Sämtliche Werke von Shakespeare in einem Band: Zweisprachige Ausgabe (Deutsch-Englisch). William Shakespeare

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Sämtliche Werke von Shakespeare in einem Band: Zweisprachige Ausgabe (Deutsch-Englisch) - William Shakespeare


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Gute Nacht! [Capulet und die Gräfin ab.] Alle ab.

      FÜNFTE SZENE

       Inhaltsverzeichnis

       Eine offene Galerie vor Juliens Zimmer mit Blick auf den Garten

       Romeo und Julia.

      JULIA

       Willst du schon gehn? Der Tag ist ja noch fern.

       Es war die Nachtigall und nicht die Lerche,

       Die eben jetzt dein banges Ohr durchdrang;

       Sie singt des Nachts auf dem Granatbaum dort.

       Glaub, Lieber, mir: es war die Nachtigall.

      ROMEO

       Die Lerche wars, die Tagverkünderin,

       Nicht Philomele; sieh den neidschen Streif,

       Der dort im Ost der Frühe Wolken säumt.

       Die Nacht hat ihre Kerzen ausgebrannt,

       Der muntre Tag erklimmt die dunstgen Höhn;

       Nur Eile rettet mich, Verzug ist Tod.

      JULIA

       Trau mir, das Licht ist nicht des Tages Licht,

       Die Sonne hauchte dieses Luftbild aus,

       Dein Fackelträger diese Nacht zu sein,

       Dir auf dem Weg nach Mantua zu leuchten.

       Drum bleibe noch; zu gehn ist noch nicht not.

      ROMEO

       Laß sie mich greifen, ja, laß sie mich töten!

       Ich gebe gern mich drein, wenn du es willst.

       Nein, jenes Grau ist nicht des Morgens Auge,

       Der bleiche Abglanz nur von Cynthias Stirn.

       Das ist auch nicht die Lerche, deren Schlag

       Hoch über uns des Himmels Wölbung trifft.

       Ich bleibe gern; zum Gehn bin ich verdrossen.

       Willkommen, Tod, hat Julia dich beschlossen! -

       Nun, Herz? Noch tagt es nicht, noch plaudern wir.

      JULIA

       Es tagt, es tagt! Auf, eile, fort von hier!

       Es ist die Lerche, die so heiser singt

       Und falsche Weisen, rauhen Mißton gurgelt.

       Man sagt, der Lerche Harmonie sei süß;

       Nicht diese: sie zerreißt die unsre ja.

       Die Lerche, sagt man, wechselt mit der Kröte

       Die Augen; möchte sie doch auch die Stimme!

       Die Stimm ists ja, die Arm aus Arm uns schreckt, Dich von mir jagt, da sie den Tag erweckt. Stets hell und heller wirds: wir müssen scheiden.

      ROMEO

       Hell? Dunkler stets und dunkler unsre Leiden!

       Die Wärterin kommt herein.

      WÄRTERIN

       Fräulein!

      JULIA

       Amme?

      WÄRTERIN

       Die gnädge Gräfin kommt in Eure Kammer;

       Seid auf der Hut; schon regt man sich im Haus.

       Wärterin ab.

      JULIA

       [das Fenster öffnend.] Tag, schein herein, und Leben, flieh hinaus!

      ROMEO

       Ich steig hinab; laß dich noch einmal küssen!

       Er steigt [aus dem Fenster] herab.

      JULIA

       [aus dem Fenster ihm nachsehend.] Freund! Gatte! Trauter! Bist du mir entrissen? Gib Nachricht jeden Tag, zu jeder Stunde; Schon die Minut enthält der Tage viel. Ach, so zu rechnen bin ich hoch in Jahren, Eh meinen Romeo ich wiederseh.

      ROMEO

       [außerhalb.] Leb wohl! Kein Mittel laß ich aus den Händen, Um dir, du Liebe, meinen Gruß zu senden.

      JULIA

       O denkst du, daß wir je uns wiedersehn?

      ROMEO

       Ich zweifle nicht, und all dies Leiden dient

       In Zukunft uns zu süßerem Geschwätz.

      JULIA

       O Gott, ich hab ein Unglück ahnend Herz,

       Mir deucht, ich säh dich, da du unten bist,

       Als lägst du tot in eines Grabes Tiefe.

       Mein Auge trügt mich, oder du bist bleich.

      ROMEO

       So, Liebe, scheinst du meinen Augen auch.

       Der Schmerz trinkt unser Blut. Leb wohl, leb wohl!

       Ab.

      JULIA

       O Glück, ein jeder nennt dich unbeständig;

       Wenn du es bist: was tust du mit dem Treuen?

       Sei unbeständig. Glück! Dann hältst du ihn

       Nicht lange, hoff ich, sendest ihn zurück.

      GRÄFIN CAPULET

       hinter der Szene. He, Tochter, bist du auf?

      JULIA

       Wer ruft mich? Ist es meine gnädge Mutter?

       Wacht sie so spät noch, oder schon so früh?

       Welch ungewohnter Anlaß bringt sie her?

       Gräfin Capulet kommt herein.

      GRÄFIN CAPULET

       Nun, Julia, wie gehts?

      JULIA

       Mir ist nicht gut.

      GRÄFIN CAPULET

       Noch immer weinend um des Vetters Tod?

       Willst du mit Tränen aus der Gruft ihn waschen?

       Und könntest du's, das rief' ihn nicht ins Leben;

       Drum laß das! Trauern zeugt von vieler Liebe,

       Doch zu viel trauern zeugt von wenig Witz.

      JULIA

       Um einen Schlag, der so empfindlich traf,

       Erlaubt zu weinen mir!

      GRÄFIN CAPULET

       So trifft er dich;

       Der Freund empfindet nichts, den du beweinst.

      JULIA

       Doch ich empfind und muß den Freund beweinen.

      GRÄFIN CAPULET

       Mein Kind, nicht seinen Tod so sehr beweinst du,

       Als daß der Schurke lebt, der ihn erschlug.

      JULIA

       Was für ein Schurke?

      GRÄFIN CAPULET

       Nun, der Romeo.

      JULIA

       [beiseit.] Er und ein Schurk sind himmelweit entfernt. - [Laut.] Vergeb ihm Gott! Ich tu's von ganzem Herzen; Und dennoch kränkt kein Mann, wie er, mein Herz.


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