Der Bergpfarrer Staffel 9 – Heimatroman. Toni Waidacher

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Der Bergpfarrer Staffel 9 – Heimatroman - Toni Waidacher


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      Nicole stimmte ihm zu. Die Häuser, geschmückt mit Lüftlmalereien, schienen schon sehr alt zu sein, wirkten aber äußerst gepflegt. Die Fassaden wurden regelmäßig gestrichen, die Schindeln der Dächer erneuert.

      »Hätten S’ net Lust, die Kirche anzuschaun?« fragte Florian. »Im Prospekt stand, daß sie sehr schön sein soll.«

      »Ja, das hab’ ich auch gelesen«, antwortete sie.

      Sie überquerten die Straße. Während er neben ihr ging, musterte Florian sie immer wieder. Er konnte es eigentlich nicht begreifen, aber etwas in ihm war da, das ihn unruhig werden ließ. Seit mit Marion Schluß war, hatte er sich verkrochen. Kaum noch, daß er sich bei seinen Freunden sehen ließ, von den regelmäßigen Kneipenbesuchen ganz zu schweigen, und auf Feten traf man ihn überhaupt nicht mehr an. Die Fahrt nach St. Johann war ein erster Versuch, dieser selbstgewählten Einsamkeit zu entgehen. Dabei hatte er bewußt darauf verzichtet, zu Hause wieder unter die Leute zu gehen. Zu groß war die Gefahr, daß er dabei auf Marion treffen würde, und die Wunde wieder aufbrach, die gerade eben dabei war, sich zu schließen.

      Allerdings hatte er auch nicht damit gerechnet, einer so zauberhaften, jungen Frau, wie Nicole, zu begegnen. Und schon gar nicht, daß er sich auf den ersten Blick in sie verlieben könnte.

      Schon an der Haltestelle, als sie auf den Reisebus gewartet hatten, war sie ihm aufgefallen. Florian hatte es so eingerichtet, daß er schräg hinter ihr saß. So konnte er sie immer wieder betrachten, ohne aufzufallen.

      Allerdings schien Nicole seine Blicke gespürt zu haben, denn ab und an drehte sie sich unvermutet um und sah ihn an. Florian hatte dann schnell seinen Blick gesenkt und getan, als suche er etwas in der Tasche, in der er ein wenig Reiseproviant mit sich führte.

      Allerdings hatte er sich da noch nicht träumen lassen, daß er jetzt, Seite an Seite mit dieser wunderbaren Frau, durch St. Johann spazieren würde.

      Er öffnete die Kirchentür und ließ Nicole den Vortritt. Beide blieben sie in dem Vorraum stehen und hielten unwillkürlich den Atem an.

      »Ist das schön«, flüsterte die junge Lehramtsstudentin, als sie endlich ihre Stimme wiederfand.

      Florian nickte. Langsam schritten sie den Mittelgang hinunter und staunten über die Pracht, die sich ihnen bot.

      Gold, Blau und rot waren die vorherrschenden Farben, mit denen das Gotteshaus verziert war. Die Fensterbilder zeigten Motive aus der Bibel, ebenso, wie die kunstvollen Deckengemälde.

      Nicole ließ sich auf eine Bank nieder und schaute stumm zum geschmückten Altar. Florian, der sich neben sie setzte, blickte sie von der Seite her an.

      Gütiger Himmel, dachte er, kann es wirklich sein, daß ich mich Hals über Kopf in diese Frau verliebt habe?

      Dabei tat mein Herz heut’ morgen noch weh, wenn ich an Marion gedacht hab’. Doch jetzt verschwend’ ich kaum noch einen Gedanken an sie.

      Nicole spürte seinen Blick. Sie wendete den Kopf und sah ihn lächelnd an.

      Während der Reise hierher, hatte sie nicht so recht gewußt, wie sie Florian Mooser einordnen sollte. Ein Mitreisender, der es offenbar darauf angelegt hatte, mit ihr zu flirten. Später, während des Kaffeetrinkens, hatte er sich als netter, angenehmer Plauderer herausgestellt, und irgendwie war sie ganz glücklich darüber, daß sie ihn zum Tischnachbarn hatte.

      Als sie dann zusammen nach oben gegangen waren, und sie ihr Zimmer betreten hatte, da fühlte sie plötzlich eine heiße Welle, die sie durchströmte. Kein Gedanke mehr an den Mann, der sie so bitter enttäuscht hatte, dafür sah sie nur noch das Gesicht ihres neuen Bekannten, das einfach nicht mehr aus ihren Gedanken weichen wollte.

      »Wunderschön, net wahr?«

      Florian nickte und sah sie dabei so an, daß Nicole nicht wußte, ob er wirklich die Kirche meinte – oder sie…

      »Schaun S’ nur, die Madonna«, sagte sie und deutete auf eine Figur, die auf einem Holzsockel stand.

      Sie standen auf und betrachteten die geschnitzte Gottesmutter näher. Dabei fiel ihnen auch das Gemälde des Erlösers auf, das daneben hing.

      »Sehr ausdrucksstark«, bemerkte Florian. »Als habe der Maler die Furcht Christi vor dem Kommenden, körperlich gespürt und auf die Leinwand übertragen.«

      Sie schritten langsam weiter, und als sie bald darauf wieder vor der Kirchentür standen, waren beide überzeugt, selten ein schöneres Gotteshaus gesehen zu haben.

      »Dieser Pfarrer Trenker scheint mir ein bemerkenswerter Mann zu sein«, meinte Florian, während sie den Kiesweg hinuntergingen. »Ich hatte jedenfalls noch nie einen Bergführer, der im Hauptberuf Seel­sorger ist.«

      »Stimmt«, nickte Nicole. »Allerdings schaut er ja schon gar net so aus. Wenn ich da an unsren Herrn Pfarrer denk’, der mich gefirmt hat. Das war ein ganz anderer Schlag.«

      Sie schlenderten zum Hotel zurück. Auch wenn sie am nächsten Morgen wieder früh aufstehen mußten, so schien sich doch keiner von ihnen dazu entschließen zu können, jetzt schon sein Zimmer aufzusuchen. Im Biergarten waren die Tische und Stühle abgetrocknet worden, und ein paar Gäste saßen dort schon zu einer abendlichen Maß Bier.

      »Wollen wir auch noch?« fragte Florian, mit dem Kopf hinüberdeutend.

      Nicole nickte. Sie hatte gehofft, daß dieser Abend noch nicht zu Ende gehen würde und folgte ihm.

      Vielleicht wird’s ja doch noch ein schöner Geburtstag, dachte sie, während sie unter den großen Bäumen saßen, Radler und Bier tranken und sich unterhielten.

      *

      Am nächsten Morgen herrschte schon in aller Frühe reges Treiben im Hotel. Einige wenige hatten sich nicht entschließen können, an der Bergtour teilzunehmen. Die meisten Gäste saßen jedoch erwartungsvoll im Clubraum und nahmen ihr Frühstück ein. Auf einem langen Tisch lagen die Brotzeitpäckchen bereit. Man hatte zwischen Tee und Kaffee wählen können, der in die mitgebrachten Thermoskannen abgefüllt wurde.

      »Wasser brauchen S’ net mitnehmen«, hatte Sepp Reisinger erklärt. »Ihr Bergführer kennt genug Gebirgsbäche, an denen S’ Ihren Durst löschen können.«

      Nicht wenige Gäste hatten sich wecken lassen, weil sie befürchteten, sonst zu verschlafen. Nicole war allerdings schon wach, bevor ihr Wecker klingelte.

      Einen Moment blieb sie in ihrem Bett liegen.

      Herzlichen Glückwunsch, zum Geburtstag, sagte sie in Gedanken zu sich, und dabei huschte doch eine kleine Träne über ihre Wange.

      Ein wunderschöner Tag hatte es werden sollen, auf der Hütte hatte sie mit Wolfgang darauf anstoßen wollen, und jetzt war alles anders gekommen.

      Nicole widerstand dem Drang, richtig loszuflennen.

      »Los, steh’ auf«, sagte sie, im Selbstgespräch. »Du wolltest dir diesen Tag net verderben lassen!«

      Sie sprang aus dem Bett. Während sie duschte, dachte sie an Florian Mooser. Länger, als sie es vorgehabt hatten, waren sie im Biergarten geblieben. Es war beinahe elf Uhr, als sie auf ihre Zimmer gingen. Aber es war ein schöner Abend gewesen. Sie hatten viel erzählt, aus ihrer Kindheit, von Streichen, die sie den Lehrern in der Schule gespielt hatten, was so alles auf der Uni passiert war.

      Beinahe hätte sich der Abend noch länger ausgedehnt, und Nicole hätte von ihrem Geburtstag am nächsten Tag erzählt. Doch dann verschwieg sie es, und die Vernunft ließ sie schlafen gehen. Keiner von ihnen wollte auf der Bergtour schlappmachen.

      Für den Aufstieg zog sie eine modische, aber dennoch zweckmäßige Cordhose an, über die Bluse zog sie einen Pullover. Um diese Zeit war es noch recht kühl in den Bergen, später würde sie wahrscheinlich die Windjacke ausziehen.

      In ihrem Rucksack steckten all die Sachen, die man benötigte, vor allem der Fotoapparat und zwei Filme, ein dritter befand sich schon in der Kamera. Mit dem Hut in der Hand ging sie zur Tür und öffnete


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