Der Kaiser. Geoffrey Parker
Читать онлайн книгу.fällig wurden, sowie mehr als 70 000 Gulden jährlich in Pensionen, dazu diverse Wandteppiche, Gold, Silber und andere Bestechungsgaben. Jedoch hatte Maximilians Plan einen entscheidenden Fehler – denn man nannte ihn zwar gemeinhin »Kaiser«, er hatte sich jedoch nie vom Papst zum Kaiser krönen lassen und war also eigentlich noch immer »nur« römisch-deutscher König. Wie ein französischer Gesandter mit kaum verhohlener Schadenfreude anmerkte, »kann nun keine Wahl stattfinden, bevor er nicht selbst [zum Kaiser] gekrönt worden ist«. Doch wenngleich Maximilian und Karl keine Zeit mehr verloren und alles daransetzten, dieses Versäumnis noch zu beheben, indem sie versuchten, den Papst zu einer Krönungszeremonie in Trient gleich hinter der italienischen Grenze zu bewegen, war es dafür schon zu spät. Am 12. Januar 1519 starb Maximilian.45
»Die Lage hier ist nun eine gänzlich andere«, bemerkte einer von Karls Gesandten bekümmert, als er kurz nach Maximilians Tod von seinem deutschen Posten einen Brief an Margarete schrieb: Der Verstorbene »wusste, wie man eine Entscheidung fällt, er wurde geliebt und gefürchtet zugleich«, Karl dagegen sei »weit weg und in Deutschland so gut wie unbekannt«. Außerdem »haben die Franzosen viele üble Dinge über ihn verbreitet«. Doch üble Nachrede war nicht ihr einziges Geschäft. Sobald er von Maximilians Tod erfuhr, sandte König Franz einen Sonderbotschafter aus, der den pfälzischen Kurfürsten daran erinnern sollte, dass der neue Kaiser in der Lage sein musste, das römisch-deutsche Reich vor einem möglichen Angriff der Osmanen zu schützen. In diesem Zusammenhang sollte er dem Kurfürsten Karls »Unerfahrenheit und schlechte Gesundheit« im Gegensatz zu Franz’ eigener »Stärke, Wohlhabenheit, Waffenliebe, Expertise und Kriegserfahrung« vor Augen führen. Zunutze machen sollte der Gesandte sich auch »die Schmach, die der Katholische König [dem Bruder des Kurfürsten] Friedrich zugefügt hatte, indem er ihn von seinem Hof verstieß und ihm die Ehe mit seiner Schwester [Eleonore] verweigerte, obgleich diese ihn sehr gern geheiratet hätte«. Zugleich begann Franz schon einmal mit den militärischen Vorbereitungen, denn, wie er seinen Agenten in Deutschland in Erinnerung rief, »wenn man in Zeiten wie diesen etwas wirklich will – sei es die Papst- oder die Kaiserkrone oder irgendetwas anderes –, bekommt man es nur, wenn man dazu Gewalt oder Bestechung einsetzt«. Kurz darauf versprach der Papst dem französischen König seine Unterstützung bei der bevorstehenden Wahl.46
Mitte Februar 1519 kamen Margarete und ihr niederländischer Beraterkreis schweren Herzens zu dem Schluss, dass nach Lage der Dinge sich wohl Franz bei der Wahl durchsetzen würde, weshalb sie Karl eine radikal andere Strategie vorschlugen: Er sollte seinen eigenen Anspruch auf die römisch-deutsche Königswürde aufgeben und stattdessen dafür sorgen, dass sein Bruder Ferdinand gewählt würde. Der befand sich gegenwärtig in den Niederlanden und konnte ohne großen Aufwand in das Reich reisen, wo er sowohl die Kontrolle über die habsburgischen Erblande sichern als auch persönlich mit den Kurfürsten verhandeln sollte. Außerdem sollte Karl einen geeigneten deutschen Fürsten als Kompromisskandidaten benennen, etwa den Pfalzgrafen Friedrich, für den Fall, dass die Kurfürsten die erneute Wahl eines Habsburgers kategorisch ablehnen sollten. Margarete und ihre Ratgeber teilten Karl mit, dass sie ihren Plan in die Tat umsetzen würden, sollten sie von ihm nicht bis zum 13. März – also gerade einmal drei Wochen später – etwas Gegenteiliges gehört haben.47
Die sperrige Gesamterbmasse der Häuser Österreich, Burgund und Trastámara zwischen den beiden Enkelsöhnen Maximilians aufzuteilen, erschien nur vernünftig, und so sollte Karl schließlich in das Vorhaben einwilligen. 1519 allerdings rief der Vorschlag noch die wütende Zurückweisung und Misbilligung des jungen Herrschers hervor, die er per Brief und mittels eines Sonderbotschafters in die Niederlande übermittelte. Karl bekräftigte, er sei »ganz und gar entschlossen, keine Kosten und Mühen zu scheuen, um unsere Wahl zu sichern, welche wir begehren wie nichts anderes auf der Welt«. Nicht nur sei er Maximilians »ältester Enkelsohn, sondern auch derjenige, den [Maximilian] selbst erkoren hat«, sein Nachfolger zu werden. Wenn er seine Kandidatur jetzt zurückzöge, fuhr Karl fort, würde er »nicht nur das Reich verwirken, sondern auch unsere Ehre sowie all das Geld, das wir bereits ausgegeben haben«. Außerdem machte er geltend, dass eine Erbteilung zwischen ihm und seinem Bruder »es leichter machen würde, unsere vereinte Stärke auseinanderzubrechen und unser Haus ganz zu zerschlagen«, denn ohne einen direkten Zugang zu den Ressourcen Spaniens und der Niederlande wäre Ferdinand nicht in der Lage, sich gegebenenfalls zu verteidigen. Karl spekulierte sogar darüber, dass die Personen, die die Teilung vorgeschlagen hatten, »dieselben Leute sind, die schon früher versucht haben, Zwietracht zwischen dem König von Aragón und meinem Vater [Philipp] zu säen, später dann auch mir selbst Steine in den Weg gelegt haben und die nun ewigen Streit und Entzweiung zwischen mich und meinen Bruder bringen wollen«. Zu guter Letzt fand er, da selbst die besten Eilboten die immense Entfernung zwischen Spanien und den Niederlanden nur selten in weniger als zwei Wochen zurückzulegen vermochten, die von Margarete bis zur eigenmächtigen Umsetzung ihrer Initiative gesetzte Frist von nur drei Wochen eine absolute Unverschämtheit.48 Karl machte seinem Ärger noch anderweitig Luft, wie aus Margaretes Bemerkung hervorgeht: »Er ist weiß Gott verärgert über das, was wir ihm geraten haben, den persönlichen Briefen nach zu urteilen, die er mir seitdem geschrieben hat« (und die heute offenbar verloren sind). Karls eigenhändiger Nachtrag zu einem anderen Brief an seine Tante enthielt die folgende Drohung: »Tut, was ich Euch gerade aufgetragen habe, denn andernfalls würdet Ihr mich verärgern.«49 Der König erkannte dennoch, dass er seinem Bruder gut zureden und ihn beschwichtigen musste, und machte daher zwei entscheidende Zugeständnisse: Nach seiner Wahl zum König der Römer, versprach er, würde er zumindest einen Teil der österreichischen Erblande an Ferdinand abtreten; und »sobald wir zum Kaiser gekrönt worden sind, können wir leicht und ohne jede Gefahr dafür sorgen, dass [Ferdinand] zum römischen König gewählt werde, sodass das Reich auf ewig in der Hand unseres Hauses verbleibt«.50
Margaretes Antwort auf die wütenden Anschuldigungen ihres Neffen war betont kühl: »Wir sehen überhaupt nur zwei Wege, auf denen Ihr in dieser Wahl zu Erfolg kommen könnt. Erstens durch Geld«, da jeder der Kurfürsten inzwischen sehr viel mehr für seine Stimme verlangte, als Maximilian ihnen in Augsburg hatte bieten können. »Der zweite Weg, Sire, ist der Weg der Stärke« – womit die Mobilisierung von Truppen in den Niederlanden und in Spanien gemeint war, um einer bewaffneten Intervention Frankreichs abschreckend vorzubeugen, aber auch in den deutschen Territorien, um die Kurfürsten einzuschüchtern. Auch eine solche Mobilisierung würde natürlich Geld kosten. So oder so, fuhr Margarete fort: Da zur Erlangung der Kaiserwürde »Ihr keine Kosten und Mühen scheuen wolltet [Hören wir da einen Hauch von Sarkasmus?], müsst Ihr Euren Gesandten freie Hand geben, mehr als die bisher versprochenen Summen zu bieten und zu zahlen, ganz abhängig davon, welche Situation sie vorfinden … und zwar ohne die Verpflichtung, eine jede Entscheidung an Eure Majestät weiterzuleiten, da die lange Wartezeit auf Eure Antwort Schaden anrichten könnte«. Insbesondere bestand Margarete darauf, dass Karl den reichsten Bankier Europas, Jakob Fugger aus Augsburg, ermächtigen solle, für sämtliche von seinen Unterhändlern eingegangenen Verpflichtungen zu bürgen. Nur so lasse sich »die Verschwendungssucht der Franzosen in dieser Sache, die schlicht unglaublich ist«, noch übertreffen. Als ihr Neffe vergebens protestierte, das sei aber »ein sehr kostspieliges Pferd, das er da reiten solle«, schmetterte sie zurück: »Uns ist der Preis jenes Pferdes durchaus bewusst; nur ist es die Art von Pferd, bei der, wenn Ihr es nicht haben wollt, ein anderer Käufer schon bereitsteht.«51
Dieser Logik seiner Tante hatte Karl nichts entgegenzusetzen, und so bevollmächtigte er im Mai 1519 widerstrebend seinen Vertrauten Heinrich von Nassau, jegliche Zahlungen zu leisten, die Margarete zwecks einer Verbesserung seiner Wahlchancen für angebracht hielt, und er bat Fugger, für die betreffenden Summen zu bürgen. Außerdem untersagte er allen niederländischen Bankiers, während der nächsten sechs Monate Kredit in das Ausland zu vergeben oder Gelder außer Landes zu transferieren, es sei denn, Margarete hatte dem ausdrücklich zugestimmt. Und Karl begann eine Charmeoffensive, indem er eigenhändig und mühsam, Schriftzeichen für Schriftzeichen, Freundschaftsbekundungen in deutscher Sprache an jeden einzelnen Kurfürsten abschrieb (Abb. 10).52 Ihm war auch klar, dass er mit dem Bruder des pfälzischen Kurfürsten würde Frieden schließen müssen. Louis Maroton zufolge, der als Karls Agent für die Durchführung der besagten Charmeoffensive verantwortlich zeichnete, hatte Friedrich »gehört,