Römische Geschichte. Cassius Dio
Читать онлайн книгу.Frauen und noch übrigen Söhnen zuvor Gift verteilt hatte, den Becher vollends ausgetrunken; er konnte aber weder hierdurch noch durchs Schwert den Selbstmord vollbringen. 2 Denn das Gift, obgleich tödlich, griff ihn nicht an, da er sich durch täglichen Gebrauch von Gegengiften dagegen abgehärtet hatte; und der Stich mit dem Schwert war bei der durch Alter, die ängstliche Dringlichkeit der Umstände und die, wenn auch noch so schwache Wirkung des Giftes, entkräftete Hand nicht tief genug eingedrungen. 3 Während er sich so nicht durch eigene Kraft den Tod geben konnte und doch länger, als gut war, zu leben schien, fielen diejenigen, die er wider den Sohn ausgesandt hatte, über ihn her und beschleunigten mit ihren Schwertern und Lanzen seinen Tod. 4 So hatte denn Mithridates, nach so wechselvollen, merkwürdigen Schicksalen auch ein außergewöhnliches Lebensende. Er suchte wider Willen seinen Tod, wollte sich selbst töten und vermochte es nicht. Durch Gift und Schwert [versuchter] Selbstmörder, wurde er von den Feinden vollends abgeschlachtet.
(14) Pharnakes schickte den einbalsamierten Leichnam als Beweis seiner Heldentat an Pompeius und ergab ihm sich und sein ganzes Reich. Pompeius entehrte auf keine Weise den toten Mithridates, sondern gab vielmehr Befehl, ihn in der Gruft seiner Väter94 beizusetzen. Die Feindschaft war mit dem Leben erloschen, dem Leichnam konnte er nicht grollen, 2 gab aber zum Lohn des Vatermords dem Pharnakes das Reich des Kimmerischen Bosporus und nahm ihn unter die Freunde und Bundesgenossen des römischen Volkes auf. Mit des Mithridates Tod war sein ganzes Reich, wenige Orte ausgenommen, unterworfen. 3 Jedoch hatten einige noch feste Plätze außerhalb des Bosporus inne, die sie nicht übergeben wollten, nicht so sehr in der Absicht, sich ihm zu widersetzen, als vielmehr aus Furcht, es möchten andere die von ihnen bewachten Schätze plündern und die Schuld davon auf sie schieben; sie warteten demnach, um alles dem Pompeius selbst auszuliefern.
(15) Als hier alles in Ordnung war, Phraates sich ruhig verhielt, Syrien und Phönikien auf römisches Maß eingerichtet waren, wandte er sich gegen Aretas. Dieser herrschte über die jetzt den Römern unterworfenen Araber bis ans Rote Meer. Er hatte Syrien sehr beunruhigt und setzte, obgleich von den Syrien zu Hilfe gekommenen Römern besiegt, dennoch die Feindseligkeiten fort. 2 Gegen ihn und seine Grenznachbarn also zog Pompeius aus, überwand sie mit wenig Mühe und nahm sie gefangen. Von da rückte er gegen das syrische Palästina zu Felde, weil dessen Bewohner Phönikien mit Krieg überzogen hätten. Es herrschten über dieses Volk die Brüder Hyrkanos und Aristobulos, die sich über den Priesterdienst (so nannten sie ihre Herrschaft) ihres Gottes (sei nun dieser, wer er wolle) stritten und die Städte in Parteien getrennt hatten. 3 Den Hyrkanos, der keine bedeutende Streitmacht befehligte, bezwang er ohne Schwertstreich, Aristobulos aber warf sich in eine Burg und musste sich vermöge einer Übereinkunft ergeben. Da er aber weder die Schatzungsgelder, noch die Burg ausliefern wollte, ließ er ihn gefangen nehmen und unterwarf sodann das übrige Land ohne weitere Schwierigkeit. Die Belagerung von Jerusalem aber machte ihm viel zu schaffen.
(16) Die Stadt selbst, in die ihn der Anhang des Hyrkanos einließ, nahm er bald; den Tempel jedoch, den die Gegenpartei innehatte, eroberte er nicht ohne Schwierigkeit. 2 Derselbe lag auf einer Anhöhe und war mit einer Mauer befestigt. Wäre die Gegenwehr an allen Tagen die gleiche gewesen, so hätte er ihn nicht erobert; da sie sich aber an den sogenannten Saturnustagen95 nicht zur Wehr setzten und untätig blieben, gaben sie den Römern Zeit, die Mauern zu bestürmen. 3 Denn da diese die Gewohnheit der Tempelverteidiger wahrnahmen, strengten sie sich die andere Zeit eben nicht sehr an, beim Eintritt dieses Tages aber stürmten sie den Tempel aus allen Kräften. 4 So wurden sie denn auch am Saturnustage, ohne sich zu verteidigen, bezwungen und alle Schätze geplündert.96 Hyrkanos wurde zum König gemacht und Aristobulos gefangen abgeführt. 5 Dies geschah in Palästina; denn so hieß der ganze Landstrich, soweit er von Phönikien bis Ägypten am Mittelmeer sich erstreckt, seit uralten Zeiten. Sie haben noch einen anderen, später angenommenen Namen, das Land heißt nämlich Iudaea nach dem Volk der Juden.
(17) Woher sie diese Benennung haben, weiß ich nicht; sie erstreckt sich aber auch auf Ausländer, die nach denselben Gesetzen leben. Auch unter den Römern gibt es von dieser Gattung Leute, welche, obgleich oft unterdrückt, dennoch dergestalt sich angesammelt hat, dass sie die freie Ausübung ihrer Gesetze durchgesetzt hat. 2 Sie unterscheiden sich von anderen Menschen sowohl in ihrer ganzen Lebensordnung als auch darin, dass sie keinen der anderen Götter verehren und ausschließlich auf den einen all ihre Anbetung beschränken. Auch hatten sie in Jerusalem selbst kein einziges Götterbild, ihren Gott halten sie für unaussprechlich und unsichtbar und übertreffen in eifrigem Gottesdienst alle übrigen Menschen. 3 Ihm bauten sie einen sehr großen, prachtvollen Tempel; nur ist er offen und ohne Dach.97 Der Saturnustag ist ihnen heilig, an ihm haben sie außer anderen seltsamen Gebräuchen auch den, dass sie keine Arbeit verrichten dürfen. 4 Das Nähere über ihren Gott, den Ursprung seiner Verehrung, ihre Furcht vor demselben ist von vielen geschrieben und gehört nicht in diese Geschichte.
(18) Die Einteilung der Tage nach den sieben sogenannten Wandelsternen (Planeten) ist bei den Ägyptern aufgekommen und jetzt bei allen Völkern, jedoch, glaube ich, nicht vor langer Zeit angenommen worden. Die alten Hellenen wenigstens wussten, soviel mir bekannt ist, nichts davon. 2 Da dieselbe aber jetzt bei allen Völkern und selbst bei den Römern üblich und gewissermaßen heimisch geworden ist, so will ich mit wenigem darzulegen suchen, wie und auf welche Weise man diese Einrichtung getroffen hat. Mir sind zwei Berechnungen bekannt, die zwar leicht verständlich sind, sich aber auf eine gewisse Theorie stützen. 3 Wenn man die sogenannte Harmonie, diatessaron98 (welche als Hauptteil der Musik angenommen wird) auf die Sterne, auf denen die ganze Ordnung der Himmelsbewegung beruht, und zwar so, wie jeder seine Bahn beschreibt, anwendet und nun von dem äußersten Kreis, dem des Saturnus beginnt, 4 unter Übergehung der zwei folgenden den Herrn des vierten [Kreises] nimmt, von diesem dann wieder zwei Kreise überspringt, auf den siebten fortrechnet, auf die gleiche Weise auch die Übrigen durchgeht und die Tage nach den Göttern dieser Kreise der Reihe nach benennt, so findet man, dass diese alle zu der Himmelsordnung in musikalischem Verhältnis stehen.
(19) Dies ist die eine Berechnungsweise. Die zweite ist Folgende: Man zählt die Stunden des Tages und der Nacht von Eins an, gibt die erste dem Saturn, die zweite dem Iupiter, die dritte dem Mars, die vierte der Sonne, die fünfte der Venus, die sechste dem Merkur und die siebte dem Mond, 2 je nach der Ordnung der Kreise, wie sie die Ägypter rechnen, fährt so auf gleiche Weise fort, bis man alle vier Stunden durchgerechnet hat, und man wird finden, dass die erste Stunde des folgenden Tags auf die Sonne kommt. 3 Verfährt man mit den nächsten 24 Stunden wie zuvor, so trifft die erste Stunde des dritten Tags auf den Mond, und bei weiterer Durchrechnung wird jeder Tag den ihm zukommenden Gott erhalten. So gibt es die Überlieferung.
(20) Nachdem Pompeius auch diese Unternehmung beendet hatte, ging er noch einmal an den Pontos, übernahm die festen Plätze und kehrte über Kleinasien und Griechenland nach Italien zurück. 2 Viele Schlachten hatte er gewonnen, viele Fürsten und Könige mit Waffengewalt oder durch Vertrag unterworfen, acht Städte und Landschaften bevölkert, den Römern bedeutende neue Geldquellen eröffnet, die meisten den Römern unterworfenen Staaten auf dem Festland Asiens nach eigenen Gesetzen und Verfassungen aufs Beste geordnet, sodass noch jetzt seine Einrichtungen bestehen. 3 Alle diese wichtigen Leistungen aber, die vor ihm noch kein Römer vollbracht hatte, könnte man doch vielleicht zum Teil auf Rechnung des Glücks und der Mitkämpfer setzen. Was aber alleiniges Werk des Pompeius war und allgemeine Bewunderung verdient, ist, 4 dass er – an der Spitze so großer Heere zu Land und zur See, bei den bedeutenden Geldmitteln, die er aus den Gefangenen gewonnen hatte, nachdem er sich viele Fürsten und Könige zu Freunden gemacht und alle Völker, bei denen er befehligt, durch Wohltaten sich verbunden hatte, 5 während er ganz Italien bewältigen und Roms ganze Macht an sich reißen konnte, da die meisten ihn freiwillig als Oberherrn anerkannt, die anderen, welche etwa widerstanden, bald aus Ohnmacht sich ihm gefügt hatten – dieses verschmähte und, 6