Römische Geschichte. Cassius Dio
Читать онлайн книгу.Übermacht und gab den deutlichsten Beweis, dass der Herrschsüchtige kein Recht als das der Waffen anerkennt und dass der Sieger nach Gutdünken Gesetze gibt; auch höhnte er ihn in seinem Titel, dessen er gegen alle anderen und selbst die Römer sich rühmte und den auch diese ihm jederzeit anerkannt hatten. 2 Er nannte sich König der Könige, Pompeius aber nannte ihn unter Weglassung der letzten Worte in seinem Schreiben schlechtweg »König«, obgleich er dem gefangenen Tigranes, und zwar gegen die sonstige Sitte der Römer, als er ihn zu Rom im Triumph aufführte, diesen Titel nicht vorenthielt. 3 So sehr ihn auch Phraates fürchtete und zum Freund zu haben wünschte, so kränkte dies ihn doch, als hätte er ihn damit seines Throns beraubt, dergestalt, dass er ihm durch Gesandte alle angetanen Unbilden vorhalten und den Übergang über den Euphrat untersagen ließ. 4 Als Pompeius keine günstige Antwort gab, zog er sogleich mit dem jungen Tigranes,88 dem er seine Tochter gegeben hatte, im Frühling des Jahres, in welchem Lucius Caesar und Gaius Figulus Konsuln waren, gegen Tigranes zu Felde, verlor die erste Schlacht und gewann die folgende. 5 Als Tigranes Pompeius in Syrien zu Hilfe rief, schickte Phraates nochmals Gesandte an ihn, machte ihm Vorwürfe und ließ sich auch nicht undeutlich über die Römer aus, sodass sich Pompeius zugleich schämte und fürchtete.
(7) So kam er denn weder Tigranes zu Hilfe, noch tat er überhaupt feindselige Schritte gegen Phraates, unter dem Vorwand, es sei ihm dieser Krieg nicht aufgetragen, auch stehe Mithridates noch unter Waffen. Er begnüge sich, sagte er, mit dem bisher Vollbrachten und wolle nicht, zu vieles erstrebend, wie Lucullus, das bereits Gewonnene verscherzen. 2 Seine Philosophie war diese: Die Begierde nach mehr sei jederzeit eine gefährliche Sache, nach fremdem Gut streben sei ungerecht. – Nur schade, dass er dieses Glaubens erst war, da jenes ihm nicht mehr freistand. Aus Furcht vor des Parthers Macht und der Unzuverlässigkeit des Glücks wollte er nicht ins Feld, obgleich ihn viele aufforderten, 3 und setzte sich über die Vorwürfe des Feindes als zu unbedeutend hinweg, indem er sie nicht widerlegte und sagte, er hätte bloß eine Grenzstreitigkeit mit Tigranes, die er durch drei Bevollmächtigte beilegen wollte. Er schickte sie; jene nahmen sie zum Schein als Schiedsrichter auf und verglichen sich über ihre gegenseitigen Ansprüche, indem Tigranes einerseits grollte, dass er die erbetene Hilfe nicht erhielt, 4 Phraates dagegen den Armenier nicht fallen lassen wollte, weil er ihn im Notfall als Bundesgenossen gegen die Römer brauchen konnte. Denn wohl wussten beide, dass, wer von ihnen den anderen unterdrücke und dadurch an Macht gewönne, es auch mit den Römern verderbe und selbst desto leichter bezwungen werden könne. 5 Dies waren die Gründe ihrer Verständigung. Pompeius überwinterte auch dieses Mal in Aspis, eroberte die anderen noch Widerstand leistenden Orte und bekam auch die Feste Symphorion durch Verrat der Stratonike in seine Gewalt. Diese, Gattin des Mithridates und erbittert über ihre Verstoßung, hatte die Besatzung zum Schein nach Proviant ausgeschickt und den Römern die Tore geöffnet, obgleich ihr Sohn […].89
(8) […] allein nicht nur deshalb erhielt Caesar als Ädil Beifall, sondern auch weil er die Römischen und Megalesischen Spiele90 aufs Prunkvollste gab, überdies bei dem Leichenbegängnis seines Vaters das glänzendste Fechterspiel anstellte. Die Kosten bestritt er zum Teil mit seinem Amtsgenossen Marcus Bibulus, zum Teil aber aus eigenen Mitteln. 2 Diesem aber stand er so sehr im Licht, dass er allen Ruhm davon allein erntete und alles allein bestritten zu haben schien. Bibulus sagte daher im Scherz, er habe das gleiche Schicksal wie Pollux; dieser habe mit seinem Bruder Castor einen gemeinschaftlichen Tempel, der aber nach jenem allein benannt werde.
(9) Darüber freuten sich die Römer, wurden aber durch Vorzeichen in große Bestürzung gesetzt. Auf dem Capitol nämlich schmolzen viele Standbilder, unter anderen dasjenige Iupiters auf einer Säule, vom Blitz getroffen, auch fiel ein Bild der Wölfin mit Romulus und Remus herab. 2 Die Buchstaben an den Säulen, in welche die Gesetze eingegraben, waren ineinandergeflossen und unleserlich geworden. Die übrigen Zeichen nun wurden nach dem Rat der Priester gesühnt. Für Iupiter beschlossen sie, eine größere Bildsäule, nach Osten und dem Forum schauend, zu errichten, damit die Verschwörungen, welche sie in Unruhe versetzten, ans Tageslicht kämen. 3 Dies geschah in diesem Jahre. Die Zensoren91 waren über den Völkern jenseits des Eridanos92 unter sich in Zwist geraten – der eine wollte ihnen das Bürgerrecht geben, der andere nicht –, taten auch sonst nichts und legten sogar ihr Amt nieder. 4 Aus demselben Grund taten ihre Nachfolger im nächsten Jahr ebenso wenig, weil sie bei der Prüfung des Senats durch die Volkstribune, welche aus der Liste der Senatoren gestrichen zu werden befürchteten, behindert wurden. 5 Auch wurden durch einen Gesetzesvorschlag des Volkstribuns Gaius Papius außer den Bewohnern des jetzigen Italiens alle in Rom sich aufhaltenden Fremden aus der Stadt gewiesen, da sie sich zu sehr herbeidrängten und es nicht funktionieren wollte, mit ihnen zusammenzuleben.
(10) Im folgenden Jahr, unter den Konsuln Figulus und Lucius Caesar, ergaben sich wenige, aber wegen des seltsamen Gangs menschlicher Dinge merkwürdige Ereignisse. 2 Sowohl derjenige, welcher den Lucretius auf Sullas Befehl umgebracht hatte, als auch ein anderer, welcher viele der von diesem Geächteten getötet hatte, wurden meist auf Iulius Caesars Betreiben dieser Mordtaten wegen angeklagt und bestraft. 3 So geschieht es oft, dass der Wechsel der Dinge die jüngst noch Allgewaltigen auf einmal aller Macht beraubt. Wenn dies aber vielen unerwartet kam, so war es nicht minder der Freispruch für Catilina, welcher keine geringere Anzahl solcher Geächteten umgebracht hatte und desselben Verbrechens angeklagt worden war. Dies machte ihn immer noch frecher und beschleunigte seinen Untergang. 4 Denn unter den Konsuln Marcus Cicero und Gaius Antonius, als Mithridates den Römern nicht mehr schaden konnte, vielmehr sich selbst entleibt hatte, unternahm er eine Staatsumwälzung, sammelte sich einen Anhang und bedrohte Rom mit einem gefährlichen Krieg. Beides trug sich auf folgende Weise zu.
(11) Mithridates, von seinen Missgeschicken ungebeugt, beschloss, mehr dem Willen als der Kraft vertrauend, während Pompeius in Syrien beschäftigt wäre, durch Skythien an den Ister93 vorzudringen und von da in Italien einzufallen. 2 Von Natur ein unternehmender Geist, durch die Erfahrung vieler Unfälle und Glücksfälle unterstützt, glaubte er alles wagen, alles hoffen zu dürfen. Misslänge es, so wollte er lieber mit ungebeugtem Sinn Leben und Reich zumal verlieren, als des Letzteren beraubt, in Niedrigkeit und ruhmlos fortzuleben. 3 Noch einmal sammelte er seine ganze Kraft. Je hinfälliger sein Körper wurde, desto kräftiger strebte sein Geist empor, sodass er die Schwäche des einen durch die Schwungkraft des anderen unterstützte. 4 Als aber seine Leute die Macht der Römer von Tag zu Tag steigen, die des Mithridates sinken sahen (außer anderem Ungemach hatte das furchtbarste Erdbeben, das man je erlebt hat, viele Städte des Reiches verschüttet), nahmen sie von ihm Abstand. Das Heer wurde unzufrieden; einige hatten sogar mehrere seiner Kinder entführt und an Pompeius ausgeliefert.
(12) Wen er nun bei solchem Verrat antraf, den bestrafte er, andere ließ er auf bloßen Verdacht hin aus Leidenschaft ergreifen. Niemandem traute er mehr und ließ selbst einige der ihm noch übrigen Kinder aus Argwohn umbringen. Daher stellte ihm einer seiner Söhne Pharnakes teils aus Furcht, teils in der Hoffnung, von den Römern das väterliche Reich (er war schon zum Mann gereift) zu erhalten, nach dem Leben. 2 Er wurde aber entdeckt (weil viele öffentlich und insgeheim jeden seiner Schritte belauerten) und hätte, wenn die Leibwächter nur die geringste Zuneigung zu dem Greis gehabt hätten, unfehlbar die verdiente Strafe gefunden. Mithridates aber, sonst so weise in allen Regierungssachen, wollte immer nicht einsehen, dass weder Waffen noch die Menge der Untertanen einem ohne ihre Liebe etwas nützen und dass sie, je mehr derselben sind, bei unzuverlässiger Treue nur noch gefährlicher werden. 3 Pharnakes zog also mit seinen früheren Anhängern und den zu seiner Gefangennahme ausgeschickten Truppen, welche er ohne viel Mühe für sich gewonnen hatte, gegen seinen Vater. Auf diese Nachricht schickte der Greis, mit dem Versprechen, sogleich selbst nachzukommen, einige Soldaten gegen seinen Sohn voraus. 4 Auch sie hatte er, weil sie den Mithridates ohnehin nicht liebten, auf seine Seite gebracht, nahm die Stadt ohne Widerstand ein und ließ seinen Vater, der sich in den Palast geflüchtet hatte,