Römische Geschichte. Cassius Dio
Читать онлайн книгу.hatte, all seine Heere entließ und sich ihrer nicht einmal zur Verherrlichung seines Triumphzuges bedienen wollte. Denn wohl wissend, wie sehr man das Betragen des Marius und des Sulla verabscheute, wollte er die Römer, auch nicht auf wenige Tage, der Besorgnis ähnlicher Schreckensszenen aussetzen.
(21) Auch nahm er keinen der vielen Beinamen an, zu denen er [aufgrund der eroberten Gebiete] berechtigt war. Er verstand sich aber zu dem größeren Triumph, welcher ihm, obgleich er bisher ohne Beisein der Siegesgenossen nicht gestattet war, zuerkannt worden war. 2 Er hielt ihn über alle seine Siege auf einmal. Den anderen, schön verzierten Siegeszeichen über jede, auch die geringste seiner Taten, folgte ein großes, reich geschmücktes mit der Aufschrift: »Über die Welt.« 3 Jedoch legte er sich keinen Beinamen zu und begnügte sich mit dem Magnus, den er schon vor seinen jetzigen Kriegstaten erhalten hatte. Er strebte nach keiner übermäßigen Auszeichnung, und wenn ihm eine in seiner Abwesenheit zuerkannt worden war, machte er nie mehr als einmal Gebrauch davon. 4 So sollte ihm z.B. bei allen Festlichkeiten den Lorbeerkranz und Feldherrnmantel, bei Ritterkämpfen aber das Triumphkleid zu tragen gestattet sein. Diese Ehren wurden ihm, so sehr auch Marcus Cato dagegen war, hauptsächlich auf Betreiben Caesars zuerkannt.
(22) Was dieser für ein Mann war, wie er der Menge schmeichelte, den Pompeius zwar untergrub, beim Volk aber, um seine Gunst zu gewinnen und den eigenen Einfluss zu mehren, empfahl, ist schon früher gesagt worden. Cato, aus dem Geschlecht der Porcier, nahm sich in allem seinen berühmten Vorfahren zum Vorbild, übertraf ihn aber durch seinen Eifer für griechische Bildung. 2 Immer nur auf das Wohl des Volkes bedacht, bewunderte er niemanden, liebte das Volk über alles, sah und hasste in jedem hervorstechenden Talent einen Feind der Freiheit und war allem, was das Volk berührte, aus Mitleid für dessen Schwäche eifrig zugetan. 3 Ein Volksfreund wie keiner, verfocht er das Recht sogar mit Gefahr für sich selbst, ganz freimütig. All dies tat er nicht, um Macht, Ruhm oder Ehre zu erlangen, sondern einzig, um die Freiheit im Staat vor der Willkür Einzelner zu bewahren. 4 Mit diesen Grundsätzen trat er damals zum ersten Mal auf und bekämpfte die Volksbeschlüsse, nicht aus Feindschaft gegen Pompeius, sondern weil sie gegen die Gesetze der Väter waren.
(23) Die erwähnten Rechte wurden dem abwesenden Pompeius zugesprochen. Als er kam, erhielt er nichts mehr. Doch hätte man ihm noch mehr gegeben, wenn er es begehrt hätte. Wenigstens wurde anderen, die weniger mächtig waren als er, oft viel und übertriebene Ehre zuerkannt. Dass man es aber nicht mit gutem Willen tat, ist unverkennbar. 2 Pompeius also, überzeugt, dass alles, was das Volk den Großen selbst mit dem besten Willen gibt, den Verdacht errege, es sei durch den Einfluss der Mächtigen abgerungen und dem Empfänger als eine Gabe nicht des freien Willens, sondern des Zwangs, nicht des Wohlwollens, sondern der Schmeichelei, [und insofern] wenig Ehre bringe, verbot seinen Leuten gleich zu Anfang, eine Ehrenbezeichnung für ihn vorzuschlagen. 3 Dies, so meinte er, sei immer noch besser, als das Zuerkannte nicht anzunehmen. Das eine erzeuge Hass wegen der Übermacht, die es durchgesetzt hat, und wenn man es ausschlage, da es doch als Geschenk von Männern sei, die sich, wo nicht für mehr, wenigstens für gleichberechtigt halten, so werde dies als Geringschätzung und Übermut ausgelegt, während man im anderen Fall den Namen eines anspruchslosen Bürgers nicht zum Schein, sondern durch die Tat erwerbe. 4 Er hatte fast all seine Ehrenstellen und Oberbefehle gegen die Vorschrift der bestehenden Gesetze erhalten und verzichtete gerne auf solche, die weder ihm noch anderen etwas halfen, sondern ihm den Hass und den Neid selbst der Geber zuzogen. Dies geschah jedoch erst in der späteren Zeit.
(24) Den Rest des Jahres hatten die Römer überall Frieden, sodass man nach langer Zeit die Vogelschau des Heils wieder vornehmen konnte. Dies ist eine Art Anfrage bei dem Gott, ob er gestatte, um Heil für das Volk zu flehen. Denn selbst die Bitte, bevor sie erlaubt wäre, hielt man für Sünde. 2 Für diese Feierlichkeit war jährlich ein Tag angesetzt, an welchem kein Heer zu Felde ging noch sich zur Schlacht stellte oder sie schlug. Daher unterblieb sie in den unaufhörlichen Bürgerkriegen. Ohnedies war es den Römern schwer, einen von all diesen Hindernissen freien Tag auszuscheiden, 3 auch wäre es höchst widersinnig gewesen, zu einer Zeit, wo sie bei den inneren Unruhen einander freiwillig unsäglichen Schaden zufügten und besiegt oder als Sieger, zu Schaden kamen, die Götter noch um Glück anzuflehen.
(25) Jetzt glaubte man allerdings jene Vogelschau halten zu dürfen; jedoch fiel sie nicht rein aus. Die Vögel flogen von unrechter Seite,99 und man musste sie wiederholen. Auch andere ungünstige Vorzeichen ergaben sich. 2 Es blitzte mehrmals bei heiterem Himmel, heftige Erdstöße folgten, Menschengestalten wandelten an vielen Orten in der Luft und feurige Strahlen schossen von Westen auf, sodass jeder, selbst der Laie, mit bangen Erwartungen auf die Zukunft blickte. 3 Die Volkstribunen verbündeten sich mit dem ihnen völlig gleich gesinnten Konsul Antonius. Der eine wollte die Söhne der von Sulla Verbannten wieder zu den Staatsämtern zulassen, der andere dem mit ihm (der Bestechung) überführten Publius Paetus und Cornelius Sulla wieder den Zutritt in den Senat und zu den Magistraten eröffnen. 4 Der eine schlug Nachlass der Schulden, der andere Verteilung der Grundstücke in Italien und den Provinzen vor. Cicero und andere ihm gleich gesinnte Männer entdeckten und vereitelten noch zeitig genug diese ihre Anschläge, bevor sie etwas durchführen konnten.
(26) Titus Labienus aber, welcher den Gaius Rabirius der Ermordung des Saturninus angeklagt hatte, erregte vielfache Unruhen. Saturninus war nämlich schon seit 36 Jahren tot, und die Konsuln hatten damals vom Senat den Auftrag erhalten, wider ihn mit bewaffneter Hand einzuschreiten. 2 Der Senat sollte nun durch jenen Spruch alle Beschlussrechte verlieren, wodurch der ganze Staat in Verwirrung geriet. Rabirius gestand die Ermordung nicht, sondern leugnete. Die Volkstribune wollten dem Senat alle Macht und alles Ansehen entziehen und sich volle Willkür sichern. 3 Denn dadurch, dass sie Beschlüsse und Maßregeln des Senats von so vielen Jahren her in Untersuchung nahmen, wurden andere aufgefordert, dasselbe wie jener ungestraft oder gegen mäßige Buße zu verüben. Der Senat hielt es schon für höchst ungerecht, dass ein Mann aus seiner Mitte, der nichts verbrochen hatte, in hohem Alter verurteilt werden sollte; noch weit mehr aber empörte ihn, dass der erste Stand im Staate so entehrt und die Leitung der Staatsangelegenheiten den schlechtesten Menschen in die Hände gegeben werden sollte.
(27) Stürmische Umtriebe und Kämpfe der Parteien erfolgten, erst für oder gegen die Zuweisung der Sache vor die Richter. Als erstere Meinung, von Caesar und anderen unterstützt, durchdrang, handelte es sich um die Klage selbst. 2 Seine Richter, und unter diesen er und Lucius Caesar, erklärten denselben (und die Klage betraf nichts Geringeres als Hochverrat) für schuldig, obgleich sie nicht von dem Volk nach den Gesetzen, sondern in gesetzwidriger Weise von dem Prätor selbst gewählt worden waren. 3 Rabirius appellierte an das Volk, wäre aber auch bei diesem verurteilt worden, wenn nicht Metellus Celer, damals Augur und Prätor, es verhindert hätte. Denn da sie nicht hören und das Gesetzwidrige des Urteilsspruchs nicht anerkennen wollten, lief er nach dem Ianiculum und nahm die Kriegsfahne ab, sodass sie nichts mehr entscheiden konnten.
(28) Mit dieser Fahne hat es folgende Bewandtnis: Weil vor alten Zeiten noch viele feindliche Völker um die Stadt her wohnten, fürchtete man, sie möchten, während das Volk in Zenturien versammelt wäre, das Ianiculum besetzen und die Stadt angreifen, und verordnete, dass nicht alle zugleich abstimmen, sondern immer einige abwechselnd diesen Platz besetzt halten sollten. 2 So lange nun die Versammlung dauerte, wachte man dort; wenn sie aber auseinanderzugehen im Begriff war, nahm man die Fahne ab und die Wächter zerstreuten sich. Sobald dieser Posten nicht mehr bewacht war, durfte nichts weiter vorgenommen werden. 3 Dies geschah jedoch nur bei Zenturiatkomitien, weil sie außerhalb der Mauern100 gehalten wurden und alle waffenfähigen Römer zugegen sein mussten. Auch noch jetzt hält man dies, dem alten Gebrauch zu Ehren, ein. 4 Es löste sich also damals auf die Abnahme der Fahne die Versammlung auf, und Rabirius war gerettet. Zwar hätte Labienus die Sache noch einmal vor Gericht bringen können, er tat es aber nicht.
(29) Catilina verlor auf folgende Art und aus folgenden