David Copperfield. Charles Dickens

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David Copperfield - Charles Dickens


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die mit dem Strumpf über­zo­ge­ne Faust ge­stützt und blick­te stumm ins Feu­er.

      »Also, lie­be Peg­got­ty«, sag­te mei­ne Mut­ter mit plötz­lich ganz ver­än­der­tem Ton, »sei­en wir wie­der gut, denn ich könn­te es nicht aus­hal­ten.«

      »Ich weiß ja, du bist mei­ne treues­te Freun­din, wenn ich auf der Welt über­haupt noch eine an­de­re habe. Wenn ich dich ein ein­fäl­ti­ges oder al­ber­nes Ding nann­te, Peg­got­ty, woll­te ich da­mit nur sa­gen, dass du mei­ne treues­te Freun­din bist und warst, schon von je­nem Abend an, als Mr. Cop­per­field mich zu­erst hier­her­brach­te und du mir an der Gar­ten­tü­re ent­ge­gen­kamst.«

      Peg­got­ty ließ mit der Ant­wort nicht auf sich war­ten und be­sie­gel­te den Ver­trag, in­dem sie mich mit ei­ner ih­rer kräf­tigs­ten Umar­mun­gen be­glück­te.

      Ich glau­be, ich hat­te da­mals schon eine lei­se Ah­nung von dem wah­ren Sinn die­ser Un­ter­hal­tung. Heu­te weiß ich ganz ge­nau, dass die gute Per­son das Ge­spräch nur ver­an­lass­te, um mei­ner Mut­ter durch klei­ne Wi­der­sprü­che eine ge­wis­se Er­leich­te­rung zu ver­schaf­fen. Die Wir­kung war sicht­lich, denn wie ich mich noch er­in­ne­re, schi­en mei­ne Mut­ter den gan­zen üb­ri­gen Tag viel hei­te­rer und Peg­got­ty brauch­te sie nicht mehr so sor­gen­voll an­zu­se­hen.

      Nach­dem wir Tee ge­trun­ken, das Feu­er ge­schürt und die Ker­zen ge­putzt hat­ten, las ich Peg­got­ty zur Erin­ne­rung an alte Zei­ten ein Ka­pi­tel aus dem Kro­ko­dil­buch vor, – sie hat­te es aus der Ta­sche ge­zo­gen. Ob sie es im­mer dar­in ge­tra­gen hat­te? – Und dann spra­chen wir von Sa­lem­haus, was mich wie­der auf Steer­forth brach­te, mein Lieb­lings­the­ma. Wir fühl­ten uns alle sehr glück­lich, und die­ser Abend, der letz­te in sei­ner Art und be­stimmt, die­sen Band mei­nes Le­bens für im­mer zu schlie­ßen, wird nie aus mei­nem Ge­dächt­nis ent­schwin­den.

      Es war fast zehn Uhr, als wir drau­ßen einen Wa­gen hal­ten hör­ten. Wir stan­den alle auf und mei­ne Mut­ter sag­te has­tig, Mr. und Miss Murd­sto­ne sä­hen es ger­ne, wenn jun­ge Leu­te früh zu Bett gin­gen, und es sei schon spät. Ich küss­te sie und ging so­gleich mit mei­ner Ker­ze hin­auf. Mir war, als ob mit den bei­den ein er­kal­ten­der Luft­hauch in das Haus käme und das alte, hei­mi­sche, trau­te Ge­fühl wie eine Fe­der da­von­blie­se.

      Ich fühl­te mich sehr un­be­hag­lich am nächs­ten Mor­gen, als ich zum Früh­stück hin­un­ter­ge­hen muss­te. Hat­te ich doch Mr. Murd­sto­ne seit je­nem Tag, als ich das große Ver­bre­chen an ihm be­gan­gen, nicht wei­ter ge­se­hen. Aber ein­mal muss­te es ge­sche­hen, und ich er­reich­te die Stu­ben­tür, nach­dem ich zwei- bis drei­mal auf den Fuß­spit­zen wie­der um­ge­kehrt war. End­lich trat ich ins Zim­mer.

      Er stand mit dem Rücken zum Ka­min, wäh­rend Miss Murd­sto­ne den Tee be­rei­te­te. Er sah mich durch­drin­gend an, als ich ein­trat, gab aber kein Er­ken­nungs­zei­chen von sich. Nach ei­ni­gen Au­gen­bli­cken der Ver­wir­rung ging ich auf ihn zu und sag­te: »Ich bit­te Sie um Ver­zei­hung, Sir. Was ich ge­tan habe, tut mir au­ßer­or­dent­lich leid, und ich hof­fe, dass Sie es mir ver­ge­ben.«

      »Es freut mich, dass es dir leid tut, Da­vid«, ant­wor­te­te er.

      Die Hand, die er mir reich­te, war die, die ich ge­bis­sen hat­te.

      Ich konn­te mir nicht hel­fen, ich muss­te die rote Nar­be eine Zeit lang an­se­hen. Aber sie war nicht so rot wie ich, als ich sei­nem falschen Blick be­geg­ne­te.

      »Wie be­fin­den Sie sich, Ma’am«, sag­te ich zu Miss Murd­sto­ne.

      »Ach mein Gott!« seufz­te Miss Murd­sto­ne und reich­te mir den Tee­löf­fel statt ih­res Fin­gers. »Wie lang dau­ern die Fe­ri­en?«

      »Ei­nen Mo­nat, Ma’am.«

      »Von wann an?«

      »Von heu­te an, Ma’am.«

      »Na«, sag­te Miss Murd­sto­ne. »Das wäre ja schon ein Tag we­ni­ger.«

      Sie führ­te in die­ser Art einen Fe­ri­en­ka­len­der und strich an je­dem Mor­gen einen Tag. An­fangs schnitt sie ein be­trüb­tes Ge­sicht, so­lan­ge sie noch nicht beim zehn­ten war, aber ihre Mie­nen hell­ten sich auf, als die zwei­stel­li­gen Zah­len er­reicht wa­ren, und wur­den umso hei­te­rer, je nä­her das Ende her­an­rück­te.

      Schon am ers­ten Tag hat­te ich das Un­glück, sie in einen Zu­stand größ­ter Auf­re­gung zu ver­set­zen, trotz­dem sie sol­chen Schwä­chen sonst nicht un­ter­wor­fen war. Ich kam näm­lich in das Zim­mer, wo sie und mei­ne Mut­ter sa­ßen, und da der Säug­ling, der erst ein paar Wo­chen alt, auf mei­ner Mut­ter Schoß lag, nahm ich ihn höchst sorg­sam in mei­ne Arme.

      Plötz­lich stieß Miss Murd­sto­ne einen sol­chen Schrei aus, dass ich ihn fast hät­te fal­len las­sen.

      »Lie­be Jane!« fuhr mei­ne Mut­ter auf.

      »Gott im Him­mel, Kla­ra! Siehst du nicht?« rief Miss Murd­sto­ne aus.

      »Was denn, lie­be Jane«, frag­te mei­ne Mut­ter. »Wo denn?«

      »Er hat es!« rief Miss Murd­sto­ne. »Der Jun­ge hat das Baby.«

      Sie brach fast zu­sam­men vor Ent­set­zen, rich­te­te sich aber wie­der auf, um auf mich los­zu­stür­zen und mir das Kind zu ent­rei­ßen. Dann wur­de ihr so schlecht, dass man ihr Kirsch­brannt­wein ge­ben muss­te. Als sie sich wie­der er­holt hat­te, un­ter­sag­te sie mir auf das fei­er­lichs­te, mein Brü­der­chen je­mals wie­der, un­ter wel­chem Vor­wand im­mer, an­zu­rüh­ren, und mei­ne Mut­ter be­stä­tig­te de­mü­tig das Ver­bot, trotz­dem sie mir an­de­rer Mei­nung schi­en, und sag­te: »Du hast ge­wiss recht, lie­be Jane.«

      Wie­de­r­um bei ei­ner Ge­le­gen­heit, als wir bei­sam­men sa­ßen, war das Baby – ich hat­te es lieb mei­ner Mut­ter we­gen – wie­der die un­schul­di­ge Ur­sa­che, die Miss Murd­sto­ne in hef­tigs­te Er­re­gung ver­setz­te. Mei­ne Mut­ter sag­te näm­lich, nach­dem sie die Au­gen des Säug­lings in ih­rem Scho­ße lan­ge be­trach­tet hat­te: »Davy, komm ein­mal her und lass mich dei­ne Au­gen se­hen.«

      Ich be­merk­te, wie Miss Murd­sto­ne ihre Stahl­per­len hin­leg­te.

      »Also ich er­klä­re«, sag­te mei­ne Mut­ter sanft, »dass sie voll­kom­men gleich sind. Ich glau­be, es sind mei­ne Au­gen. Sie ha­ben die­sel­be Far­be wie mei­ne. Sie sind ein­an­der wun­der­bar gleich.«

      »Wo­von sprichst du, Kla­ra?« frag­te Miss Murd­sto­ne.

      »Lie­be Jane«, stam­mel­te mei­ne Mut­ter be­stürzt durch den her­ben Ton die­ser Fra­ge, »ich fin­de, dass das Baby und Davy ganz die­sel­ben Au­gen ha­ben.«

      »Kla­ra«, sag­te Miss Murd­sto­ne und stand zor­nig auf. »Manch­mal bist du ganz ver­rückt.«

      »Aber lie­be Jane«, re­mons­trier­te mei­ne Mut­ter.

      »Voll­stän­dig ver­rückt«, sag­te Miss Murd­sto­ne. »Wie könn­test du sonst mei­nes Bru­ders Kind mit dei­nem Jun­gen ver­glei­chen. Sie sind ein­an­der gar nicht ähn­lich. Sie sind ein­an­der voll­stän­dig un­ähn­lich. Un­ähn­lich in je­der Hin­sicht. Ich hof­fe, sie wer­den es im­mer blei­ben. Ich kann sol­che Ver­glei­che nicht ru­hig mit an­hö­ren.« Da­mit stol­zier­te sie hin­aus und pfef­fer­te die Tür hin­ter sich zu.

      Mit ei­nem Wort, ich stand


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