Vierundzwanzig Unterredungen mit den Vätern. Johannes Cassianus

Читать онлайн книгу.

Vierundzwanzig Unterredungen mit den Vätern - Johannes Cassianus


Скачать книгу
wird deinen Namen loben.“ Es gibt auch gute Reichthümer, die zu erwerben viel Tugend und Verdienst ist, und wegen deren Besitz der Gerechte von David gepriesen wird mit den Worten: 109 „Das Geschlecht der Gerechten wird gepriesen, Ehre und Reichthum ist in seinem Hause, und seine Gerechtigkeit währt immerdar.“ Und wieder: 110 „Die Erlösung der Seele eines Mannes ist sein Reichthum.“ Wegen dieser Reichthümer heißt es in der Apokalypse von dem, der sie nicht hat und also in schuldbarer Weise arm und entblößt ist: „Ich werde beginnen, dich auszuspeien aus meinem Munde, weil du sagst, ich bin reich und überreich und bedarf Niemandes, und du weißt nicht, daß du elend und erbärmlich, arm und blind und bloß bist. Ich rathe dir, von mir Gold zu kaufen, im Feuer erprobtes, damit du reich werdest und mit weissen Kleidern dich kleidest und nicht offenbar werde die Schande deiner Blöße.“ 111 Es gibt aber auch mittlere, d. h. die entweder gut sein können oder böse; denn sie werden durch die freie Wahl oder die Beschaffenheit der Gebrauchenden auf die eine oder andere Seite gestellt. Von diesen sagt der Apostel: 112 „Den Reichen dieser Welt befiehl, nicht hochfahrend zu denken und ihre Hoffnung nicht zu setzen auf den unsichern Reichthum, sondern auf Gott, der uns im Überflusse Alles zum Genusse darreicht; sie sollen Gutes thun, gern geben, mittheilen und sich einen Schatz anlegen als guten Grund für die Zukunft, damit sie das wahre Leben erlangen.“ Jener Reiche des Evangeliums aber, der seine Güter zurückhielt und durchaus nicht den Dürftigen damit half, so daß von seinen Brosamen der arme vor der Thüre liegende Lazarus sich zu sättigen wünschte, wurde dafür zu dem unerträglichen Feuer der Hölle und zu ewiger Glut verurtheilt.

       10. Es könne Keiner durch die erste Stufe der Entsagung vollkommen sein.

      

      Wenn wir nun diese sichtbaren Reichthümer der Welt verlassen, so werfen wir nicht unsere, sondern fremde Güter weg, obwohl wir uns rühmen, sie durch unsere Mühe erworben oder als Erbschaft von den Eltern überkommen zu haben. Denn Nichts ist, wie ich sagte, unser Eigenthum, als was wir im Herzen besitzen, und was der Seele anhängt, so, daß es von Niemand ganz kann weggenommen werden. Über diese sichtbaren Reichthümer aber sagt Christus mit schwerem Tadel zu denen, die sie als Eigenthum behalten und den Dürftigen nicht mittheilen wollen: 113 „Wenn ihr im fremden Gut nicht treu gewesen seid, wer wird euch geben, was euer ist?“ Es zeigt also nicht bloß die tägliche Erfahrung unwiderleglich, daß diese Reichthümer fremde seien, sondern auch der Ausspruch des Herrn hat sie so benannt und bezeichnet. Von den sichtbaren und erbärmlichen Reichthümern sagt auch Petrus zum Herrn: 114 „Sieh’, wir haben Alles verlassen und sind dir nachgefolgt, was werden wir also bekommen?“ Und doch weiß man, daß Diese Nichts als werthlose zerrissene Netze verlassen haben. Wenn also dies „Alles“ nicht von der Lossagung von den Lastern, die wahrhaft groß und sehr hochstehend ist, verstanden werden muß, so werden wir kaum finden, was denn die Apostel so Kostbares verlassen haben, und was der Herr für einen Grund hatte, ihnen eine solche Glorie der Seligkeit zu verleihen, daß sie von ihm hören durften: 115 „Bei der Wiedergestaltung, wenn der Sohn des Menschen auf dem Throne seiner Majestät sitzt, werdet auch ihr auf zwölf Thronen sitzen und richten die zwölf Stämme Israels.“ Wenn also Die, welche diesen irdischen und sichtbaren Gütern vollständig entsagen, doch aus gewissen Gründen zu jener apostolischen Liebe nicht gelangen können und jene höhere und nur sehr Wenigen zugängliche dritte Stufe der Entsagung nicht mit ungehinderter Kraft besteigen können, was werden Jene von sich urtheilen müssen, die nicht einmal die erste, so leichte, vollkommen sich eigen machen, sondern den alten Schmutz ihres Geldes mit der alten Treulosigkeit zurückbehalten und glauben, sie dürften sich schon mit dem bloßen Namen eines Mönches rühmen? — Also die erste Entsagung, von der wir gesprochen, erstreckt sich auf fremdes Eigenthum und reicht mithin für sich allein nicht aus, dem Entsagenden die Vollkommenheit zu verleihen, wenn er nicht zu der zweiten kommt, die wahrhaft ein Opfer unsers Eigenthums ist. Haben wir diese durch Ausrottung aller Laster erlangt, so werden wir auch den Gipfel der dritten Entsagung ersteigen, durch die wir nicht nur Alles, was auf dieser Welt geschieht, oder was im Einzelbesitz der Menschen ist, sondern auch die ganze Fülle aller Elemente, die für so großartig gehalten wird, als eitel und bald vergebend unter uns lassen und mit Geist und Herz verachten, indem wir nach dem Apostel nicht auf das Sichtbare, sondern nur auf das Unsichtbare schauen; denn was man sieht, ist zeitlich, was man aber nicht sieht, ewig. So mögen wir endlich verdienen, jenes Letzte zu hören, was dem Abraham gesagt wurde: „Und komm in das Land, das ich dir zeigen werde.“ Dadurch wird klar gezeigt, daß, wenn Einer nicht die drei obigen Entsagungen mit allem Eifer des Geistes durchgemacht hat, er auch zu diesem Vierten nicht kommen könne, das als Lohn und Preis einem solchen Opferwilligen ertheilt wird, nemlich, daß er für sein Verdienst das Land der Verheissung betreten dürfe, das ihm durchaus nicht mehr die Dornen und Disteln der Laster trägt, da man es ja nach Austreibung aller Leidenschaften durch die Reinheit des Herzens in diesem Leibe besitzt. Aber nicht die Tugend und der Eifer des sich Abmühenden wird ihm dasselbe zeigen, sondern der Herr verspricht, daß er selbst es zeigen wolle, indem er sagt: „Und komm in das Land, das ich dir zeigen werde.“ Dadurch wird offenbar bewiesen, daß, wie der Anfang unseres Heiles durch die Berufung des Herrn geschieht, der da sagt: „Geh’ heraus aus deinem Lande,“ so auch die Vollendung der Vollkommenheit und Reinheit von ebendemselben verliehen werde, da er spricht: „Und komm in das Land. das ich dir zeigen werde,“ d. h. nicht in eines, das du aus dir selbst kennen oder durch deinen Elfer finden könntest, sondern das ich dir zeigen werde, während du selbst es nicht nur nicht wissen, sondern auch nicht suchen würdest. Daraus können wir deutlich erschließen, daß wir durch Eingebung des Herrn gerufen zum Wege des Heiles eilen, aber auch durch seine Belehrung und Erleuchtung geführt zur Vollendung der höchsten Seligkeit gelangen.

       11. Frage über die freie Wahlwillkür des Menschen und die Gnade Gottes.

      

      Germanus: Worin besteht aber dann der freie Wille des Menschen, und in wie fern wird unser lobenswerthes Verhalten auch unserer Thätigkeit angerechnet, wenn Gott in uns Alles, was zu unserer Vollkommenheit gehört, sowohl anfängt als vollendet?

       12. Antwort über die Austheilung der göttlichen Gnade mit Wahrung der Freiheit des Willens.

      

      Paphnutius: Das hätte euch mit Reckt beunruhigt, wenn in jedem Werke oder jeder Lehre nur der Anfang wäre und das Ende, und nicht auch eine gewisse Mitte dazwischen läge. 116 Wie wir also sehen, daß Gott die Gelegenheit des Heiles auf verschiedene Weise biete, so steht es bei uns, den von Gott gebotenen Gelegenheiten eifrig oder nachlässig zu entsprechen. Denn wie das Anerbieten Sache Gottes war, der berief mit der Ansprache: „Geh’ heraus aus deinem Lande!“ — so war der Gehorsam Sache des ausziehenden Abraham; und wie für das Wirken des Gehorchenden gesagt wurde: „Komm in das Land,“ so ist es die Gnade des befehlenden oder versprechenden Gottes, wenn beigefügt wird: „das ich dir zeigen werde.“ Wir müssen jedoch versichert sein, daß wir trotz unermüdlich angestrengter Übung der Tugend keineswegs durch unsern Fleiß und Eifer zur Vollkommenheit gelangen können, und daß die menschliche Thätigkeit nicht hinreiche, durch das Verdienst der Arbeit zu so hohem Lohne der Seligkeit zu gelangen, wenn wir ihn nicht durch die Beihilfe Gottes erreichen, der, unser Herz zu dem leitet, was uns fördert. Daher müssen wir jeden Augenblick mit David im Gebete sagen: 117 „Mache vollkommen meine Schritte auf deinen Wegen, daß nicht wanken meine Tritte,“ und: 118 „Er stellte auf einen Felsen meine Füße und lenkte meine Schritte;“ damit jener unsichtbare Lenker des menschlichen Geistes unsern freien Willen, der zu sehr zu den Lastern hinneigt, entweder aus Unkenntniß des Guten oder durch den Reiz der Leidenschaften, eher zum Streben nach der Tugend wenden möge. Das lesen wir durch den Propheten in einem Verse ganz deutlich ausgesprochen: 119 „Gedrängt, gestoßen ward ich zum Falle,“ wodurch die Schwäche des freien Willens bezeichnet wird; „und der Herr stützte mich:“ Das zeigt uns wieder die mit jenem immer verbundene Hilfe des Herrn, durch die er, damit wir in der freien Entscheidung nicht ganz fallen, uns gleichsam mit Darreichung seiner Hände hält und stärkt, wenn er sieht, daß wir wanken. Und wieder: 120 „Wenn


Скачать книгу