Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ðицше
Читать онлайн книгу.über ihre grossen Tugend-Meister und Heiligen und Dichter und Welt-Erlöser.
Über ihre düsteren Weisen hiess ich sie lachen, und wer je als schwarze Vogelscheuche warnend auf dem Baume des Lebens gesessen hatte.
An ihre grosse Gräberstrasse setzte ich mich und selber zu Aas und Geiern – und ich lachte über all ihr Einst und seine mürbe verfallende Herrlichkeit.
Wahrlich, gleich Busspredigern und Narrn schrie ich Zorn und Zeter über all ihr Grosses und Kleines –, dass ihr Bestes so gar klein ist! Dass ihr Bösestes so gar klein ist! – also lachte ich.
Meine weise Sehnsucht schrie und lachte also aus mir, die auf Bergen geboren ist, eine wilde Weisheit wahrlich! – meine grosse flügelbrausende Sehnsucht.
Und oft riss sie mich fort und hinauf und hinweg und mitten im Lachen: da flog ich wohl schaudernd, ein Pfeil, durch sonnentrunkenes Entzücken:
– hinaus in ferne Zukünfte, die kein Traum noch sah, in heissere Süden, als je sich Bildner träumten: dorthin, wo Götter tanzend sich aller Kleider schämen: –
– dass ich nämlich in Gleichnissen rede und gleich Dichtern hinke und stammle: und wahrlich, ich schäme mich, dass ich noch Dichter sein muss! –
Wo alles Werden mich Götter-Tanz und Götter-Muthwillen dünkte, und die Welt los- und ausgelassen und zu sich selber zurückfliehend: –
– als ein ewiges Sich-fliehn und –Wiedersuchen vieler Götter, als das selige Sich-Widersprechen, Sich-Wieder-hören, Sich-Wieder-Zugehören vieler Götter: –
Wo alle Zeit mich ein seliger Hohn auf Augenblicke dünkte, wo die Nothwendigkeit die Freiheit selber war, die selig mit dem Stachel der Freiheit spielte: –
Wo ich auch meinen alten Teufel und Erzfeind wiederfand, den Geist der Schwere und Alles, was er schuf: Zwang, Satzung, Noth und Folge und Zweck und Wille und Gut und Böse: –
Denn muss nicht dasein, über das getanzt, hinweggetanzt werde? Müssen nicht um der Leichten, Leichtesten willen – Maulwürfe und schwere Zwerge dasein? – –
3
Dort war’s auch, wo ich das Wort »Übermensch« vom Wege auflas, und dass der Mensch Etwas sei, das überwunden werden müsse,
– dass der Mensch eine Brücke sei und kein Zweck: sich selig preisend ob seines Mittags und Abends, als Weg zu neuen Morgenröthen:
– das Zarathustra-Wort vom grossen Mittage, und was sonst ich über den Menschen aufhängte, gleich purpurnen zweiten Abendröthen.
Wahrlich, auch neue Sterne liess ich sie sehn sammt neuen Nächten; und über Wolken und Tag und Nacht spannte ich noch das Lachen aus wie ein buntes Gezelt.
Ich lehrte sie all mein Dichten und Trachten: in Eins zu dichten und zusammen zu tragen, was Bruchstück ist am Menschen und Räthsel und grauser Zufall, –
– als Dichter, Räthselrather und Erlöser des Zufalls lehrte ich sie an der Zukunft schaffen, und Alles, das war –, schaffend zu erlösen.
Das Vergangne am Menschen zu erlösen und alles »Es war« umzuschauen, bis der Wille spricht: »Aber so wollte ich es! So werde ich’s wollen –«
– Diess hiess ich ihnen Erlösung, Diess allein lehrte ich sie Erlösung heissen. – –
Nun warte ich meiner Erlösung –, dass ich zum letzten Male zu ihnen gehe.
Denn noch Ein Mal will ich zu den Menschen: unter ihnen will ich untergehen, sterbend will ich ihnen meine reichste Gabe geben!
Der Sonne lernte ich Das ab, wenn sie hinabgeht, die Überreiche: Gold schüttet sie da in’s Meer aus unerschöpflichem Reichthume, –
– also, dass der ärmste Fischer noch mit goldenem Ruder rudert! Diess nämlich sah ich einst und wurde der Thränen nicht satt im Zuschauen. – –
Der Sonne gleich will auch Zarathustra untergehn: nun sitzt er hier und wartet, alte zerbrochne Tafeln um sich und auch neue Tafeln, – halbbeschriebene.
4
Siehe, hier ist eine neue Tafel: aber wo sind meine Brüder, die sie mit mir zu Thale und in fleischerne Herzen tragen? –
Also heischt es meine grosse Liebe zu den Fernsten: schone deinen Nächsten nicht! Der Mensch ist Etwas, das überwunden werden muss.
Es giebt vielerlei Weg und Weise der Überwindung.- da siehe du zu! Aber nur ein Possenreisser denkt: »der Mensch kann auch übersprungen werden.«
Überwinde dich selber noch in deinem Nächsten: und ein Recht, das du dir rauben kannst, sollst du dir nicht geben lassen!
Was du thust, das kann dir Keiner wieder thun. Siehe, es giebt keine Vergeltung.
Wer sich nicht befehlen kann, der soll gehorchen. Und Mancher kann sich befehlen, aber da fehlt noch Viel, dass er sich auch gehorche!
5
Also will es die Art edler Seelen: sie wollen Nichts umsonst haben, am wenigsten das Leben.
Wer vom Pöbel ist, der will umsonst leben; wir Anderen aber, denen das Leben sich gab, – wir sinnen immer darüber, was wir am besten dagegen geben!
Und wahrlich, diess ist eine vornehme Rede, welche spricht: »was uns das Leben verspricht, das wollen wir – dem Leben halten!«
Man soll nicht geniessen wollen, wo man nicht zu geniessen giebt. Und – man soll nicht geniessen wollen!
Genuss und Unschuld nämlich sind die schamhaftesten Dinge: Beide wollen nicht gesucht sein. Man soll sie haben –, aber man soll eher noch nach Schuld und Schmerzen suchen! –
6
Oh meine Brüder, wer ein Erstling ist, der wird immer geopfert. Nun aber sind wir Erstlinge.
Wir bluten Alle an geheimen Opfertischen, wir brennen und braten Alle zu Ehren alter Götzenbilder.
Unser Bestes ist noch jung: das reizt alte Gaumen. Unser Fleisch ist zart, unser Fell ist nur ein Lamm-Fell: – wie sollten wir nicht alte Götzenpriester reizen!
In uns selber wohnt er noch, der alte Götzenpriester, der unser Bestes sich zum Schmause brät. Ach, meine Brüder, wie sollten Erstlinge nicht Opfer sein!
Aber so will es unsre Art; und ich liebe Die, welche sich nicht bewahren wollen. Die Untergehenden liebe ich mit meiner ganzen Liebe: denn sie