eigentlich Regensburger Schriftsteller Gruppe International. Fünf Gedichte mit freier Themenwahl durfte man einsenden. Ein Preisgeld von 1.500 Mark bekam der 1te Platz. 1000 der 2te und 500 der 3te. So habe ich es in Erinnerung. Außerdem wurde ein Verkehrssicherheits-Wettbewerb veranstaltet bei dem nochmals 2 x 1000 Mark ausgelobt wurden und durch den Verkehrsminister überreicht werden sollten. Für diesen Wettbewerb sollte eine Kurzgeschichte eingereicht werden.

      Über 3 Tage an einem Wochenende streckte sich das Programm. Ich fuhr mit meiner Muse Peggy nach Regensburg. Ist ja auch nicht gleich umme Ecke. Dafür musste ich mir 1 Tag Urlaub für den Freitag nehmen.

      In Regensburg angekommen, wusste ich schon, dass meine freien Gedichte nicht gefallen hatten und gar nicht erst in die engere Auswahl gekommen waren. Wie enttäuschend.

      Gewonnen hat damals ein aufsehenerregender Punker mit hoher Irokesenfrisur. Die Haare rot gefärbt, große Ohr- und Nasenringe in sämtlichen Ausführungen und in Ledermontur gepresst.

      Er las seine Werke und wir bogen uns alle vor Lachen. Tautogramme waren seine Spezialität. Ein Gedicht mit nur W-Wörtern, oder H-Wörtern, oder P-Wörtern. Es war eine reine Freude so einen Schwachsinn mitten in den hochtrabenden vergeistigten Texten zu hören. Die anderen waren einfach nur anstrengend. Nach stundenlanger Leserei wurde der Publikumspreis als erstes vergeben und wer gewann? Das leichte fröhliche Punkerlein. Den Jury-Preis heimste er gleich mit ein. Schon bei dieser Veranstaltung gab es Aufregung. Die verschmähten LyrikerInnen sahen in den Gewinnertexten keinen Nährwert und buhten die Jury aus. Mit den Worten: „Was wollt ihr denn? Ihr habt doch alle gelacht und Spaß daran gehabt!“, empörten sich die Jurymitglieder.

      Ich fand es einfach nur Spitze, dass diese wunderschönen Lach-Gedichte gewonnen hatten. Bei der modernen Lyrik wäre ich ja fast eingeschlafen. Mal stimmten die Bilder nicht zu den vorgetragenen Worten, mal stimmten die Beschreibungen nicht zu den Bildern die im Kopf entstehen sollten. Bäh!

      Beim Verkehrssicherheits-Wettbewerb kam mein Beitrag auf den 14ten Platz. Zwar kein preiswürdiger Platz aber die ersten 20 Plätze durften nach dem ganzen Wettbewerb bei einer Lesung mitmachen und den eigenen Text vortragen.

      Am Sonntag so gegen 11.00 Uhr ging es los. Es waren leider nur wenige von den Autoren und Besuchern an diesem Tag noch zugegen. Die meisten waren wohl schon verärgert oder haushoch ausgezeichnet abgereist.

      Die Gewinnertexte wurden verlesen. Hübsche kleine Geschichten in denen kaum von dem NACH EINEM UNFALL gesprochen wurde, sondern das vorher. Plänkelei mit einem erhobenen mahnenden Zeigefinger. Das war’s. Was das mit Verkehrssicherheit zu tun hatte, habe ich mich immer wieder gefragt. Langeweile, pure gähnende Leere.

      Ich kam mit meinem Text WER STIRBT SCHON 1000 TODE? an die Reihe. Wir saßen an runden Tischen vor unseren Getränken. Der Lesende hatte aufzustehen und im Stehen zu lesen. Ich stand also vor dem Tisch und las voller Inbrunst meinen äußerst brutalen ekligen Text über verheerende Autounfälle.

      Auszug aus dem Text WER STIRBT SCHON 1000 TODE?:

      Fuß tritt Gas.

      Gas gibt Schwung.

      Beschwingtes Hirn schwingt mit und - MATSCH.

      Das Weiß des Hirns - nicht mehr erkennbar.

      Zu viel Rot. Tiefes Rot des Blutes,

      dass in Strömen aus dem Körper gepumpt wird,

      der auf rauem, kaltem Asphalt,

      gekrümmt, zerborsten, zerstückelt und unbeweglich liegt.

      Hand am Steuerrad.

      Steuerrad will lenken.

      Gelenke aber zu langsam und - MATSCH.

      Die Hand nicht mehr am Steuer.

      Zerschunden, aufgeschürft, zerquetscht und gebrochen

      durch den harten Aufprall.

      Kann nicht mehr greifen, nicht mehr steuern,

      nicht mehr streicheln.

      Unbeweglich liegt sie da,

      zwischen plattgeschlagenen Grashalmen

      und scharfkantigen Glassplittern.

      Getrennt vom Leben,

      abgetrennt von dem gerade-noch-Lebenden.

      Und das geht so noch 3 Seiten weiter. Aus den Reihen der Besucher waren Zwischentöne zu hören. Ein Ihhh-bah war da noch das Geringste.

      Als ich geendet hatte sprang eine ältere Dame auf und schrie durch den ganzen Saal zu einem anderen Tisch hinüber: „Das ist der erste Platz. Das ist der erste Preis. Wieso habe ich diesen Text nicht erhalten?“

      Die Dame war die Vorsitzende des RSGI und sprach mit weiteren Jurymitgliedern, die sich wie folgt aus der Affäre ziehen wollten: „Jeder hat seine Lieblingswerke benotet und wir haben unsere ersten Plätze an Sie weitergegeben!“

      „Und keiner kommt auf die Idee dieses Werk mir zu geben?“ Die Dame wollte sich nicht beruhigen und befahl mir an ihrem Tisch Platz zu nehmen. „Das muss besprochen werden!“

      Meine Muse Peggy und ich saßen also an dem Tisch der Vorsitzenden und wir wurden gelobhudelt was das Zeug hält. „So einen brutal realistischen... So einen wahren und wirklichen Text hätte unserem Wettbewerb gutgetan. Passen Sie auf, wir machen folgendes, ich gebe Ihnen meine Privatadresse mit Telefonnummer und ich werde sehen, was ich für Sie tun kann. So ein Text darf nicht in Vergessenheit geraten!“ Sprachs und reichte mir ihre Visitenkarte.

      Ich war ja nur wegen der Lesung nach Regensburg gereist. Das sich jemand


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