EXIT NOW!. Teri Terry

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EXIT NOW! - Teri Terry


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trägt auch Jeans, verblichen zwar, aber mit perfektem Sitz; sie schmiegen sich an, ohne zu eng zu sein, und sehen nach Designer aus. Ein weites rotes Top, das ihr auf einer Seite über die Schulter fällt, als hätte sie es in aller Eile übergezogen. Ich war wohl eine der wenigen, die bei Beginn der Oberstufe der Schuluniform nachgetrauert haben. Als Stipendiatin bekam ich die Uniform gestellt und wirkte dadurch mehr wie alle anderen. Und Sam? Selbst in Schuluniform sieht sie immer mühelos perfekt angezogen aus, und das in einer Schule, in der sich die meisten eine Menge Mühe geben. Heute dasselbe, ohne Schmuck und Make-up. Dass sie sich offenbar nie anstrengen muss, verschüchtert mich nur noch mehr. Sie ist einfach … wunderschön, so wie sie ist.

      »Was denn?«, fragt sie und zieht sich das Top zurecht.

      Habe ich sie angestarrt? »Sorry.« Ich schaue mich um. »Bei eurem Haus bleibt mir ein wenig die Luft weg.«

      »Es ist groß. Aber es hat keine Seele. Ich kann dich gerne rumführen, wenn du magst.« So wie sie es sagt, hat sie keine Lust, deshalb schüttle ich den Kopf, obwohl ich eigentlich neugierig wäre.

      »Ich bringe dich in mein Reich«, sagt sie. Sam hält mir eine Tür auf und ihr Blick wandert zu den Büchern unter meinem Arm. »Das sind aber eine Menge.«

      »Deinen Lehrern zufolge hinkst du in den meisten Fächern hinterher.«

      »Na toll!«

      Wir laufen den Flur entlang, bis sie vor einer Tür stehen bleibt. »Hier wohne ich.«

      Es ist ein riesiges Zimmer mit Bett, Schreibtisch, Bücherregalen, Schränken und sogar einem Sofa. Am Ende gibt es noch eine weitere Tür – ein Bad vielleicht? – und Sam steuert darauf zu. Oder ist das ihr Atelier? An die Tür ist ein Eintritt-verboten-Schild mit einem schaurig realistischen Totenkopf gemalt.

      Dahinter herrscht das reinste Chaos. Eine Seite des Ateliers ist komplett verglast, selbst an einem grauen Tag wie heute ist das Zimmer lichtdurchflutet. Eine Wand ist mit Szenen aus Der Herr der Ringe, eine andere mit Harry Potter bemalt, ansonsten ist jede freie Fläche mit Bildern und Zeichnungen bedeckt. Auf den Tischen, die herumstehen, liegen Zeichenutensilien, Farben, Pinsel. In der Mitte ist ein Tisch fast frei, Sam räumt noch ein paar Dinge weg und bedeutet mir, meine Sachen dort hinzulegen.

      »Hast du das alles gemalt? Auch das an der Wand?«

      Sie tritt von einem Fuß auf den anderen. Ist sie etwa verlegen? »Ja, es gab mal eine Zeit, da waren mir Zeichenblock und Leinwand nicht groß genug. Eigentlich will ich es immer mal übermalen, bin nur noch nicht dazu gekommen.«

      »Aber das ist doch der Hammer!« Meine Bücher sind vergessen. Fasziniert sehe ich mir die Bilder und Zeichnungen der Reihe nach an.

      Es klopft an der Tür. Sam geht nachsehen und kommt mit einem Tablett zurück. »Hier darf niemand rein. Lernen tue ich hier sonst auch nicht, das Licht ist zum Zeichnen hier einfach am besten. Deshalb wollte ich eigentlich auch, dass du kommst. Weil ich gestern nicht fertig geworden bin. Und so war es ja abgemacht. Deshalb weiß ich nicht, was du mit all dem hier willst?« Sie wirft einen Blick auf meine Bücher und zieht eine Grimasse, während sie das Tablett daneben abstellt.

      Meint sie das ernst? So einfach mache ich es ihr nicht. »Ich bin mit meiner Zeichnung fertig. Was kann ich dafür, wenn du so langsam bist?«

      »Hast du sie dabei?«

      »Ja. Aber ich zeige sie dir erst, wenn du mir deine zeigst.«

      »Okay. Wenn ich fertig bin. Magst du Tee?«

      Es gibt Kekse, Kuchen und Scones. »Ist das alles für uns?«

      »Unsere Köchin glaubt, mich mästen zu müssen. Mum ist heute nicht da. Ihrer Ansicht nach bin ich nämlich zu dick.« Sam verdreht die Augen.

      »Was? Nein, weder noch.«

      Achselzuckend sagt sie: »Ich esse, was ich will, solange keiner hinschaut. Hau rein, dann freuen die sich in der Küche.«

      Ich greife mir ein Scone mit Sahne und Marmelade. Es ist köstlich.

      »Wie bist du denn gestern nach Hause gekommen?«, fragt Sam und beißt in einen Keks. »Du hättest wirklich mit uns fahren sollen.«

      »Wahrscheinlich. Dad fand es auch nicht gut. Es ging aber. Am Ende ist er mich abholen gekommen.«

      »Wir haben kurz nach der Abfahrt Schüsse gehört. Warst du da in der Nähe?«

      »Nicht weit weg, glaube ich. Gesehen habe ich nichts, weil ich in die andere Richtung gelaufen bin. Aber die Polizei ist vorbeigerast. In den Nachrichten hieß es heute, dass sie Anschläge verhindert haben.«

      Sam nickt. »Hat mir Dad gestern Abend schon erzählt. Er war richtig guter Dinge. Als er nach Hause kam, meinte er, sie hätten alle geschnappt. Laut Nachrichten ist jetzt alles vorbei.« Sam schaut nachdenklich zu Boden, als würde sie noch etwas beschäftigen.

      »Laut Nachrichten, sagst du. Denkst du, da ist noch mehr, über das sie nicht berichtet haben?«

      »Ist das nicht immer so?« Sam zuckt die Achseln. »Ich weiß nicht mehr. Dad sagt mir nichts, das nicht fünf Minuten später sowieso Schlagzeilen macht. Apropos Dads. War das dein Vater, der dich gebracht hat?«

      Ich nicke.

      »Hättest du doch was gesagt! Ich hätte ihn reingebeten. Obwohl Penny sicher blöd geguckt hätte, dass dein Vater …« Beschämt verstummt sie.

      »Was? Dass mein Vater Taxi fährt?«

      »Tut mir leid. Hab’s nicht so gemeint.«

      »Schon gut, egal.« Aber natürlich ist es nicht egal. Was stört mich genau? Dass Sam weiß, was mein Vater tut? Dass ihr klar ist, wie die Leute darauf reagieren, oder dass sie womöglich selbst so denkt wie diese Leute? Ich weiß es nicht, deshalb wechsle ich schnell das Thema. »Was macht Penny bei euch?«

      »Sie ist eine Art extra Haushälterin. Eigentlich ist sie ganz okay, nur ein wenig neugierig.«

      »Euer Personal besteht also aus zwei Wachen, einem Koch, einer extra Haushälterin, also gibt es noch eine, und dann du, deine Mum und dein Dad?«

      »Ja. Wir haben noch Gärtner, Zimmermädchen, Fahrer und Security, die bei besonderen Gelegenheiten kommt. Sich aus dem Haus zu schleichen ist fast unmöglich.«

      »Fast?«

      Sam grinst, sagt aber dazu nichts mehr. »Bist du satt?« Ich nicke und sie bringt kurz das Tablett raus. »Okay.« Sam sieht sich um und schiebt einen Stuhl ans Fenster. »Setz dich dahin.«

      Ich stehe auf und setze mich ans Fenster. Sam stellt eine kleine Staffelei daneben.

      »Ich mache nur mit, wenn wir uns anschließend noch ein Fach vorknöpfen«, sage ich.

      »Klar. Natürlich. Aber was wir danach tun, darf ich mir wieder aussuchen.«

      »Deine Eltern bezahlen mich für Nachhilfe. Denen wäre das bestimmt nicht recht.«

      »Pech. Mum hat eh keine Ahnung, weil sie in ihrem Spa abhängt. Und Dad ist heute den ganzen Tag in Westminster. Sonst darf hier keiner rein. Also bekommt es auch keiner mit. Nun musst du still sitzen.«

      Sam konzentriert sich, legt den Kopf zur Seite. »Dreh dich mal ein wenig nach links. Nein, nicht so viel.« Ich drehe mich zurück, doch sie schüttelt den Kopf und kommt zu mir.

      Ihre Hand ist warm an meiner Wange. Leicht dreht sie meinen Kopf, tritt einen Schritt zurück. Nun fasst sie mir sanft ans Kinn, neigt meinen Kopf einen Hauch mehr ins Licht.

      Wieder tritt sie zurück. »So. Nun versuch, dich nicht mehr zu bewegen.«

      Sam setzt sich wieder auf den Schemel vor die Staffelei, die Stifte in der Hand, den Blick auf mich gerichtet, überlegt sie, aber es scheint so, als würde sie mich gar nicht wirklich wahrnehmen. Was sieht sie? Linien, Schatten? Zeichen auf Papier?

      Ich halte still, atme kaum noch und mein Kopf fühlt sich merkwürdig leer an. So


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