Der Dichter in Dollarica. Ernst von Wolzogen

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Der Dichter in Dollarica - Ernst von  Wolzogen


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       Inhaltsverzeichnis

      Angelsachsen und Kelten. Rassestolz. Töchter im Tauschhandel.

      Es ist ein weitverbreiteter europäischer Irrtum, daß sich in den Vereinigten Staaten Nordamerikas allmählich durch energisches Umrühren eines überaus buntscheckigen Völkergemisches die Bildung einer neuen Rasse vollziehe. Ich gestehe, daß ich mich, bevor ich selber drüben war, gleichfalls in diesem Irrtum befunden habe und mir von jenem zukünftigen form- und farblosen Völkerbrei nichts Gutes versprach. Wer aber mit offenen Augen und ohne vorgefaßte Meinung sich die Menschen in den Vereinigten Staaten anschaut und von verkeilten Theoretikern sich nichts weis machen läßt, der muß zu der Erkenntnis kommen, daß es drüben (mit Ausnahme der südlichsten Staaten) nur Yankees1 und Fremdvölker gibt. Der Yankee aber ist ein reiner Großbritannier oder, wenn man will, eine Mischrasse aus Angelsachsen und Kelten, in welcher das keltische Blut stärker vertreten ist als im alten England. Durch die neuen, eigenartigen Lebensbedingungen, vor die seit drei Jahrhunderten die Auswanderer aus den britischen Inseln in dem neuen Weltteil gestellt wurden – drei Jahrhunderte voll harter Kämpfe, wilder Arbeit und glänzender Erfolge – haben sich die guten wie die schlechten Eigenschaften des angelsächsischen und des keltischen Blutes aufs heftigste herauskristallisieren und der neuen, gut durchgemischten [pg 21]Rasse dadurch auch einen neu erscheinenden Charakter aufzwingen müssen. Angelsächsisch im Wesen des Yankees ist sein Kolonisationstalent, seine Zähigkeit im Verfolgen des Zwecks, seine nüchterne Beschränkung auf das Nächstliegende, Nützliche, Erfolgversprechende; dagegen ist auf den keltischen Einschlag zurückzuführen sein leichtherziger Optimismus, sein wagemutiges Spielertemperament, seine Begeisterungsfähigkeit und seine leichte Zugänglichkeit für alle Arten von Korruption. Der als Spieler, Säufer und Raufbold einigermaßen berüchtigte Irländer spielt in der Weltgeschichte gewiß keine besonders sympathische Rolle, aber der englische Puritaner aus Cromwells Zeiten war denn doch noch ein weit üblerer Geselle. Mit den argen Schwächen des Iren konnte seine katholisch gefärbte Phantastik, sein kindlich liebenswürdiger Frohsinn immerhin versöhnen, während die sittenstrenge Lebensführung und die ehrenhafte Geschäftstüchtigkeit des Puritaners doch noch lange nicht hinreichen, um uns mit seiner niedrigen, boshaften Feindschaft gegen die Natur, gegen alles Freie, Frohe, Schöne und mit seinem muffigen Tugendhochmut auszusöhnen. „Der Herr ist mit uns“, war das Feldgeschrei der Pilgerväter – aber dieser Herr war eben ein grimmiger Spezialgott für die Rechtgläubigen, d. h. also für die blinden Anbeter des Bibelbuchstabens. Und dieser grimmige Spezialgott begeisterte sein auserwähltes Volk dazu, die Rothäute mit Feuerwasser und Feuerwaffen auszurotten und die Ketzer mit Skorpionen zu züchtigen. Wenn drüben nicht anfangs die Menschen so rar und die Hände so notwendig gewesen wären, hätten diese europäischen Berserker gerade so eifervoll wie die Dominikaner der Inquisition mit Folter und Scheiterhaufen gegen Papisten und protestantische Sektierer gewütet, so aber begnügten [pg 22]sie sich damit, alle denkenden Köpfe, alle freien Geister, alle vornehmen Menschen geschäftlich lahm zu legen und aus ihren Wohnorten hinauszuekeln. Ein amerikanischer Geschichtsschreiber sagt, daß bei den Puritanern außer Heiraten und Geldverdienen eigentlich alles verboten war. Bei schwerer Strafe im Nichtbeachtungsfalle war jedem Bürger vorgeschrieben, wie er sich zu kleiden und zu benehmen, was er zu essen und zu trinken, was er zu denken und wie er zu fühlen habe. Selbstverständlich wären diese Menschen niemals die Begründer des größten demokratischen Freistaates der Welt geworden, wenn nicht ihre geschäftlichen Interessen sie gezwungen hätten, allmählich einen nach dem anderen von ihren starren Grundsätzen fallen zu lassen. Die Kolonie Rhode-Island, von einem abtrünnigen, grimmig verfolgten Prediger, dem edlen Roger Williams, gegründet, war die erste, welche religiöse Toleranz und wahrhaft freiheitliche Grundsätze einführte, und gerade sie gedieh so sichtbarlich besser als die Puritanerkolonien, daß die frommen Väter am geschäftlichen Vorteil ihrer Strenge zu zweifeln begannen. Das war das Ausschlaggebende. Von jeher hat der angelsächsischen Rasse der praktische Nutzen über allen Idealen gestanden, und ihr klarer, nüchterner Wirklichkeitssinn hat sie noch immer davor bewahrt, sich trotz ihres Hanges zum Spleen in unfruchtbare Träumereien und eigensinnige Prinzipienreiterei zu verlieren. Das englische Denken ist durchaus matter of fact, und diese Eigenschaft hat die Engländer befähigt, die mustergültigsten Kolonisatoren der Neuzeit, Handelsherren großen Stiles und kaltblütige Geschäfts-Politiker zu werden. Für das Klima des nördlichen amerikanischen Kontinents waren darum auch die Angelsachsen die denkbar geeignetsten Besiedler. Die rote [pg 23]Urbevölkerung war trotz ihrer Kriegstüchtigkeit, trotz ihrer Klugheit und Noblesse ihnen gegenüber verloren, denn die Indianer waren fromm naturgläubig und darum hilflos abhängig von der Natur, die für die naturfeindlichen Puritaner nur ein Objekt zur Ausbeutung durch den Menschen bedeutete. Die starke Beimischung keltischen Blutes hat nun, wie gesagt, viel dazu beigetragen, die unsympathischen Charaktereigenschaften der angelsächsischen Rasse zu verwischen. Das feurige Temperament der Kelten besiegte die englische Steifheit und langweilige Ehrpußlichkeit und erzeugte in der Vereinigung jenes Geschlecht von waghalsigen Draufgängern, von willensstarken Optimisten, dem allein das große Werk gelingen konnte, durch die Steppe, durch die Wüste und über das wilde Hochgebirge hinweg bis zu den üppigen Gestaden des Stillen Ozeans vorzudringen und sich selbst zu einer Herrenrasse aufzuschwingen, der alle übrigen von Europa nachdringenden Völker sich ebenso bedingungslos unterwerfen mußten, wie die unglücklichen Eingeborenen. Die unwiderstehliche Kraft des Yankeetums liegt ohne Zweifel in seinem unbeugsamen Rassestolz. Dem Yankee ist es so heilig ernst damit, daß er sich nicht einmal im Spaß, d. h. im freien Verhältnis, viel weniger in der Ehe, mit den Angehörigen der zahlreichen anderen Rassen, die seinen riesigen Kontinent bevölkern, vermischt. Für die lateinischen Eroberer Südamerikas und auch der südlichen Länder des nördlichen Kontinents hat es immer einen, wie es scheint, besonderen Reiz gehabt, sich liebespielerisch mit Frauen anderer Hautfarbe abzugeben. Und was ist dabei herausgekommen? Kreolen, Mestizen, Quatronen usw. usw., ein schauderhaftes Gesindel, das für jede höhere Gesittung verloren ist, zuchtlos, widerstandsunfähig, in Leidenschaften verlottert [pg 24]oder in Trägheit versumpft. Solches Menschenmaterial ist kaum durch Schrecken zu regieren, viel weniger durch friedliche Mittel zu einer höheren Kultur emporzuführen, denn Mischmasch-Menschen nehmen eben keine Vernunft an; das Beispiel so mancher südamerikanischen Republik beweist es. Der Yankee-Mann dagegen hat sich selbst in den Zeiten, als die Frauen der größte Luxusartikel im Lande waren, niemals mit Indianermädchen beholfen; seine Vernunft begeisterte ihn zu der Großtat edelster Gerechtigkeit, die Sklaverei aufzuheben in einer Zeit, als diese Sklaverei im Grunde doch noch die einzige Möglichkeit gewährte, die Plantagenwirtschaft der üppig fruchtbaren Länder des heißen Südens durchzuführen. Dennoch hält er es bis auf den heutigen Tag für die größte Schande, die ein Weißer auf sich laden kann, sich geschlechtlich mit den von ihm zu Menschen gemachten Schwarzen zu vermischen. Aber er geht noch viel weiter, indem er auch die aus Europa herübergekommenen anderen weißen Rassen, die Romanen, die Slawen, die Juden, ja selbst die ihm nächst verwandten Deutschen und Franzosen als Menschen zweiter Klasse ansieht! Gewiß heißt er alle Völker der Erde vorläufig noch gastlich willkommen, weil eben noch recht viel Platz in seinem riesigen Lande ist und weil er die Arbeitskraft der Fremden, so lange sie sich bescheiden gebärden und mit Eifer nützlich machen, gut gebrauchen kann. Er gewährt diesen Fremden das Bürgerrecht, er läßt sie an allen Vorteilen seiner freien Einrichtungen teilnehmen, er hat nichts dawider, wenn sie sich von dem Reichtum seines Landes so viel aneignen, als ihnen irgend möglich ist, aber er weiß sie überaus geschickt von den einflußreichen Staatsämtern fernzuhalten und zeigt sich durch[pg 25]aus nicht übermäßig beflissen, um ihre schönen Töchter zu freien oder seine schönen Töchter ihnen ins Haus zu führen. Als im Februar dieses Jahres die Tochter des Milliardärs Jay Gould – nicht etwa einen herunter gekommenen deutschen oder polnischen Adeligen, sondern einen reichen und kerngesunden jungen englischen Lord heiraten wollte, empfingen sowohl die Braut wie deren Eltern aus allen Ländern der Union entrüstete Protestkundgebungen, ja sogar offene Drohungen, daß das Volk die Hochzeit durch Gewalt verhindern werde. Denn, wie es in einem solchen, in allen Zeitungen veröffentlichten Drohbriefe hieß: das gesunde Blut, der reine Leib und die starke Seele der freien Tochter Amerikas sei viel zu schade, um an die Sprößlinge


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