Take me down under: Melbourne im Blut. Raik Thorstad

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Take me down under: Melbourne im Blut - Raik Thorstad


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wirkte auch nicht wie einer von denen, die das Prinzip BDSM so grundlegend missverstanden hatten, dass sie zur Gefahr für andere wurden. Und trotzdem: Etwas an ihm war falsch. Basta.

      »Jordan?«

      »Hm?«

      »Ich fürchte…« Katy wand sich an seiner Seite und schaffte es auf einmal, kleiner als er zu wirken, obwohl sie ihn in ihren hohen Stiefeln fast um einen Kopf überragte. »Na ja, es könnte sein, dass ich ihm gesagt habe, ich würde euch einander vorstellen.« Hastig fuhr sie fort: »Natürlich habe ich ihm nichts versprochen. Nur gesagt, dass du jemand bist, der Leute in die Szene einführt – auch Doms, die noch keine Erfahrung haben. Oder nur schlechte.«

      Jordans Laune – ohnehin schon etwas angeknackst – rauschte ins Bodenlose. »Nee, versprochen hast du ihm nichts. Aber Erwartungen geweckt. Mensch, Katy! Musste das echt sein? Jetzt muss ich mich zumindest mal eine Viertelstunde mit ihm unterhalten. Sonst steht morgen eine miese Bewertung im Web und dazu was von hochnäsigen Clubbesitzern.«

      Er hatte sich erneut im Ton vergriffen und dieses Mal ging Katy nicht darüber hinweg. Sie griff nach seinem Oberarm. »Mein Gott, was ist denn heute mit dir los? Schön und gut, vielleicht hätte ich erst mit dir reden sollen, aber ich habe dir schon ein Dutzend Mal Männer vorgestellt. Und du hast nie so ein Theater veranstaltet. Nicht einmal bei Jamie, der nun wirklich kein einfacher Kandidat war.«

      »Jamie hatte einen Blindflug hinter sich. Nichts, was bei ihm schiefgegangen ist, hatte etwas mit Desinteresse oder bösem Willen zu tun«, begehrte Jordan auf. Sein tasmanischer Ex-Lehrling war ihm als Freund lieb und teuer geworden. Er hatte in letzter Zeit wieder vermehrt Kontakt zu ihm, nicht zuletzt, da Jamie ihn mit seinem Lebensgefährten Vince schon zweimal im Club besucht hatte.

      »Ach, und du willst behaupten, dass es bei dem Neuen anders ist? Ohne je mit ihm gesprochen zu haben? Dass du jetzt auch noch Gedanken lesen kannst, ist mir neu.«

      Jordan setzte zu einer pampigen Antwort an, unterbrach sich jedoch, als er von der reichlich überraschten Stimme seines Gewissens eingeholt wurde. »Nein, natürlich nicht«, entgegnete er langsam. »Ich will überhaupt nichts behaupten. Nur, dass…« Ja, was? Falsche Signale, falsche Absichten. Falsche Motivation. Nichts, was sich in Worte fassen ließ. »Ich glaube nicht, dass er gut bei mir aufgehoben wäre«, erklärte er schließlich lahm.

      Katy schwieg eine Weile. Schließlich rückte sie die Lederbänder an ihren Unterarmen zurecht. »Okay. Das ist ein Argument. Und wir kennen uns zu lange, als dass ich noch an deinen komischen Eingebungen zweifeln würde. Aber tu mir den Gefallen und meditier demnächst mal eine Runde.«

      »Meditieren?«, wiederholte Jordan verblüfft.

      »Tu, was immer nötig ist, um wieder in die Spur zu kommen. Ich sag's dir echt ungern, aber du bist heute Abend ziemlich biestig – so kenne ich dich gar nicht.«

      Sie hatte recht. Das bewies allein die Tatsache, dass Jordan ihr am liebsten den Absatz unter dem Stiefel weggetreten hätte. Man konnte ihm normalerweise durchaus einen Spiegel vorhalten, ohne dass er ausflippte. Aber vielleicht hatte er sich in letzter Zeit ein wenig zu oft seiner Reflektion gegenübergesehen. Wenigstens konnte er mit Fug und Recht behaupten, dass meistens er derjenige gewesen war, der nach dem Spiegel gegriffen hatte.

      »Ich mich auch nicht«, gestand er zähneknirschend. »Es tut mir leid. Ich weiß nicht, was mit mir los ist. Vielleicht ist das mit dem Meditieren gar keine so schlechte Idee.«

      Katy drückte ihm den lippenstiftklebrigen Mund gegen die Wange. »Oh, tröste dich. Meine bedingungslose Liebe bleibt dir erhalten, Herzchen.« Manchmal übertrieb sie es schamlos. »Weißt du was? Geh nach Hause. Zieh dir einen alten Schmachtfetzen rein…«

      »Pft!«

      »Okay, dann einen Thriller. Aber leg mal die Beine hoch. Vielleicht arbeitest du doch ein bisschen zu viel.«

      Jordan winkte ab. »Im Club zu sein, ist keine Arbeit für mich. Das weißt du doch.«

      »Von mir aus können wir uns darauf einigen, dass Francis und sein neuester Katastrophenalarm schuld sind. Worum ging es noch? Veganes Müsli? Jedenfalls…« Sie lächelte. »Ich komme zurecht. Sunny ist hinten und räumt das Lager auf. Und er wollte sowieso bis Feierabend bleiben. Er wird mir helfen, wenn ich ihn brauche.«

      Jordan sträubte sich, aber schließlich ging er. Zum einen, weil er ahnte, dass Katy ihn wegen seiner schlechten Laune aus dem Laden haben wollte. Außerdem konnte sie dann leichter erklären, warum er sich nicht mit dem neuen Gast unterhalten hatte. Zum anderen war der Umstand, dass er über einen faulen Abend auf der Couch auch nur nachdachte, ein Hinweis, dass Katy richtiglag. Er war müde, abgespannt und nicht mit sich im Reinen. So wollte er sich nicht präsentieren; weder einem Dom noch seinen Gästen.

      ***

      Phoenix hatte noch nicht entschieden, ob er den Club mochte. Sicher, das Ambiente war ansprechend und kitzelte seine Sinne. Dass die spärliche Kundschaft fast ausschließlich aus Männern bestand, die offen zeigten, wer sie waren, war ein weiterer Pluspunkt. Er war nicht der Typ, der nur in Szenebars rumhing – das fühlte sich immer nach Einschränkung an –, doch von Zeit zu Zeit war es schön, unter seinesgleichen zu sein.

      Aber er musste zugeben, dass er sich ein wenig verloren vorkam. Das hatte sich auch nicht geändert, nachdem sich die Thekenkraft eine Weile mit ihm unterhalten und ihn herzlich willkommen geheißen hatte. Unter ihrem dunklen Blick hatte er sich ausgezogen, wenn nicht sogar seziert gefühlt. Ihr spielerisches Lächeln hatte ihm verraten, dass sie schon Hunderte wie ihn gesehen hatte. Männer, die von vagen Vorstellungen, Wünschen und Sehnsüchten in ihren Club gespült worden waren und nach Übertreten der Schwelle gemerkt hatten, dass sie keine Ahnung hatten, wie es weiterging.

      Und irgendwie hatte sie es geschafft, dass Phoenix ihr das eine oder andere über sich preisgegeben hatte. Nicht seinen Namen oder woher er kam, aber dass er eine gewisse Neugier mit sich herumtrug, dass es Dinge gab, die er in seinem bisherigen Liebesleben nur gestreift, aber nie richtig ausgelebt hatte.

      Nun, da er wieder allein war, konnte er sich nicht mehr erklären, wie ihr das gelungen war. Wie konnte man vor einer Fremden etwas aussprechen, das man selbst noch nicht zu Ende gedacht hatte?

      Nicht richtig jedenfalls. Doch er hatte die entsprechenden Suchbegriffe in sein Handy eingegeben. Er hatte nicht nach einer Location für Schwule gesucht, sondern gezielt nach einem Club, in dem BDSM-Praktiken ausgelebt wurden oder sich wenigstens deren Liebhaber trafen.

      Er wusste, warum er hier war. Und sollte es doch nicht sein.

      Auf einmal tauchte ein dunkler Flaschenhals vor ihm auf, so unerwartet, dass er sich mit Stuhl nach hinten schob, und roter Wein plätscherte in sein Glas.

      »Bisschen schreckhaft, hm?« Die Barfrau – wie hatte sie sich vorgestellt? Katy? – schmunzelte, während sie lässig die Flasche drehte, um die letzten Tropfen abperlen zu lassen. »Ich bin's nur. Und ich bin harmlos.«

      Das bezweifelte Phoenix sehr. Alles an ihr sprach von Kraft, Kontrolle und davon, dass man in Schwierigkeiten geriet, wenn man sich mit ihr anlegte. »Ich wollte es eigentlich bei einem Glas belassen…«

      »Geht aufs Haus«, erklärte Katy, bevor sie sich nach einem kurzen Blick zum Tresen rittlings auf den Stuhl Phoenix gegenüber setzte. »Kleine Entschädigung, weil aus der Bekanntschaft mit Jordan heute Abend leider nichts mehr wird. Er war nicht ganz fit, als er aus der Session kam. Ich habe ihn nach Hause geschickt, damit er sich ausruht.«

      Phoenix nickte langsam; nicht sicher, ob er enttäuscht oder erleichtert war. Sie hatte bereits zuvor über besagten Jordan gesprochen, vielleicht sogar ein bisschen von ihm geschwärmt und Phoenix eindringlich ans Herz gelegt, sich mit ihm zu unterhalten. Er hätte schon vielen Gästen den Einstieg in ihre Welt erleichtert und wäre ein guter Ansprechpartner für Fragen aller Art und auch für Sorgen und Bedenken, mit denen man sich herumschlug.

      »Oh, dann gute Besserung, unbekannterweise«, erwiderte Phoenix. Dann fiel ihm der schmale Mann mit dem sonnengebleichten Haar ein, der noch vor wenigen Minuten mit Katy hinter dem Tresen


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