Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше

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Gesammelte Werke - Фридрих Вильгельм Ницше


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aus­hal­te und nicht um­her­schwei­fe.

      Sol­ches Um­her­schwei­fen tauft sich »Nächs­ten­lie­be«: mit die­sem Wor­te ist bis­her am bes­ten ge­lo­gen und ge­heu­chelt wor­den, und son­der­lich von Sol­chen, die al­ler Welt schwer fie­len.

      Und wahr­lich, das ist kein Ge­bot für Heu­te und Mor­gen, sich lie­ben ler­nen. Viel­mehr ist von al­len Küns­ten die­se die feins­te, lis­tigs­te, letz­te und ge­duld­sams­te.

      Für sei­nen Ei­ge­ner ist näm­lich al­les Ei­ge­ne gut ver­steckt; und von al­len Schatz­gru­ben wird die eig­ne am spä­tes­ten aus­ge­gra­ben, – also schafft es der Geist der Schwe­re.

      Fast in der Wie­ge giebt man uns schon schwe­re Wor­te und Wert­he mit: »gut« und »böse« – so heisst sich die­se Mit­gift. Um de­rent­wil­len ver­giebt man uns, dass wir le­ben.

      Und dazu lässt man die Kind­lein zu sich kom­men, dass man ih­nen bei Zei­ten weh­re, sich sel­ber zu lie­ben: also schafft es der Geist der Schwe­re.

      Und wir – wir schlep­pen treu­lich, was man uns mit­giebt, auf har­ten Schul­tern und über rau­he Ber­ge! Und schwit­zen wir, so sagt man uns: »Ja, das Le­ben ist schwer zu tra­gen!«

      Aber der Mensch nur ist sich schwer zu tra­gen! Das macht, er schleppt zu vie­les Frem­de auf sei­nen Schul­tern. Dem Ka­mee­le gleich kniet er nie­der und lässt sich gut auf­la­den.

      Son­der­lich der star­ke, trag­sa­me Mensch, dem Ehr­furcht in­ne­wohnt: zu vie­le frem­de schwe­re Wor­te und Wert­he lädt er auf sich, – nun dünkt das Le­ben ihm eine Wüs­te!

      Und wahr­lich! Auch man­ches Ei­ge­ne ist schwer zu tra­gen! Und viel In­wen­di­ges am Men­schen ist der Aus­ter gleich, näm­lich ekel und schlüpf­rig und schwer er­fass­lich –,

      – also dass eine edle Scha­le mit ed­ler Zie­rath für­bit­ten muss. Aber auch die­se Kunst muss man ler­nen: Scha­le ha­ben und schö­nen Schein und klu­ge Blind­heit!

      Aber­mals trügt über Man­ches am Men­schen, dass man­che Scha­le ge­ring und trau­rig und zu sehr Scha­le ist. Viel ver­bor­ge­ne Güte und Kraft wird nie er­rat­hen; die köst­lichs­ten Lecker­bis­sen fin­den kei­ne Schme­cker!

      Die Frau­en wis­sen das, die köst­lichs­ten: ein We­nig fet­ter, ein We­nig ma­ge­rer – oh wie viel Schick­sal liegt in so We­ni­gem!

      Der Mensch ist schwer zu ent­de­cken und sich sel­ber noch am schwers­ten; oft lügt der Geist über die See­le. Also schafft es der Geist der Schwe­re.

      Der aber hat sich sel­ber ent­deckt, wel­cher spricht: Das ist mein Gu­tes und Bö­ses: da­mit hat er den Maul­wurf und Zwerg stumm ge­macht, wel­cher spricht »Al­len gut, Al­len bös.«

      Wahr­lich, ich mag auch Sol­che nicht, de­nen jeg­li­ches Ding gut und die­se Welt gar die bes­te heisst. Sol­che nen­ne ich die All­ge­nüg­sa­men.

      All­ge­nüg­sam­keit, die Al­les zu schme­cken weiss: das ist nicht der bes­te Ge­schmack! Ich ehre die wi­der­späns­ti­gen wäh­le­ri­schen Zun­gen und Mä­gen, wel­che »Ich« und »Ja« und »Nein« sa­gen lern­ten.

      Al­les aber kau­en und ver­dau­en – das ist eine rech­te Schwei­ne-Art! Im­mer I-a sa­gen – das lern­te al­lein der Esel, und wer sei­nes Geis­tes ist! –

      Das tie­fe Gelb und das heis­se Roth: so will es mein Ge­schmack, – der mischt Blut zu al­len Far­ben. Wer aber sein Haus weiss tüncht, der ver­räth mir eine weiss­ge­tünch­te See­le.

      In Mu­mi­en ver­liebt die Ei­nen, die An­dern in Ge­s­pens­ter; und Bei­de gleich feind al­lem Fleisch und Blu­te – oh wie ge­hen Bei­de mir wi­der den Ge­schmack! Denn ich lie­be Blut.

      Und dort will ich nicht woh­nen und wei­len, wo Je­der­mann spuckt und speit: das ist nun mein Ge­schmack, – lie­ber noch leb­te ich un­ter Die­ben und Mein­ei­di­gen. Nie­mand trägt Gold im Mun­de.

      Wi­d­ri­ger aber sind mir noch alle Spei­chel­le­cker; und das wid­rigs­te Thier von Mensch, das ich fand, das tauf­te ich Schma­rot­zer: das woll­te nicht lie­ben und doch von Lie­be le­ben.

      Un­se­lig heis­se ich Alle, die nur Eine Wahl ha­ben: böse Thie­re zu wer­den oder böse Thier­bän­di­ger: bei Sol­chen wür­de ich mir kei­ne Hüt­ten bau­en.

      Un­se­lig heis­se ich auch Die, wel­che im­mer war­ten müs­sen, – die ge­hen mir wi­der den Ge­schmack: alle die Zöll­ner und Krä­mer und Kö­ni­ge und and­ren Län­der- und La­den­hü­ter.

      Wahr­lich, ich lern­te das War­ten auch und von Grund aus,

      – aber nur das War­ten auf mich. Und über Al­lem lern­te ich stehn und gehn und lau­fen und sprin­gen und klet­tern und tan­zen.

      Das ist aber mei­ne Leh­re: wer einst flie­gen ler­nen will, der muss erst stehn und gehn und lau­fen und klet­tern und tan­zen ler­nen: – man er­fliegt das Flie­gen nicht!

      Mit Strick­lei­tern lern­te ich man­ches Fens­ter er­klet­tern, mit hur­ti­gen Bei­nen klomm ich auf hohe Mas­ten: auf ho­hen Mas­ten der Er­kennt­niss sit­zen dünk­te mich kei­ne ge­rin­ge Se­lig­keit, –

      – gleich klei­nen Flam­men fla­ckern auf ho­hen Mas­ten: ein klei­nes Licht zwar, aber doch ein gros­ser Trost für ver­schla­ge­ne Schif­fer und Schiff­brü­chi­ge! –

      Auf vie­ler­lei Weg und Wei­se kam ich zu mei­ner Wahr­heit; nicht auf Ei­ner Lei­ter stieg ich zur Höhe, wo mein Auge in mei­ne Fer­ne schweift.

      Und un­gern nur frag­te ich stets nach We­gen, – das gieng mir im­mer wi­der den Ge­schmack! Lie­ber frag­te und ver­such­te ich die Wege sel­ber.

      Ein Ver­su­chen und Fra­gen war all mein Ge­hen: – und wahr­lich, auch ant­wor­ten muss man ler­nen auf sol­ches Fra­gen! Das aber – ist mein Ge­schmack:

      – kein gu­ter, kein schlech­ter, aber mein Ge­schmack, des­sen ich we­der Scham noch Hehl mehr habe.

      »Das – ist nun mein Weg, – wo ist der eure?« so ant­wor­te­te ich De­nen, wel­che mich »nach dem Wege« frag­ten. Den Weg näm­lich – den giebt es nicht!

      Also sprach Za­ra­thustra.

      Von alten und neuen Tafeln

      1

      Hier sit­ze ich und war­te, alte zer­bro­che­ne Ta­feln um mich und auch neue halb be­schrie­be­ne Ta­feln. Wann kommt mei­ne Stun­de?

      – die Stun­de mei­nes Nie­der­gan­ges, Un­ter­gan­ges: denn noch Ein Mal will ich zu den Men­schen gehn.

      Dess war­te ich nun: denn erst müs­sen mir die Zei­chen kom­men, dass es mei­ne Stun­de sei, – näm­lich der la­chen­de Löwe mit dem Tau­ben­schwar­me.

      In­zwi­schen rede ich als Ei­ner, der Zeit hat, zu mir sel­ber. Nie­mand er­zählt mir Neu­es: so er­zäh­le ich mir mich sel­ber. –

      2

      Als ich zu den Men­schen kam, da fand ich sie sit­zen auf ei­nem al­ten Dün­kel: Alle dünk­ten sich lan­ge schon zu wis­sen, was dem Men­schen gut und böse sei.

      Eine alte müde Sa­che dünk­te ih­nen al­les Re­den von Tu­gend; und wer gut schla­fen woll­te,


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