Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman. Toni Waidacher
Читать онлайн книгу.nickte Sophie Tappert. »Ich bin selbst schon ganz gespannt.«
»Und womit verbringst du den schönen restlichen Sonntag?« fragte der Polizist seinen Bruder.
»Das kann ich dir ganz genau sagen«, erklärte der Geistliche. »Gleich nach dem Essen werde ich mich umziehen und zu einer Bergwanderung aufbrechen. Dabei werd’ ich dir einen Teil deiner Arbeit abnehmen. Ich muß wieder einmal zur Korber-Alm hinauf. Da kann ich mich gleich erkundigen, ob sich jemand unter einem dieser Namen dort oben einquartiert hat.«
Max nickte begeistert. Eigentlich hätte er es sich ja denken können, daß sein Bruder an solch einem Tag nicht zu Hause im Sessel hockte. Bei diesem Wetter lockten die Berge, und Sebastian war der letzte, der diesem Ruf widerstehen konnte. Nicht von ungefähr hatten seine engsten Freunde ihm den Namen »Bergpfarrer« gegeben, wußten sie doch um seine Leidenschaft für die majestätische Bergwelt. Und sportlich gestählt war Sebastian Trenker allemal. Wenn er in seiner Wanderausrüstung unterwegs war, dann ahnte niemand, der ihn nicht kannte, daß es sich um einen Geistlichen handelte. Eher hielt man ihn für eine Sportskanone, ja, sogar mit einem Filmstar hatte man ihn schon in Verbindung gebracht.
Pfarrer Trenker konnte darüber nur amüsiert lächeln. Für ihn war allein wichtig, draußen in der freien Natur zu sein. Wenn er den höchsten Gipfel erklommen hatte, dann fühlte er sich seinem Herrgott so nahe und verbunden wie nie. Dann hielt er Zwiesprache mit ihm, und sehr oft kam er dort oben auf die Lösung eines Problems, mit dem er sich vielleicht schon länger herumschlug.
»Dann vergessen S’ net, ein Stück von dem Bergkäs’ mitzubringen«, warf Frau Tappert ein »Das letzte Stück ist fast aufgebraucht.«
»Das mach’ ich, Frau Tappert. Aber nun spannen S’ uns net länger auf die Folter und verraten uns, was Sie Schönes zum Nachtisch vorbereitet haben.«
Die Perle des Pfarrhaushalts lächelte und verschwand in der Küche. Nach ein paar Minuten kam sie zurück. In der rechten Hand hielt sie eine Kupferkanne, in der es geheimnisvoll zischte und brodelte, in der anderen Hand ein Feuerzeug. Vor dem Tisch entzündete sie es und hielt es an den Pfanneninhalt. Sofort schoß eine hellgelbe Flamme in die Höhe, und ein betörender Duft breitete sich in dem Eßzimmer aus.
»So, ich wünsche einen recht guten Appetit«, sagte sie, während sie die Pfanne auf einem Untersetzer auf dem Tisch plazierte. »Zum Nachtisch habe ich Crêpes Suzette gemacht.«
»Also, Frau Tappert, wenn’s Ihnen jemals in den Sinn kommen sollte, Ihre Stelle hier im Pfarrhaus aufzugeben, dann werd’ ich Sie sofort engagieren«, meinte Max und leckte sich genüßlich die Lippen.
Sein Bruder gab ihm einen freundschaftlichen Knuff.
»Ich werd’ dir helfen, die gute Frau Tapper abzuwerben«, sagte er und drohte mit dem Zeigefinger.
*
»Also, ein bissel merkwürdig find ich’s schon, daß dein Graf uns net mit einem großen Auto abholt, so wie es sich gehört«, bemerkte Sophie auf der Fahrt zum Achsteinsee zu ihrer Freundin. »Statt dessen müssen wir den Bus nehmen.«
Hertha Breitlanger reagierte etwas gereizt. Zum einen ärgerte sie sich selber über den Umstand, mit dem Bus zu ihrer Verabredung fahren zu müssen, zum anderen war sie nervös und gespannt darauf, was Sophie wohl von dem Grafen hielt.
»Er ist net mein Graf«, gab sie zurück. »Wir sind halt gut bekannt.«
Na, dachte die Haushälterin, dafür gibt’s aber eine ganze Menge mit ihm an.
Sie zog es aber vor zu schweigen, bis der Bus die Haltestelle am See erreicht hatte.
»Da ist er«, rief Hertha aufgeregt und deutete auf einen schlanken, hochgewachsenen Mann, der etwas abseits stand und neugierig auf den haltenden Bus schaute.
Die beiden Damen stiegen aus, und Graf Friedrich von Herdingen kam auf sie zu. Er begrüßte Hertha mit einem formvollendeten Diener und schaute dann Sophie Tappert erwartungsvoll an.
»Wollen Sie mich bitte Ihrer Bekannten vorstellen?« bat er.
»Aber natürlich«, beeilte sich Hertha Breitlanger. »Sophie, das ist Graf Friedrich von Herdingen – lieber Graf, das ist Frau Sophie Tappert, eine gute Freundin von mir.«
Der Graf beugte sich über die dargebotene Hand.
»Ich bin entzückt, gnädige Frau«, sagte er und deutete einen Handkuß an.
Die Perle des Pfarrhaushalts schaute ein wenig irritiert. Sie mochte es nicht, wenn jemand sie so geschwollen ansprach. Sie war Frau Tappert, schlicht und einfach! Trotzdem machte sie gute Miene zum bösen Spiel und lächelte.
»Ich freue mich, Sie kennenzulernen, Graf«, antwortete sie. »Hertha hat mir schon soviel von Ihnen erzählt.«
»Ich hoffe, nur Gutes«, lachte er, und Sophie mußte zugeben, daß dieses Lächeln durchaus einen gewissen Charme besaß.
Der Kavalier führte die beiden Damen zu einem Spaziergang rund um den See, wobei er nicht müde wurde, bald der einen, bald der anderen Begleiterin die nötige Aufmerksamkeit zu zollen. Sophie Tappert beobachtete den Grafen genauer. So, wie er sich gab, konnte man ihm durchaus glauben, blauen Geblütes zu sein. Sein ganzes Gehabe hatte etwas Aristokratisches an sich.
*
Auf und in dem See tummelten sich an diesem strahlenden Sonnentag unzählige Surfer, Tretbootfahrer und Wasserratten. Dementsprechend gut besucht waren die umliegenden Cafés und Wirtshäuser. Graf Friedrich kümmerte sich persönlich darum, daß sie einen freien Tisch fanden. Er stand unter einem großen gelben Sonnenschirm im Garten einer Konditorei, die besonders für ihre Linzer- und Prinzregententorte berühmt war.
»Kaffee für alle?« fragte der Graf und bestellte nach einem zustimmenden Kopfnicken der beiden Frauen.
»Ich nehme ein Stückchen Pfirsichtorte, wenn vorhanden«, fügte Friedrich hinzu. »Und Sie, meine Damen?«
Sophie Tappert entschied sich für ein Stückchen Marmorkuchen – nach Torte stand ihr der Sinn heute nicht –, während ihre Freundin dem Kavalier folgte und für sich ebenfalls von der Pfirsichtorte bestellte.
»Mit Sahne?« fragte die freundliche Bedienung.
Hertha und ihr Graf sahen sich an, beide schmunzelten.
»Es ist ja Sonntag«, meinte Friedrich. »Da sollten wir uns mal etwas gönnen.«
»Also, zweimal Pfirsichtorte mit Sahne«, bestätigte das junge Madel mit dem adretten weißen Schürzchen.
Sophie blieb bei ihren Vorsätzen und verzichtete auch auf den dicken Schlagobers. Während sie darauf wartete, daß die Bestellung an den Tisch gebracht wurde, beobachtete die Haushälterin den Bekannten ihrer besten Freundin.
Zwar hatte Sophie Tappert keine psychologische Ausbildung, aber sie besaß eine gehörige Portion Menschenkenntnis, und die sagte ihr, daß etwas an diesem Grafen merkwürdig war. Da war etwas, das sie störte, obgleich sie nicht zu sagen vermochte, was es eigentlich war.
Zum einen war ihr schon diese unstandesgemäße Anfahrt zum See sauer aufgestoßen. Für ihr Verständnis gehörte es sich, daß so ein Blaublütler die Dame, die er offensichtlich verehrte, wenn schon nicht mit einer Kutsche, so doch zumindest mit einem repräsentativen Automobil abholte, und sich nicht an einer Bushaltestelle mit ihr verabredete.
Die große Überraschung sollte aber später kommen. Zunächst gab sich Sophie Tappert alle Mühe, freundlich zu Herthas Eroberung zu sein. Sie erkundigte sich natürlich nach dem Schloß der Familie, immerhin ging sie davon aus, daß der Graf über ein solches verfügte, und es mußte doch wunderbar sein, darin zu wohnen.
Friedrich von Herdingen hüstelte etwas, bevor er antwortete.
»Wissen Sie, Gnädigste, das Schloß meiner Vorfahren ist in einem desolaten Zustand. Es ist völlig unmöglich, sich darin länger als ein paar Stunden aufzuhalten, geschweige denn darin zu wohnen.«
»Das ist