Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman. Toni Waidacher

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Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman - Toni Waidacher


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Maß Bier hab’ ich auch schon lang’ net mehr getrunken.«

      Als er später über den Hof ging und den Weg hinunter nach St. Johann einschlug, da stand Franziska Pachner hinter dem unbeleuchteten Wohnzimmerfenster und schaute ihm nach, bis er nicht mehr zu sehen war.

      Schwer seufzend riß Franzi sich vom Fenster los und machte sich wieder an ihre Arbeit. Sie haßte das langweilige Zusammenrechnen der Ausgaben und Einnahmen, das Eintragen der endlosen Zahlen. Aber in ein paar Tagen war wieder einmal der Quartalsletzte, und der Steuerberater wartete auf die Unterlagen.

      Aber so recht wollte es ihr nicht mehr gelingen, sich auf die Arbeit zu konzentrieren. Florians Frage, ob sie denn nicht auf den Tanzabend ginge, beschäftigte sie immer wieder. Seit jenem Abend war sie nie wieder ausgegangen, aber natürlich konnte der Knecht nichts darüber wissen, und sie war ihm deswegen auch nicht böse. Trotzdem ärgerte es sie, daß sie an dieser Stelle so leicht zu verwunden war. Sie beschloß, sich in Zukunft noch mehr abzuschirmen. Die Geschichte mit dem Tobias Anzengruber war schon eine ganze Weile her, aber Franzi merkte, daß sie es noch immer nicht verwunden hatte. Dabei war ihr nicht klar, was sie damals mehr verletzt hatte, der eigentliche Betrug, oder die kränkenden Worte, die der Anzengruber über sie gesagt hatte.

      Vielleicht, so überlegte sie, würde es ihr helfen, wenn sie sich einmal mit jemandem darüber aussprechen konnte. Nur war ihr nicht so ganz klar, wer dieser jemand sein könnte. Eine wirkliche Freundin hatte sie nicht. Zwar gab es lockere Bekanntschaften, die noch aus der Schulzeit herrührten, aber denen hätte sich die junge Frau in diesen Dingen niemals anvertraut.

      Eigentlich kam nur einer in Betracht, dachte sie schließlich – Pfarrer Trenker. Der gute Hirte von St. Johann, wie er auch genannt wurde, hatte für alles und jeden ein offenes Ohr. Er konnte geduldig zuhören und half aus jeder Lage. Vielleicht würde er auch Franziska helfen können.

      Der Gedanke, sich schon bald einmal richtig aussprechen zu können, ließ sie wie beflügelt weiterarbeiten. Und es ging ihr schneller von der Hand, als es zu Anfang ausgesehen hatte. Als Franziska nach zwei Stunden die Ordner schloß und sich aufatmend zurücklehnte, verspürte sie ein befriedigendes Gefühl.

      Sie ging zum Schrank hinüber, öffnete eine Flasche Wein und gönnte sich ein Glas. Dann setzte sie sich in den Sessel am Fenster, knipste die Stehlampe ein und blätterte in den Zeitschriften, die seit Wochen ungelesen unter dem Tischchen lagen. Als sie ein Modejournal darunter entdeckte, wußte sie plötzlich, was sie so schnell wie möglich machen wollte – in die Kreisstadt fahren und sich etwas Neues zum Anziehen kaufen. Ein schickes Kleid, ein Pullover oder eine Bluse. Sie freute sich närrisch darauf, als sie sich vorstellte, wie sie zwischen all den Kleiderständern herumwühlte.

      Bevor sie später schlafen ging, machte sie noch ein paar Schritte vor die Tür. Drüben beim Gesindehaus war bereits alles dunkel. Bestimmt war Valentin schon schlafen gegangen, schließlich stand er beim ersten Hahnenschrei wieder auf. Franziska schaltete das Hoflicht ein. Wenn Florian nach Hause käme, sollte er nicht im Dunkeln stolpern und stürzen.

      *

      Wie an jedem Wochenende ging’s im Hotel »Zum Löwen« hoch her. Das Restaurant war wie immer gut besucht, und auf dem Saal herrschte das übliche Gedränge. Kaum ein Stuhl war noch frei, auf der Tanzfläche drehten sich die Burschen und Madeln, und oben auf dem Podest spielte die Blaskapelle ein Lied nach dem anderen.

      Während die Saaltöchter die vollen Tabletts an die Tische schleppten, stand Sepp Reisinger, der Wirt vom Löwen, zufrieden am Tresen und beobachtete das Treiben. Wäre es nach ihm gegangen, dann hätte jeder Tag ein Samstag sein können, denn zu keiner anderen Gelegenheit kam so viel Geld in die Kasse.

      Der Blick des Wirtes fiel auf den neuen Gast, der eben durch die Tür in den Saal trat. Ein junger Bursche mit einem freundlichen, offenen Gesicht. Er stand am Eingang und schaute auf die tanzenden Paare. Schließlich wandte er sich zum Tresen um und bestellte eine Maß.

      Sepp Reisinger zapfte und stellte den vollen Krug vor den unbekannten Gast.

      »Zum Wohl«, wünschte er.

      Florian Brunner trank in vollen Zügen und wischte sich hinterher den Schaum von den Lippen.

      »Ah, das tut gut«, meinte er und lachte den Gastwirt an.

      »Bist neu hier?« wollte Sepp wissen.

      Allerdings war eine Unterhaltung in dem ganzen Lärm nicht so einfach. Florian verstand die Frage erst beim zweiten Mal.

      »D’roben vom Pachnerhof komm’ ich her«, erklärte er. »Ich hab’ für eine Weile dort oben Arbeit gefunden.«

      Im selben Augenblick gesellte sich der alte Pankratz hinzu, der den Wandergesell wiedererkannt hatte. Er hatte die letzten Worte mitbekommen.

      »Dann hat’s also geklappt bei der Franziska Pachner?« erkundigte er sich.

      »Freilich. Und schönen Dank noch mal für den Tip«, nickte Florian Brunner. »Ich möcht’ mich revanchieren. Magst eine Maß mittrinken?«

      »Da sag’ ich net nein«, rieb der Alte sich die Hände. »Aber komm’ mit herüber an den Tisch. Da lernst gleich noch ein paar andere Leut’ kennen.«

      Der Knecht vom Pachnerhof folgte dieser Einladung gerne. Mit großem Hallo wurde der Neue in der Mitte der Dörfler begrüßt. Natürlich mußte Florian erzählen, woher er kam, wo er geboren war, warum er in der Welt umherzog und vieles andere mehr.

      Die meisten an dem Tisch waren Leute vom Anzengruberbauern, unter ihnen befand sich auch Tobias. Der Bauerssohn sah den jungen Knecht der Franziska Pachner zwar neugierig an, ansonsten hielt er sich in der Unterhaltung aber zurück.

      Zwei-, dreimal forderte Florian Brunner eines der Madeln zum Tanz auf, und jedesmal bestach er durch sein charmantes Lächeln und sein offenes Wesen. Die jungen Frauen waren hin und weg von diesem gutaussehenden Burschen.

      Als der Tanzabend sich dem Ende neigte, hatte Florian nicht nur eine Menge neuer Bekannter, sondern vor allem auch eine ganze Reihe neuer Verehrerinnen. Gut gelaunt machte er sich auf den Heimweg, und als er am Pachnerhof ankam, der so idyllisch am Berghang lag, da war er überzeugt, daß ihm dieses Tal mit seinen Menschen eine neue Heimat werden könnte.

      *

      Obwohl er in der Nacht so spät nach Hause gekommen war, stand Florian Brunner mit dem ersten Hahnenschrei wieder auf. Den Tieren war es egal, was für ein Tag es war – sie waren es gewohnt, pünktlich um fünf ihr Futter zu bekommen und scherten sich nicht darum, ob die Menschen noch müde waren. Zusammen mit dem alten Valentin machte der junge Knecht sich daran, die Ställe auszumisten, die Kühe an die Melkmaschine anzuschließen und die Schweine mit neuem Futter zu versorgen.

      Unterdessen waren Franziska Pachner und Maria Ohlinger im Haus damit beschäftigt, das Frühstück vorzubereiten. Als die beiden Männer bald darauf die Küche betraten, duftete es herrlich nach Kaffee. Frisches Brot und Butter standen auf dem Tisch. Dazu Marmelade, Käse und Wurst. Franziska kochte Eier, während Maria einen Blechkuchen anschnitt, den sie am Abend vorher gebacken hatte. Nach dem Dankesgebet, das die Bäuerin sprach, langten sie tüchtig zu.

      »Wie war’s denn im Löwen?« erkundigte sich die Magd.

      »Nett war’s«, nickte Florian und kaute munter sein Brot weiter. »Eine Menge netter Leute hab’ ich kennengelernt und viel Spaß gehabt.«

      Dabei beobachtete er aus den Augenwinkeln heraus Franziska Pachner, die so tat, als höre sie gar nicht zu.

      »Auf jeden Fall geh’ ich am nächsten Wochenend’ wieder hinunter. Habt’s ihr keine Lust?«

      Er sah Valentin und Maria an.

      Der alte Knecht schüttelte bloß schmunzelnd den Kopf, während Maria Ohlanger entsetzt die Hände hob.

      »Bloß net«, wehrte sie ab. »Vor vierzig Jahren, da wär’s noch was anderes gewesen. Jetzt sind meine Knochen viel zu alt.«

      »Geh«, mischte sich Franzi in das Gespräch. »Du tust ja g’rad so, als wärst’ schon


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