Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant

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Guy de Maupassant – Gesammelte Werke - Guy de Maupassant


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in ih­ren Räu­men wa­ren, sag­te sie mit ei­nem tie­fen Seuf­zer:

      »So, das Schwers­te wäre ge­tan; nun wol­len wir das Üb­ri­ge ho­len.«

      Aber die Schub­la­den des Mö­bels wa­ren bis oben an mit den Sa­chen der al­ten Frau voll­ge­pfropft. Man muss­te die­se erst ir­gend­wo un­ter­brin­gen. Ma­da­me Ca­ra­van kam ein Ge­dan­ke.

      »Geh, hole doch den Holz­kas­ten, der im Flur un­ten steht; er ist kei­ne vier­zig Sous wert und man kann ihn ganz gut hier­her stel­len.«

      Und als der Kas­ten oben war, be­gan­nen sie um­zuräu­men.

      Sie hol­ten nach ein­an­der die Man­chet­ten, die Krä­gel­chen, die Müt­zen und alle die ver­schie­de­nen Klei­nig­kei­ten der al­ten Frau aus den Be­hält­nis­sen, leg­ten sie hin­ter sich und ord­ne­ten sie spä­ter sorg­fäl­tig in dem Holz­kas­ten, um da­durch Ma­da­me Braux, das an­de­re Kind der Ver­stor­be­nen, zu täu­schen, wenn sie am nächs­ten Tage kom­men wür­de.

      Hier­mit fer­tig, tru­gen sie zu­erst die Schub­la­den her­aus, dann das Mö­bel­stück selbst, in­dem je­des an ei­nem Ende an­fass­te; und nun such­ten bei­de län­ge­re Zeit, wo es sich am Bes­ten hin­stel­len ließ. End­lich ent­schied man sich für das Schlaf­zim­mer, wo es dem Bett ge­gen­über zwi­schen den bei­den Fens­tern zu ste­hen kam.

      Nach­dem die Kom­mo­de ein­mal an ih­rem Plat­ze war, tat Ma­da­me Ca­ra­van ihre ei­ge­ne Wä­sche hin­ein. Die Uhr wur­de auf dem Ka­min im Spei­se­zim­mer auf­ge­stellt, und das Ehe­paar be­trach­te­te sich nun, wel­chen Ein­druck sie mach­te.

      »Sehr gut«, sag­te sie.

      »Ja, es macht sich so sehr gut«, ant­wor­te­te er.

      Dann gin­gen sie wie­der zu Bett. Sie lösch­te das Licht aus und bald schlief al­les in bei­den Eta­gen des Hau­ses.

      Es war schon lich­ter Tag, als Ca­ra­van die Au­gen öff­ne­te. Beim Er­wa­chen war ihm an­fangs et­was wirr im Kop­fe, und erst all­mäh­lich kam ihm die Erin­ne­rung an al­les wie­der. Die­se Erin­ne­rung gab ihm einen neu­en Stich ins Herz und er sprang, dem Wei­nen wie­der sehr nahe, aus dem Bett.

      Schnell ging er nach oben und trat in das Zim­mer, wo Ro­sa­lie noch in dem­sel­ben tie­fen Schlum­mer lag, in dem sie die gan­ze Nacht ver­bracht hat­te. Nach­dem er die­se an ihre Ar­beit ge­schickt hat­te, steck­te er neue Ker­zen auf die Leuch­ter und be­trach­te­te dann sei­ne Mut­ter, wäh­rend in sei­nem Ge­hirn jene vor­über­ge­hen­den Spu­ren tiefe­rer Ge­dan­ken, halb re­li­gi­öse, halb phi­lo­so­phi­sche Vor­stel­lun­gen, auf­tauch­ten, wel­che selbst Leu­te von mit­tel­mäs­si­gem Ver­stan­de beim An­blick des To­des zu emp­fin­den pfle­gen.

      Aber schon rief sei­ne Frau wie­der nach ihm und er stieg her­un­ter. Sie hat­te eine Lis­te von al­lem an­ge­fer­tigt, was am Mor­gen zu ge­sche­hen hät­te, und über­reich­te nun die­ses Ver­zeich­nis ih­rem ver­blüff­ten Gat­ten. Er las:

      1. Auf der Mai­rie den To­des­fall an­zei­gen;

      2. den Lei­chen­be­schau­er her­bei bit­ten;

      3. den Sarg be­stel­len;

      4. bei der Kir­che vor­bei­ge­hen;

      5. bei der Be­gräb­nis-An­stalt al­les be­stel­len;

      6. bei der Dru­cke­rei To­des­an­zei­gen be­stel­len;

      7. zum No­tar ge­hen;

      8. den Ver­wand­ten te­le­gra­fie­ren.

      Fer­ner noch eine Men­ge klei­ner Be­sor­gun­gen.

      Nach kur­z­er Zeit nahm er sei­nen Hut und ging.

      Dann, als die Nach­richt sich ver­brei­tet hat­te, ka­men all­mäh­lich die Nach­ba­rin­nen, um die Lei­che zu se­hen.

      Beim Fri­seur im Erd­ge­schoss hat­te zwi­schen die­sem, der ge­ra­de einen Kun­den ra­sier­te, und sei­ner Frau über die­sen Punkt sich eine klei­ne Sze­ne ab­ge­spielt.

      »Das war noch eine«, sag­te die Frau, em­sig ih­ren Strumpf stri­ckend, »und eine Gei­zi­ge dazu, wie es nicht leicht eine zwei­te gibt. Ich konn­te sie nicht gut lei­den, das ist wahr; aber ich wer­de doch wohl ’mal zu ihr hin­auf­ge­hen müs­sen.«

      »Was für Ide­en!« brumm­te ihr Mann, wäh­rend er den Kun­den ein­seif­te. »Nur eine Frau kann auf so et­was kom­men. Sie är­gern uns nicht nur, so lan­ge sie le­ben; nein, auch noch im Tode müs­sen sie uns be­läs­ti­gen.«

      »Es ist stär­ker wie ich«, ent­geg­ne­te sei­ne Frau, ohne sich um sein Ge­brum­me zu küm­mern; »ich muss her­auf! Es quält mich schon den gan­zen Mor­gen. Ich müss­te sonst zeit­le­bens dar­an den­ken; aber wenn ich mir ihr Ge­sicht gut ein­ge­prägt habe, wer­de ich nach­her Ruhe ha­ben.«

      Der Bar­bier zuck­te mit den Ach­seln und flüs­ter­te dem Herrn zu, des­sen Ba­cke er ge­ra­de be­ar­bei­te­te:

      »Ich bit­te Sie, was das für Ide­en sind; ja, die­se Teu­fels-Frau­en. Mir wür­de es we­nig Freu­de ma­chen, einen To­ten an­zu­schau­en.«

      Aber sei­ne Frau hat­te es ge­hört und ent­geg­ne­te mun­ter:

      »Es ist nun ’mal nicht an­ders.«

      Dann leg­te sie ih­ren Strumpf fort und be­gab sich in die ers­te Eta­ge hin­auf.

      Zwei Nach­ba­rin­nen be­fan­den sich schon oben und plau­der­ten mit Ma­da­me Ca­ra­van, wel­che ih­nen ge­nau alle Ein­zeln­hei­ten er­zäh­len muss­te.

      Man be­gab sich ins Ster­be­zim­mer. Die vier Frau­en schli­chen auf den Ze­hen her­ein, be­spreng­ten eine nach der and­ren die Bett­de­cke mit Weih­was­ser, knie­ten nie­der, mach­ten das Kreuz­zei­chen und spra­chen ein kur­z­es Ge­bet; dann er­ho­ben sie sich wie­der und be­trach­te­ten lan­ge mit wei­tauf­ge­ris­se­nen Au­gen, den Mund halb of­fen, die Lei­che, wäh­rend die Schwie­ger­toch­ter der To­ten sich be­müh­te, hin­ter ih­rem vor­ge­hal­te­nen Ta­schen­tu­che ein herz­zer­bre­chen­des Schluch­zen her­vor­zu­brin­gen.

      Als sie sich zum Her­aus­ge­hen wand­te, sah sie an der Türe Ma­rie-Loui­se und Phil­ipp-Au­gust ste­hen, bei­de im Hemd, wel­che neu­gie­rig zu­schau­ten. Sie ver­gass ih­ren künst­lich er­zeug­ten Schmerz und ging mit hoch­ge­ho­be­ner Hand auf sie zu, in­dem sie ih­nen zu­rief:

      »Marsch hin­aus mit Euch, Ihr in­fa­men Ran­gen!«

      Zehn Mi­nu­ten spä­ter stieg sie mit ei­ner neu­en Schar Nach­ba­rin­nen aber­mals hin­auf; man be­spreng­te wie­der­um die Schwie­ger­mut­ter mit Weih­was­ser, man be­te­te und wein­te. Aber plötz­lich be­merk­te sie, noch ganz mit ih­ren Auf­ga­ben be­schäf­tigt, aber­mals die bei­den Kin­der hin­ter sich. Sie ver­ab­reich­te je­dem ge­wis­sen­haft eine Schel­le; aber das nächs­te Mal gab sie dar­um nicht bes­ser Acht. Bei je­der Wie­der­ho­lung der Be­su­che folg­ten ihr im­mer wie­der die bei­den Nichts­nut­ze, knie­ten eben­falls in ei­ner Ecke nie­der und mach­ten ge­nau al­les nach, was sie die Mut­ter tuen sa­hen.

      Nach­mit­tags ver­min­der­te sich die Schar der Neu­gie­ri­gen et­was; schliess­lich kam nie­mand mehr. Ma­da­me Ca­ra­van zog sich in ihr Zim­mer zu­rück, um alle Vor­be­rei­tun­gen für das Lei­chen­be­gäng­nis zu tref­fen und die Tote blieb wie­der al­lein.

      Das Fens­ter des


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