Der Kaiser. Geoffrey Parker

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Der Kaiser - Geoffrey  Parker


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ergreifen, die nicht zu seinem Vorteil wären.‹« Einen Monat später wiederholte Friedrich seine Drohung: Wenngleich er Maroton versicherte, dass er sich für die Wahl Karls einsetzen wolle, »hänge dies jedoch ganz davon ab, dass die ihm gemachten Versprechungen gehalten würden; und er verlangte eine feste Zusicherung in dieser Sache, indem er mir die rohe Behandlung (rude traictement) in Erinnerung rief, die ihm schon einmal zuteilgeworden war«. Friedrich schrieb auch direkt an Margarete und versicherte ihr, er werde sein Bestes tun, um Karls Wahlerfolg zu gewährleisten, »es sei denn, jemand böte mir Grund zu einer Sinnesänderung«. Seinen eigenhändigen Brief beschloss er sicher nicht ohne Grund mit der Bitte an Margarete, »meinen lästigen Brief nicht allzu schwer zu nehmen« – das erinnerte sehr an die Worte, mit denen er zwei Jahre zuvor seinen letzten Liebesbrief an Eleonore beschlossen hatte. Karl musste seinen Stolz hinunterschlucken: Er schrieb »zwei artige und liebenswürdige Briefe mit meiner eigenen Hand«, um Friedrich seiner Zuneigung zu versichern, sorgte dafür, dass der Pfalzgraf seine üppige Pension wie zuvor bezog, und versprach ihm weitere Belohnungen für die Zeit nach der Wahl.53

      Auch um andere wichtige Unterstützer im Reich bemühte sich Karl, darunter Jakob Fugger, der Karl nicht nur von anderen Bankiers ausgestellte Kreditbriefe auszahlte und dem König beinahe 550 000 Gulden aus seiner eigenen Schatulle lieh, sondern sich im umgekehrten Fall weigerte, aus Frankreich erhaltene Kreditbriefe einzulösen. Aus seiner Haltung machte Fugger keinen Hehl. Im Februar 1519 schrieb er eine eigenhändige Nachricht an den brandenburgischen Kurfürsten, worin er diesem mitteilte, gerade sei ein Kreditbrief von Karl eingegangen, »aus dem ich Anweisung habe, Euer Gnaden 100 000 Gulden zu zahlen«. Er legte Abschriften von Briefen aus Spanien bei, in denen die Vorbereitungen für die Hochzeit von Karls Schwester Catalina mit dem Sohn des Brandenburgers beschrieben wurden.54

      Zweifellos trugen die beträchtlichen Schulden, die Maximilian bis zu seinem Tod bei Jakob Fugger angehäuft hatte und die allein ein König von Spanien je würde begleichen können, zu Fuggers Entscheidung bei, sich mit all seinem Einfluss für Karl als Kandidaten einzusetzen. Aber er unterstützte Karl wohl auch aus Furcht vor dem, was Franz I. im Fall seiner Wahl womöglich tun würde. Damit war der Augsburger nicht allein. Im März 1519 flehte der Mainzer Kurfürst seinen Bruder, den Kurfürsten von Brandenburg, an, »in dieser Angelegenheit doch auch einmal die Ehre des Reiches in Betracht zu ziehen, Eure eigene Ehre, die Ehre unseres Hauses sowie der ganzen deutschen Nation« – denn sollten die Franzosen siegen, »dann werden sie sich nach Kräften bemühen, sich alles und jedermann untertan zu machen als Herren und Herrscher auf ewig«. Ein paar Tage später erklärte ein Vertreter des rheinischen Adels: »Wir werden restlos alles geben, bis zum letzten Blutstropfen, um einen französischen Erfolg zu verhindern.« Und Margarete tat ihrerseits alles, um noch Öl in dieses Feuer zu gießen. So schrieb sie ihrem Agenten in Deutschland: »Ich bin hocherfreut darüber, dass sich jedermann dort gegen die Franzosen erklärt, und ich bitte Euch, alle möglichen Wege zu finden, diese Abneigung noch zu verstärken, sei es durch Prediger oder Stadtobere oder auf irgendeine andere Weise.« Und tatsächlich wurde König Franz in zahlreichen (auch gedruckten) Predigten und bebilderten Einblattdrucken dämonisiert und die »Knechtschaft« seiner Untertanen in den schrecklichsten Farben ausgemalt, die Freiheit und »Libertät« unter der Herrschaft der Habsburger jedoch gepriesen.55

      Dennoch war für viele die Gier zum hauptsächlichen, wenn auch nicht einzigen Motivationsfaktor geworden. Wie ein französischer Diplomat im Reich bemerkte: »Die Sache ist an einen Punkt gelangt, wo derjenige der beiden Könige sie für sich entscheiden wird, der am meisten gibt und verspricht.« Der Mainzer Kurfürst wechselte in den zwei Jahren, die der Wahl vorausgingen, sage und schreibe sechsmal die Seiten – und Anlass war jedes Mal, dass man ihm eine noch größere Geldsumme versprochen hatte.56

      Angesichts einer solchen Blüte der Korruption wurde Karl ganz philosophisch zumute. Im Mai 1519 teilte er Margarete mit, dass, »da der Wahltag uns nun bald bevorsteht, wir uns ganz Gott anempfehlen müssen – und abwarten und schauen müssen, was Er entscheiden wird, wobei wir natürlich immer weiter danach streben werden, unser Bestes zu geben« – ein Reflex jener stoischen Werte, die man ihm einst an ihrem Hof in Mecheln nahegebracht hatte. Auch zeigte Karl sich zunehmend kriegerischer, warb ein Söldnerheer an und befahl, dass dieses nahe Frankfurt sein Lager aufschlagen solle – der Stadt, in der die Kurfürsten zur Wahl schreiten würden. Mit diesem Zusammenspiel von Zuckerbrot und Peitsche sollte Karl schließlich erfolgreich sein: Am 28. Juni 1519 wählten ihn die sieben Kurfürsten einstimmig zum neuen rex Romanorum.57

      Planen für das Reich

      War es das alles wert gewesen? Wie der Botschafter Heinrichs VIII. im Reich ermittelte, hatte Karl alles in allem rund 1,5 Million Gulden in bar bezahlt – darin eingeschlossen 500 000 Gulden, die den Kurfürsten und ihren Beratern im Gegenzug für die nötigen Wahlstimmen gezahlt wurden. (Der pfälzische Kurfürst schnitt dabei am besten ab: Er erhielt 147 000 Gulden, sein Bruder Friedrich noch einmal 37 108.) Dazu kamen noch üppige Pensionszahlungen und für die Zukunft versprochene Geschenke, ferner über 250 000 Gulden für die Anwerbung der kaiserlichen Truppen, die bei Frankfurt in Stellung gebracht wurden, und so weiter und so weiter.58 Das waren immense Summen, und sie sollten erst der Anfang sein: Gerade seine erfolgreiche Wahl zwang Karl dazu, im Reich noch sehr viel mehr Geld zur Abwehr von äußeren – Türken und Franzosen – wie inneren Feinden – den lutherischen Reichsständen – aufzuwenden. Dennoch sollte sich der Wahlsieg von 1519 als eine ausgezeichnete Investition erweisen. Auf lange Sicht sicherte er dem Haus Habsburg die Kaiserwürde über volle vier Jahrhunderte hinweg. Aber selbst auf kurze Sicht schien für Karl und viele seiner Zeitgenossen klar, dass – was immer der Sieg gekostet hatte – es das Haus Habsburg sehr viel teurer zu stehen kommen würde, die Wahl zu verlieren. Unmittelbar nach dem Tod Maximilians malte der englische Botschafter in den Niederlanden, Thomas Spinelly, detailliert aus, was für eine Kaskade von Katastrophen auf die Wahl eines anderen Kandidaten als Karl folgen würde. Sollte Karl Franz unterliegen, sagte Spinelly voraus, »wird ihm der größte Verdruss und Schaden entstehen«. Inbesondere die Herzöge von Bayern würden sich in Anbetracht der »uralten und neueren Händel, die sie mit Österreich haben«, gegen sie stellen. Auch die Eidgenossen, die Venezianer sowie »alle seine anderen Nachbarn und Anrainer werden – ob aus eigenem Antrieb oder auf Aufstiftung von außen – einen ähnlichen Weg einschlagen, sodass der erste Verlust noch viele weitere nach sich ziehen wird«. Außerdem würde Franz, sollte er Kaiser werden, nicht nur seine jüngsten Eroberungen in Italien einbehalten können, sondern früher oder später vielleicht auch noch Neapel, ja Österreich und sogar die Niederlande für sich gewinnen, wohingegen Karl niemals die burgundischen Territorien zurückerlangen könnte, welche die Seinen vierzig Jahre zuvor an Frankreich verloren hatten. Kurz gesagt: »Im Ausgang dieser Wahl besteht sein ganzes Gedeihen oder jedoch – sollte sie schlecht für ihn ausgehen – sein [Untergang].«59 Der Großkanzler Mercurino Arborio de Gattinara stimmte dem zu. Seiner Autobiografie zufolge hatten manche Minister Karl aufgefordert, seinen Anspruch auf die Kaiserwürde ganz aufzugeben, indem sie »klagten, die Wahl werde seinen Königreichen und Ländern in Zukunft mehr Schaden als Nutzen bringen«, aber der Kanzler belehrte sie rasch eines Besseren:

      »Unter dem Schirm des Kaisertitels würde [Karl] nicht allein seinen eigenen, ererbten Ländern und Königreichen dienen, sondern er könnte noch mehr und größere gewinnen, sein Reich ausdehnen und erweitern, bis es die Alleinherrschaft über die gesamte Welt umfasste. Wenn er ihn jedoch ablehnte, dann könnte dieses Reich den Franzosen zufallen … [und dann] wäre Karl nicht einmal imstande, seine eigenen Erblande in Österreich und Burgund sich zu sichern, ja nicht einmal die Königreiche von Spanien selbst.«

      » Karl war es beschieden, ein reiches Erbe anzutreten: Die habsburgischen Erblande im östlichen Mitteleuropa vermachte ihm sein Großvater väterlicherseits, Kaiser Maximilian. Die Niederlande und die Freigrafschaft Burgund (Franche-Comté) erbte er von seiner Großmutter väterlicherseits, Maria von Burgund. Kastilien mitsamt seinen Besitzungen in der Neuen Welt war das Erbe seiner Großmutter mütterlicherseits, Isabella. Navarra, Aragón sowie dessen Vorposten im Mittelmeer stammten von seinem Großvater mütterlicherseits, Ferdinand (auch wenn Karl sich die Herrschaft über Kastilien und Aragón nominell bis zu ihrem Tod im Jahr 1555 mit


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