Take me down under: Melbourne im Blut. Raik Thorstad

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Take me down under: Melbourne im Blut - Raik Thorstad


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der festen Absicht, den Schnitzer auszuwetzen, nahm Jordan sein Bier, umrundete den Tresen und trat zu dem Neuen. »Hey, ich glaube, Katy wollte uns neulich einander vorstellen, oder? Ich bin Jordan. Schön, dass du wieder hergefunden hast.«

      Er merkte sofort, dass er sein Gegenüber überrumpelt hatte. Dafür brauchte es nicht erst die Stille, die ihm antwortete, oder die weit aufgerissenen Augen. Alles an dem Mann sagte: »Scheiße, du hast mich eiskalt erwischt und ich glaube, ich habe meine Zunge verschluckt.«

      Jordan ließ sich nicht einschüchtern, sondern nahm auf dem freien Hocker neben ihm Platz. Im Zweifel würde es darauf hinauslaufen, dass er in Ruhe sein Bier trank, während er von der Seite angestarrt wurde.

      Aber schließlich öffnete der Fremde den Mund. »Ich… ja, ich weiß. Katy sagte schon… Beziehungsweise Ben. Und ja, ich habe dich ja vorhin gesehen.« Er verzog das Gesicht, als hätte er den letzten Satz gar nicht sagen wollen. Dann straffte er sich und warf Jordan einen Seitenblick zu. »Ich bin Phoenix. Und bevor du fragst: Ja, das ist mein richtiger Name. Und nein, meine Eltern konnten sich nichts Dümmeres einfallen lassen.«

      Jordan lachte frei heraus. »Oh, ich glaube schon, dass es da Dümmeres gibt. Mantikor, Lindwurm, Einhorn…«

      »Tse-Tse-Fliege. Gorilla. Schon klar. Das wäre auch nicht so toll gewesen.« Phoenix senkte den Blick, aber Jordan konnte sehen, dass er lächelte.

      »Und? Hat es dir gefallen?« Jordan hatte die Erfahrung gemacht, dass es keinen Sinn hatte, um den heißen Brei herumzureden. Jeder, der ins Red Vinyl kam und sich nicht gerade verlaufen hatte, war aus gutem Grund hier. Natürlich konnte man sich an Frischlinge anpirschen und sie – bildlich gesprochen – vorsichtig mit einem Stock pieken, bis sie endlich eine Reaktion zeigten. Aber letztendlich schürte man damit nur ihre Unsicherheit und schuf Mysterien, wo es Klarheit brauchte.

      Wie so viele andere vor ihm schluckte Phoenix im ersten Moment, bevor er herauspolterte: »Es war der Hammer. Unglaublich…«

      »Scharf? Sexy? Geil?« Immer voran, nur keine Müdigkeit vorschützen.

      Phoenix kratzte sich am bartlosen Kinn, den Blick auf das Spirituosenregal gerichtet. »Ich hätte jetzt erst einmal beeindruckend gesagt. Beeindruckend und irgendwie…«

      Jordan bedrängte ihn nicht weiter. Die positive Resonanz reichte ihm fürs Erste. Sie war ein guter Anfang – und seinem Ego schmeichelte sie auch ein wenig. »Schon gut. Ich weiß, es kann ziemlich überwältigend sein. Und für dich war es unübersehbar das erste Mal, dass du so etwas miterlebt hast.« Und das, obwohl Phoenix nicht mehr ganz jung war.

      Warum hatte er erst jetzt seinen Weg in einen Club gefunden? Späte Erkenntnis oder hatte es ihm zuvor an Mut gefehlt? War er in einer Langzeitbeziehung gewesen, in der BDSM nicht zur Debatte gestanden hatte? Oder gehörte er am Ende zu denjenigen, die Schwierigkeiten hatten, sich als den Menschen anzunehmen, der sie waren? Sei es, weil er schwul war – oder bi oder pan – oder weil er sich von BDSM angezogen fühlte?

      »Woher willst du das wissen? Ach so… von Ben. Katy, meine ich«, beantwortete sich Phoenix die Frage selbst.

      »Nee. Man sieht es dir an.« Jordan tippte mit dem Fingernagel gegen seine Bierflasche. »Es ist ein Unterschied, ob man sich einen Porno anguckt oder ob man zum ersten Mal live dabei ist. Die Atmosphäre, die vielen Eindrücke, die man übers Internet einfach nicht erzeugen kann… Man weiß es irgendwann, ob die Leute Erfahrung haben oder nicht.«

      »Und du bist schon lange dabei, hm?«, fragte Phoenix mit dem Zögern eines Mannes, der sich nur wenige Minuten nach einer neuen Bekanntschaft in einem Gespräch über ausgefallene Sexpraktiken wiederfand. Sein Interesse war ebenso offensichtlich wie seine Verwunderung.

      »Nicht ganz so lange, wie manche denken.« Jordan salutierte innerlich den ersten Jungs, mit denen er mit Anfang zwanzig herumgespielt hatte, nur um zu merken, dass er eine Gangart einschlagen wollte, die ihnen zu heftig war. Erst danach hatte er Carlos kennengelernt, der nicht nur doppelt so alt wie er gewesen war, sondern ihm auch innerhalb weniger Wochen Dinge über sich selbst beigebracht hatte, die Jordan bis dahin für undenkbar gehalten hatte. »Aber sagen wir mal so: Ich habe die Zeit gut genutzt. Ich habe eine Menge ausprobiert, bis ich an dem Punkt war, an dem ich heute stehe. Und du? Ich wage mal zu behaupten, dass dich unsere heutige Session nicht gerade abgestoßen hat. Sonst wärst du sicher schon weg.«

      Phoenix zog ein Gesicht, als hätte Jordan ihn mit der Hand in der Hose ertappt. Seine Unsicherheit war nicht unsympathisch, aber befremdlich. Ein wenig unpassend für jemanden, der Katy zufolge an der dominanten Seite des BDSM Interesse hatte.

      Na, bist du am Ende jemand, der zwar scharf auf das Spiel ist, aber noch nicht die Eier hat sich einzugestehen, dass er devot oder masochistisch veranlagt ist?

      Vielleicht war es das, was Jordan von Anfang an bei Phoenix wahrgenommen hatte und auch jetzt noch spürte. Vielleicht wusste er noch nicht genau, was er brauchte und wollte; nur, dass es sich im Dunstkreis von Leder, Fesseln und Machtgefällen bewegte. Das würde einiges erklären; nicht zuletzt, dass sie sich trotz Jordans spontaner Abwehr vom Donnerstag halbwegs gut miteinander unterhalten konnten.

      »Abgestoßen? Nein. Es war fantastisch«, sagte Phoenix mit rauer Stimme. »Ich…« Er räusperte sich. »Ich weiß nicht, ob ich das sagen sollte, aber ich hätte mich am liebsten irgendwie eingebracht, falls du verstehst, was ich meine.«

      Jordan prustete in sein Bier und hoffte inständig, dass Phoenix nicht dachte, er würde ihn auslachen. Es war lediglich seine behutsame Vorgehensweise, die ihn amüsierte. »Entschuldige mal, aber das will ich doch sehr hoffen! Wenn keiner der Umstehenden das Bedürfnis hätte, bei sich Hand anzulegen oder mit einem von uns zu tauschen, würde ich mich echt fragen, ob wir unseren Drive verloren haben.«

      »Habt ihr nicht!« Phoenix drehte sich auf seinem Barhocker zur Seite und wandte sich Jordan zu. »Ich hätte gern mit Duncan getauscht. Na ja, wenn ich gewusst hätte, wie man es anfängt. Von dieser Kabelage und den E-Stim-Sets habe ich nämlich überhaupt keine Ahnung.«

      Interessant, also doch mit Duncan. Nicht mit Wayne oder mir.

      Jordan nutzte die Vorlage und drehte seinen Charme auf, bevor er mit tiefer Stimme fragte: »Das ist es also, was du möchtest? Jemandem wehtun? Jemanden fesseln?«

      Phoenix überraschte ihn, indem er nicht sofort mit einem Ja herausplatzte. Stattdessen ließ er sich mit seiner Antwort Zeit. »Ich weiß nicht, ob es das ist, worum es mir geht«, begann er langsam. »Ich glaube eher, dass ich gern… Also, es hat mir gefallen, was Duncan mit euch gemacht hat. Aber nicht wegen der Elektrik oder der Fesseln, sondern weil… Ihr habt ihm alles überlassen. Er konnte entscheiden, was er mit euch macht. Dieses Vertrauen und die vielen Ideen, die Möglichkeit zu entscheiden, wann und wie was passiert…«

      Kontrolle also.

      »Und dann zu wissen, dass er es war, der euch das geben konnte und durfte… Vielleicht sogar nur er.«

      Okay, nicht nur Kontrolle. »Duncan macht das gut. Wirklich gut. Wenn du das aus der Session mitgenommen hast, ist das sicher kein schlechter Anfang. Falls du den überhaupt machen möchtest, heißt das.«

      »Doch, schon. Sehr gern sogar.« Phoenix lächelte unsicher. »Ich… kann ich dich was fragen?«

      »Na klar.«

      »Warum redest du mit mir?« Jordan musste etwas verblüfft dreingesehen haben, denn Phoenix fuhr rasch fort: »Katy hat mir erzählt, dass du dich häufiger mit Neulingen beschäftigst. Und dass du quasi Kurse gibst, um anderen zu zeigen, wo es langgeht. Ist das nicht irgendwie verdreht? Dass du als Sub Doms zeigst, was sie zu tun haben?«

      »Wer, wenn nicht ich?« Jordan drehte sich seinerseits zur Seite und stützte die Hände auf die Oberschenkel. »Aber ich weiß schon, was du meinst. Ich schätze, ich habe einfach ein paarmal zu oft gesehen, wie eine Session schiefgegangen ist. Und wenn ich dabei helfen kann, dass ein paar Fehler weniger gemacht werden und alle gesund und munter aus ihren Sessions rauskommen, dann ist das nicht nur gut für die Leute, sondern auch für den Club. Denn, hey…« Er zeigte


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