Sämtliche Werke von Shakespeare in einem Band: Zweisprachige Ausgabe (Deutsch-Englisch). William Shakespeare
Читать онлайн книгу.Hier ist der Himmel,
Wo Julia lebt, und jeder Hund und Katze
Und kleine Maus, das schlechteste Geschöpf,
Lebt hier im Himmel, darf ihr Antlitz sehn;
Doch Romeo darf nicht. Mehr Würdigkeit,
Mehr Ansehn, mehr gefällge Sitte lebt
In Fliegen als in Romeo. Sie dürfen
Das Wunderwerk der weißen Hand berühren
Und Himmelswonne rauben ihren Lippen,
Die sittsam in Vestalenunschuld stets
Erröten, gleich als wäre Sünd ihr Kuß.
Dies dürfen Fliegen tun, ich muß entfliehn;
Sie sind ein freies Volk, ich bin verbannt.
Und sagst du noch, Verbannung sei nicht Tod?
So hattest du kein Gift gemischt, kein Messer
Geschärft, kein schmählich Mittel schnellen Todes,
Als dies »Verbannt«, zu töten mich? Verbannt!
O Mönch! Verdammte sprechen in der Hölle
Dies Wort mit Heulen aus; hast du das Herz,
Da du ein heilger Mann, ein Beichtiger bist,
Ein Sündenlöser, mein erklärter Freund,
Mich zu zermalmen mit dem Wort Verbannung?
LORENZO
Du kindisch blöder Mann, hör doch ein Wort!
ROMEO
O du willst wieder von Verbannung sprechen!
LORENZO
Ich will dir eine Wehr dagegen leihn,
Der Trübsal süße Milch, Philosophie,
Um dich zu trösten, bist du gleich verbannt.
ROMEO
Und noch verbannt? Hängt die Philosophie!
Kann sie nicht schaffen eine Julia,
Aufheben eines Fürsten Urteilspruch,
Verpflanzen eine Stadt, so hilft sie nicht,
So taugt sie nicht, so rede länger nicht!
LORENZO
Nun seh ich wohl. Wahnsinnige sind taub.
ROMEO
Wärs anders möglich? Sind doch Weise blind.
LORENZO
Laß über deinen Fall mit dir mich rechten!
ROMEO
Du kannst von dem, was du nicht fühlst, nicht reden.
Wärst du so jung wie ich und Julia dein,
Vermählt seit einer Stund, erschlagen Tybalt,
Wie ich von Lieb entglüht, wie ich verbannt,
Dann möchtest du nur reden, möchtest nur
Das Haar dir raufen, dich zu Boden werfen
Wie ich und so dein künftges Grab dir messen.
[Er wirft sich an den Boden.] Man klopft draußen.
LORENZO
Steh auf, man klopft; verbirg dich, lieber Freund!
ROMEO
O nein, wo nicht des bangen Stöhnens Hauch
Gleich Nebeln mich vor Späheraugen schirmt.
Man klopft.
LORENZO
Horch, wie man klopft! - Wer da? - Fort, Romeo!
Man wird dich fangen. - Wartet doch ein Weilchen! -
Steh auf
Man klopft. und rett ins Lesezimmer dich! - [Man klopft.] Ja, ja! im Augenblick! - Gerechter Gott, Was für ein starrer Sinn! - Ich komm, ich komme: Man klopft. Wer klopft so stark? Wo kommt Ihr her? Was wollt Ihr?
WÄRTERIN
draußen. Laßt mich hinein, so sag ich Euch die Botschaft. Das Fräulein Julia schickt mich.
LORENZO
Seid willkommen!
Die Wärterin tritt herein.
WÄRTERIN
O heilger Herr, o sag mir, heilger Herr:
Des Fräuleins Liebster, Romeo, wo ist er?
LORENZO
Am Boden dort, von eignen Tränen trunken.
WÄRTERIN
Oh, es ergeht wie meiner Herrschaft ihm,
Ganz so wie ihr!
LORENZO
O Sympathie des Wehs!
Bedrängter Zustand!
WÄRTERIN
Gerade so liegt sie,
Winselnd und wehklagend, wehklagend und winselnd.
Steht auf, steht auf! Wenn Ihr ein Mann seid, steht!
Um Juliens willen, ihr zulieb, steht auf!
Wer wollte so sich niederwerfen lassen?
ROMEO
Gute Frau!
WÄRTERIN
Ach Herr, ach Herr! Im Tod ist alles aus.
ROMEO
Sprachst du von Julien? Wie stehts mit ihr?
Hält sie mich nicht für einen alten Mörder,
Da ich mit Blut, dem ihrigen so nah,
Die Kindheit unsrer Wonne schon befleckt?
Wo ist sie? Und was macht sie? Und was sagt
Von dem zerstörten Bund die kaum Verbundne?
WÄRTERIN
Ach Herr, sie sagt kein Wort, sie weint und weint.
Bald fällt sie auf ihr Bett, dann fährt sie auf,
Ruft: Tybalt! aus, schreit dann nach Romeo
Und fällt dann wieder hin.
ROMEO
Als ob der Name,
Aus tödlichem Geschütz auf sie gefeuert,
Sie mordete, wie sein unselger Arm
Den Vetter ihr gemordet. Sag mir, Mönch,
O sage mir: in welchem schnöden Teil
Beherbergt dies Gerippe meinen Namen?
Sag, daß ich den verhaßten Sitz verwüste.
Er zieht den Degen.
LORENZO
Halt ein die tolle Hand! Bist du ein Mann?
Dein Äußres ruft, du seist es, deine Tränen
Sind weibisch, deine wilden Taten zeugen
Von eines Tieres unvernünftger Wut.
Entartet Weib in äußrer Mannesart!
Entstelltes Tier, in beide nur verstellt!
Ich staun ob dir; bei meinem heilgen Orden,
Ich glaubte, dein Gemüt sei bessern Stoffs!
Erschlugst du Tybalt? Willst dich selbst erschlagen?
Auch deine Gattin, die in dir nur lebt,
Durch so verruchten Haß, an dir verübt?
Was schiltst du auf Geburt, auf Erd und Himmel?
In dir begegnen sie sich alle drei,
Die du auf einmal