EXIT NOW!. Teri Terry

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EXIT NOW! - Teri Terry


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       SAM

      Ava ist ein gutes Modell. Nachdem ich ihr einmal gesagt habe, dass sie stillsitzen soll, tut sie es auch. Ihr Gesicht ist perfekt zum Licht ausgerichtet.

      Aber ihre Augen machen mir immer noch zu schaffen, ich kann ihren Blick so gar nicht deuten.

      Irgendwann löse ich seufzend meinen Skizzenblock von der Staffelei. Das Schnappgeräusch der Klemme lässt Ava zusammenfahren, dann atmet sie tief durch. Sie lässt die Schultern kreisen und schaut auf ihre Armbanduhr. Ihre Augen weiten sich erschrocken.

      »Guck mal, wie spät es ist! Wir müssen uns an die Arbeit machen.«

      Ich werfe einen Blick auf die Uhr hinter ihr und bin selbst überrascht. Ava ist schon seit zwei Stunden hier. Beim Zeichnen vergesse ich total die Zeit.

      »Tut mir leid, dass du dich so lange nicht rühren durftest. Hättest du doch was gesagt.«

      Ava zuckt die Schultern. »Mir ist es nicht aufgefallen. Habe wohl mit offenen Augen geschlafen. Die Nacht war ziemlich mies.«

      »Bei mir auch. Hast du geträumt?«

      »Heute Nacht oder gerade eben?«

      »Eben.«

      Sie lächelt ein wenig. »Wenn, dann habe ich’s schon wieder vergessen.«

      Doch das kaufe ich ihr nicht ab.

      »Darf ich mal sehen?«

      »Meinetwegen. Aber ich bin nicht zufrieden damit.« Ava kommt zu mir herum und ihr bleibt der Mund offen stehen.

      »Oh! Das ist richtig gut getroffen! Das bin ich.«

      Und als ich zwischen dem Bild und der Ava in Fleisch und Blut hin- und herschaue, verstehe ich, warum sie es sagt. Die Details stimmen, nur ist es nicht die Ava, die ich zeichnen wollte.

      »Warum bist du nicht zufrieden?«

      »Schwer zu sagen. Es sieht aus wie du, wie du dich der Welt zeigst. Und gleichzeitig bist du es auch nicht.«

      »Da kann ich dir nicht mehr folgen. Es ist genial.« Ava zieht ein Blatt Papier aus einem Buch und wedelt damit herum. »Jetzt kannst du mal sehen, wie schlecht ich darin bin.« Sie reicht mir ihre Zeichnung.

      Es sind meine Augen, aber jedes für sich gezeichnet. Eines schaut nach rechts, das andere nach unten, sodass es vom Lid halb verdeckt ist. Und auch wenn die Proportionen so gar nicht stimmen und sie nicht wie ich versucht hat, genau das abzubilden, was sie vor sich hat, ist es dennoch faszinierend.

      »Warum hast du dich für die Augen entschieden?«

      Ava zuckt die Achseln. »Keine Ahnung. Als du meintest, ich soll mir ein Detail herausgreifen, fand ich deine Augen am interessantesten.«

      »Es ist eher abstrakt als gegenständlich, was ja auch völlig okay ist. Wenn du es naturalistischer willst, sieh es aus mathematischer Sicht. Brüche. Ich weiß, wie gerne du Mathe magst.«

      »Wie meinst du das?«

      »Wenn du dir mein Auge anschaust, was für einen Anteil hat die Pupille an der Iris? Es geht darum, genau hinzuschauen und die Proportionen richtig hinzubekommen.«

      »Oder ich behaupte einfach, ich wollte abstrakt malen.«

      Ich lache. »Genau. Wollen wir tauschen?«

      »Echt? Im Ernst? Ich darf das Bild von mir haben?«

      »Klar. Ich male ein neues. Nimm es.«

      »Danke. Das schenke ich meinem Vater.«

      »Hier. Du signierst deins und ich meins. So machen das Künstler!« Ich schreibe meine Initialen unten in die Ecke und sie macht es ebenso.

      Ava hält das Bild von sich hoch und betrachtet es erneut. »Du hast echt Talent!«

      Ich zucke die Achseln. »Zeichnen ist eben mein Ding. Das habe ich schon immer gekonnt. Nur ist das doch alles reine Fantasie! Es scheint irgendwie nicht mehr«, ich überlege, »wahrhaftig genug.« Ich deute auf die Wände ringsum. »Natürlich ist vieles davon auch mit Absicht Fantasie, aber jetzt möchte ich es realer, und es gelingt mir nicht, das auf Papier zu bringen.«

      »Naturwissenschaften oder Sprachen scheinen dich ja nicht so zu interessieren, warum studierst du dann nicht Kunst? Lernst darüber so viel, wie du kannst, machst es so real wie möglich. Du könntest großartig darin sein.«

      Verlegen schlinge ich die Arme um mich. »Vielleicht will ich das gar nicht.«

      »Warum denn nicht?«

      »Nicht jeder ist so ehrgeizig wie du. Warum strengst du dich in der Schule so an?«

      »Ich möchte auf eine gute Universität gehen, später mal einen guten Job bekommen. Mir schenkt keiner was, ich muss mir alles erarbeiten.« Sie beißt sich auf die Lippen. »Sorry, so habe ich das nicht gemeint.«

      »Schon gut«, sage ich, obwohl es mir einen Stich versetzt. Es stimmt ja. »Aber nicht alle sind so ehrgeizig wie du.«

      »Wenn ich mich hier umschaue, sehe ich überall, wie talentiert du bist. Und wie viel Freude dir die Malerei macht. Wenn du zeichnest, dann bist du so versunken, dass du nicht wahrnimmst, wie die Stunden vergehen. Du bist eine Künstlerin, ob du willst oder nicht. Warum versuchst du nicht, eine großartige Künstlerin zu werden?« Während sie spricht, tritt ein Leuchten in ihre Augen, das vorhin gefehlt hat. Genau dieses Leuchten wollte ich in meinem Bild einfangen, doch ich fürchte, dass es verschwindet, sobald ich den Skizzenblock zücke.

      Deshalb schüttle ich bloß den Kopf. »Ich kann es nicht erklären, aber ich sehe mich immer nur im Jetzt, nie in der Zukunft. Besonders in der letzten Zeit.«

      »Reicht dir das denn?«

      »Manchmal.« Doch es stimmt nicht und es ärgert mich. Ava bringt mich dazu, über Dinge nachzudenken, die ich sonst lieber verdränge.

      Bevor ich etwas erwidern kann, klingelt ihr Telefon. Und als sie danach greift, klingelt auch meins.

       AVA

      »Hi Dad. Was gibt’s?«

      »Da ist was im Gange. Ich wollte dich eigentlich abholen, doch die Straßen sind überall abgeriegelt. Ich komme nicht durch.«

      »Was ist denn los? Geht es dir gut?«

      »Du weißt doch, mir geht es immer gut. Und ich habe keine Ahnung, was da genau vor sich geht. Die Polizei hat ein ganzes Straßennetz gesperrt, um einige Bezirke abzuschotten. Auch dort, wo du gerade bist.«

      Ich schaue zu Sam, die ihr Gespräch gerade beendet hat. »Warte kurz, vielleicht kann ich was in Erfahrung bringen. Sam?«

      »Das war einer von Dads Assistenten. Er meinte, es hätte einen Zwischenfall gegeben, wusste aber auch nichts Näheres. Überall gehen die Leute auf die Straße und halten den Verkehr auf. Du kannst also nicht nach Hause. Alle wichtigen Zugangsstraßen wurden vorsichtshalber gesperrt. Dad meinte, du müsstest bei uns bleiben, bis sich die Lage beruhigt hat.«

      »Hast du das gehört, Dad?«, frage ich und presse den Hörer wieder ans Ohr.

      »Ja.«

      »Da sitze ich hier wohl fest.«

      »Versprich mir, dass du nicht versuchst, auf eigene Faust nach Hause zu kommen. Geh nicht, ohne mich vorher anzurufen.«

      »Versprochen«, sage ich und meine es auch so. Was ich gestern nach der Schule erlebt habe, war ein Schock. Auf eine Wiederholung bin ich nicht scharf.

      Nachdem wir uns verabschiedet haben, sehe ich Sam an, und mir wird erst richtig klar, was da gerade passiert ist. Ich muss hierbleiben? »Sorry. Jetzt hängen wir wohl noch länger zusammen. Was glaubst du, was da los ist?«

      »Keine Ahnung. Klingt nicht wie sonst.«

      »Vielleicht


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