Take me down under: Melbourne im Blut. Raik Thorstad

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Take me down under: Melbourne im Blut - Raik Thorstad


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»Genau. Tut mir ehrlich leid, dass ich zu viel versprochen habe.«

      Ihr Bedauern wirkte aufrichtig; sei es, weil ihr die Gelegenheit entschlüpft war, einen neuen Gast zu binden, oder weil es ihr Ernst war. Phoenix sollte beides recht sein. Er würde es keiner Geschäftsfrau übel nehmen, am Erfolg ihres Ladens zu arbeiten.

      »Ist schon gut. Krank ist krank.« Höflichkeit und grobe Konversationsregeln ließen ihn sprechen. Gedanklich war er woanders.

      Ja, der Mann hinter dem Tresen war ihm aufgefallen. Das war nicht weiter verwunderlich, da sich nur eine Handvoll Gäste im Club befand und dadurch niemand mit dem Hintergrund verschmolz. Was ihn hingegen sehr wohl überraschte, war, dass dieser Jordan der Sub sein sollte, von dem Katy ihm erzählt hatte. Phoenix hatte nicht ansatzweise genug von ihm gesehen, um sein Gesicht einem Phantomzeichner zu beschreiben. Aber er war mit solchem Selbstbewusstsein, solcher Zielsicherheit und Energie durch den Raum gegangen, dass Phoenix ihn instinktiv als Dom einsortiert hatte.

      Anscheinend hatte er tatsächlich nicht viel Ahnung.

      »Freut mich, dass du das so siehst. Und sonst so? Du kommst nicht aus Melbourne, stimmt's?«

      Phoenix zwang sich, sich auf Katy zu konzentrieren. Das war er ihr nach dem ausgegebenen Wein schuldig, selbst wenn er ein Trostpflaster war. »Nein, aus Sydney. Bin vor Kurzem hergezogen.«

      »Ah, Arbeit?«

      Er nickte und weil er nicht unhöflich sein wollte, fügte er hinzu: »Bin in meinen alten Beruf zurückgekehrt und ein Bekannter konnte mir hier vor Ort eine Stelle verschaffen. Also habe ich Sydney den Rücken gekehrt.« Nicht freiwillig.

      »Ich mag Sydney, aber als waschechte Melbournerin muss ich natürlich behaupten, dass es nirgendwo schöner ist als bei uns.« Katy lachte leise. »Herzlich willkommen also. In unserer schönen Stadt und im Red Vinyl erst recht. Hast du dich schon ein bisschen in Melbourne umgeschaut? Oder warst du früher schon mal hier und kennst dich aus? Weißt du, wenn du möchtest, könnte…«

      Sie stellte Fragen, gab Tipps und gut gemeinte Ratschläge und plauderte so entschlossen mit ihm, als wollte sie den Ausfall ihres angekündigten Ratgebers wettmachen. Je länger sie redete, desto überzeugter war Phoenix, dass er nicht böse über diese Wendung war.

      Nicht, weil er an seinem Interesse an der Szene zweifelte, sondern weil ihn mit jeder verstreichenden Minute sein Gewissen einholte. Es war, als wäre es ihm von Randys Werkstatt aus nachgelaufen und hätte ihn endlich aufgespürt.

      Ohne sich dessen bewusst zu sein, hatte Katy ihn an Sydney erinnert, an das ehemalige Schlafzimmer seiner Eltern, das inzwischen mit einem Pflegebett und allerlei unappetitlichen Gerätschaften ausgestattet war. An die Hülle auf dem Bett, deren Anblick Phoenix wiederholt bewiesen hatte, dass er ein Feigling war. Ein Schlappschwanz. Und das war nichts gegen die leeren Blicke seiner Mutter.

      Er schämte sich so sehr, dass der Wein auf seiner Zunge zu Essig wurde.

      Kapitel 5

      Der 3D-Drucker summte, während er ein braunes Plastikteilchen modellierte. Jordan hatte die Zunge zwischen die Zähne geklemmt, trotz der Lupe an seinem Stirnband die Augen verengt und balancierte eine Pinzette zwischen Daumen und Zeigefinger. Das Stück Kunststoff zwischen den Zangen war kaum einen Zentimeter lang, hauchdünn und sanft gebogen, um die Wölbung eines Schiffsrumpfes nachzuahmen.

      Unendlich behutsam ließ Jordan die Pinzette nach vorn gleiten, direkt auf die feuchte Stelle auf dem Unterbau zu. Langsam, ganz langsam senkte sich die vermeintliche Holzbohle an ihren Platz, saugte sich an die Konstruktion an – Jordan atmete zittrig aus, sein Zeigefinger zuckte – und rutschte ab. Quer über die bereits verarbeiteten Bauteile und eine Spur aus halb angetrocknetem Kleber hinterlassend.

      »Scheiße!«, fluchte Jordan und ließ sich auf seinem Stuhl so heftig nach hinten fallen, dass die Rollen in Bewegung gerieten und ihn gegen die nahe Wand katapultierten. Prompt erbebten die Modelle auf den umliegenden Regalen und erinnerten ihn daran, dass kein Klebstoffrest und nicht einmal ein verdorbenes Modell es wert waren, seine Schätze zu ramponieren.

      Er zwang sich zur Ruhe, entfernte hastig mit einem Q-tip und einem Tropfen Lösungsmittel das Malheur und brachte die nachgebildete Bohle auf einem Glastellerchen in Sicherheit. Erst dann riss er sich die Handschuhe herunter und raufte sich ausgiebig die Haare.

      Der 3D-Drucker kam zum Stillstand, auf der Ausgabefläche ruhte ein winziger Teil eines der drei Masten des Linienschiffs Dunbar. Es war nicht das erste Mal, dass Jordan ein Segelschiff zusammensetzte. Hinter ihm auf den Regalen standen bereits Nachbauten der Santissima Trinidad, die in der Schlacht zu Trafalgar von den Briten erobert und einen Tag später gesunken war, ihrer Gegnerin, der HMS Victory, sowie einer historisch wenig korrekten Adler von Lübeck, einem Hansekriegsschiff.

      Aber Jordan beschränkte sich nicht auf Schiffe. Schon unter seinen ersten Modellsätzen als Kind hatten sich sowohl U-Boote als auch Flugzeuge, sowohl Raumschiffe nach realen Vorbildern als auch solche aus Star Wars und Star Trek befunden. Es ging ihm nicht darum, sich eine museumswürdige Sammlung von dieser oder jener Art zuzulegen, auch wenn er selten eines seiner Modelle hergab. Er hatte Spaß am Entstehungsprozess. Je mehr winzige Teile er zusammenfügen konnte, desto glücklicher war er. Und seitdem er dank des 3D-Druckers und entsprechender Software seine Fantasie spielen lassen konnte, statt auf das Programm der Spielwarenhersteller beschränkt zu sein, war er seinem Hobby endgültig verfallen.

      Es tat ihm gut. Es beruhigte ihn. Es entsprach am ehesten dem, was Katy flapsig als Meditation bezeichnet hatte.

      Aber heute zeigte die Arbeit mit Pinzette und Wattestäbchen keine Wirkung. Er war immer noch genauso unleidlich und aus dem Takt wie bei seinem Aufbruch aus dem Club. Unfähig, nichts zu tun, weil er nicht müde war, und gleichzeitig nicht in der Lage, auf Katys Ratschläge zu pfeifen und sich an den Computer zu setzen, um zu arbeiten. Inzwischen fand er seine Stimmung genauso seltsam wie seine Freundin.

      Er hatte nicht erwartet, dass ihn die Trennung von Henry so mitnehmen würde. Und es war wahrscheinlich ein mieser Zug von ihm, dass er nicht um den Mann trauerte, der nicht länger Teil seines Lebens war, sondern eher um die verpasste Gelegenheit, sich etwas Langfristiges mit ihm aufzubauen. Sollte Jordan in den letzten Tagen ab und zu einen Kloß im Hals oder feuchte Augen gehabt haben, dann aus Enttäuschung; nicht aus Liebeskummer.

      Und Katy? Hatte nichts Besseres zu tun gehabt, als zu versuchen, ihm einen Frischling aufs Auge zu drücken. Sie hatte es bestimmt gut gemeint, aber verdammt, ein erfahrener, vielseitiger Dom, der ihm half, zur Ruhe zu kommen, wäre ihm lieber gewesen.

      Das war es, was ihm fehlte. Innere Ruhe. Seine Haut war zu eng, seine Hände zu ungeschickt, sein Kopf durcheinander. Deswegen war er neidisch auf Wayne gewesen, der sich Anthonys Händen ausliefern durfte. Es war nicht nur darum gegangen, dass Jordan nichts dagegen gehabt hätte, selbst die Berührung einer behandschuhten Hand auf den Hoden zu spüren. Es war die Losgelöstheit, um die er Wayne beneidet hatte. Die er brauchte.

      Und zwar bald…

      Jordan rollte auf dem Schreibtischstuhl zum Regal neben der Tür und nahm sein Smartphone vom Brett. Er rief die Raumbelegung fürs Wochenende auf und stieß bald auf eine Reservierung, die ihn aufmerken ließ. Duncan und Wayne. Raum 2. Dazu der kleine Hinweis: E.

      Er schwankte zwischen Lachen und Aufstöhnen. Natürlich Wayne. Es war derzeit immer Wayne. Er wohnte praktisch im Club und nahm gefühlt an mehr Sessions teil als alle anderen zusammen, Belegschaft eingeschlossen. Jordan hatte nichts dagegen. Und gegen Duncan erst recht nicht. Er war noch jung, aber ein verlässlicher und aufmerksamer Spielgefährte. Und jemand, der Dreiern nicht abgeneigt war.

      Jordan dachte an kribbelnde Haut, schnalzende Stiche, Blitzeinschläge in die Nervenzellen und die Befreiung, die damit einherging. Kurz entschlossen lud er Duncan und Wayne in eine WhatsApp-Gruppe ein, um sie zu fragen, ob sie bei ihrem kommenden Termin Lust auf einen dritten Mann hatten.

      Sie antworteten zeitgleich und so schnell, dass sie sich unmöglich abgesprochen haben konnten. »Klar!« Dann schrieb Duncan: »Gefällt mir verdammt gut, die Idee. Ich weiß genau,


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