Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen. Emile Zola

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Gesammelte Werke von Emile Zola: Die Rougon-Macquart Reihe, Romane & Erzählungen - Emile Zola


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über ihr entzückendes Kostüm; er habe noch kein herrlicheres gesehen, meinte er geziert.

      Herr Toutin-Laroche reichte Saccard die Hand.

      »Maxime rechnet auf Sie,« sagte der Letztere.

      »Gewiß, gewiß,« erwiderte der neue Senator und sich zu Renée wendend, fügte er hinzu: »Ich habe Ihnen meine Glückwünsche noch nicht dargebracht, Madame ... Das geliebte Kind ist doch jetzt gut untergebracht und ich ...«

      Sie lächelte erstaunt und Saccard sagte:

      »Meine Frau weiß noch nichts ... Wir haben heute Abend die Vermählung zwischen Maxime und Fräulein von Mareuil festgesetzt.«

      Sie lächelte noch immer und verbeugte sich vor Herrn Toutin-Laroche, der sich mit den Worten entfernte:

      »Am Sonntag wird der Kontrakt unterzeichnet, nicht wahr? Ich reise allerdings in geschäftlichen Angelegenheiten nach Nevers, gedenke aber bis dahin wieder hier zu sein.«

      Einen Augenblick blieb sie allein im Vestibule. Sie lächelte nicht mehr und in dem Maße, als sie das soeben Vernommene begriff, erfaßte sie ein wachsender Schauer. Starr blickte sie die rothen Sammttapeten, die wenigen Pflanzen, die Majolikagefäße an. Dann sprach sie laut vor sich hin:

      »Ich muß mit ihm sprechen.«

      Damit kehrte sie in den Salon zurück; doch mußte sie lange an der Thür stehen bleiben, da eine Kotillonfigur den Weg versperrte. Gedämpft spielte das Orchester einen Walzersatz, Die Damen hielten sich an den Händen gefaßt und bildeten einen Kreis, wie ihn kleine Mädchen zu bilden und dazu Kehrreime zu singen pflegen. Dabei drehten sie sich mit möglichster Raschheit im Kreise, zogen sich gewaltsam an den Händen, lachten und strauchelten. In der Mitte des Kreises stand ein Ritter – der boshafte Herr Simpson – mit einer langen, rosenrothen Schärpe, die er mit der Bewegung eines Fischers, der ein Netz auswerfen will, wurfbereit hielt. Doch beeilte er sich durchaus nicht damit; offenbar bereitete es ihm Vergnügen, die Damen sich im Kreise drehen und sich ermüden zu lassen. Schon keuchten dieselben und baten um Gnade. Nun schnellte er die lange Schärpe vor und dies mit solcher Geschicklichkeit, daß sie sich um die Schultern der Marquise von Espanet und der Frau Haffner wand, die sich mit einander drehten. Es war das ein Scherz des Amerikaners. Er wollte mit beiden Damen zu gleicher Zeit tanzen und hatte dieselben bereits umschlungen – die eine mit dem rechten, die andere mit dem linken Arm – als Herr von Saffré mit der strengen Stimme des Kotillonkönigs sagte:

      »Man tanzt nicht mit zwei Damen.«

      Herr Simpson aber wollte die beiden Frauen nicht freigeben, die sich in seinen Armen lachend zurückbogen. Man berieth über den Fall, die Damen wurden ungehalten, das Getümmel wurde immer ärger und die in den Nischen lehnenden Herren fragten neugierig, wie sich Saffré aus der schwierigen Lage ziehen werde. Dieser schien thatsächlich einen Augenblick rathlos und suchte nach einem Ausweg, um durch einen glücklichen Einfall die Lacher auf seine Seite zu bringen. Jetzt lächelte er und jede der beiden Damen bei einer Hand erfassend, flüsterte er ihnen eine Frage ins Ohr, worauf er, nachdem er die Antwort erhalten, sich mit den Worten zu Herrn Simpson wendete:

      »Wählen Sie das Eisenkraut oder wählen Sie das Immergrün?«

      Herr Simpson, der ein wenig einfältig war, sagte, daß er das Immergrün wähle, worauf ihm Herr von Saffré die Marquise überließ.

      »Dies ist das Immergrün,« sagte er dabei.

      Man applaudirte leise, denn die Sache hatte sehr gut gefallen. Herr von Saffré war ein Kotillonführer, »der nicht in Verlegenheit zu bringen war,« wie der Ausdruck der Damen lautete. Inzwischen hatte das Orchester voll eingesetzt und nachdem Herr Simpson mit Frau von Espanet einen Tanz durch den Salon gemacht, geleitete er sie zu ihrem Platz zurück.

      Renée konnte ungehindert durch den Saal schreiten. Sie hatte sich beim Anblick »dieser Dummheiten« die Lippen blutig gebissen und fand, daß all' diese Männer und Frauen, die Schärpen warfen und sich Blumennamen gaben, höchst einfältig seien. In ihren Ohren brauste es; eine zornige Ungeduld erfaßte sie, daß sie ein wildes Verlangen verspürte vorwärts zu dringen und sich mit Gewalt einen Weg zu bahnen. Raschen Schrittes eilte sie durch den Salon, gegen einzelne Paare stoßend, die zu ihren Sitzen zurückkehrten. Sie schritt gerade nach dem Wintergarten, denn da sie weder Luise noch Maxime unter den Tanzenden sah, wußte sie, daß sie die Beiden hinter irgend einem Gebüsch antreffen werde, vereint durch ihren auf Schelmereien und Bosheiten gerichteten Instinkt, welcher sie die dunkeln Ecken aufsuchen ließ, sobald sie irgendwo zusammenkamen. Doch spähte sie vergebens in dem Halbdunkel des Wintergartens umher; sie vermochte nichts zu entdecken, als in dem Schatten eines lauschigen Plätzchens einen großen jungen Mann, der inbrünstig die Hände der kleinen Frau Daste küssend, leisen Tones sagte:

      »Frau von Lauwerens hatte es mir ja gesagt: Sie sind ein Engel.«

      Diese Erklärung, in ihrem Hause, in ihrem Wintergarten, erzürnte sie. Wahrhaftig, Frau von Lauwerens hätte ihren Schacher anderweitig betreiben können! Und Renée hätte eine Erleichterung empfunden, wenn sie all' diese Leute, die so schamlos lärmten, aus ihrem Hause hätte weisen können. Vor dem Bassin stehend, blickte sie in das Wasser und fragte sich, wo sich denn Luise und Maxime versteckt haben mochten. Noch immer spielte das Orchester diesen Walzer, dessen wiegende Klänge ihr beinahe Uebelkeiten verursachten. Dies war unerträglich; konnte sie denn in ihrem Hause nicht einmal mehr ungestört nachdenken? Sie war keines klaren Gedankens mehr fähig. Sie vergaß, daß die beiden jungen Leute noch nicht verheirathet seien und sagte sich, daß dieselben ganz einfach zu Bett gegangen seien. Dann erinnerte sie sich des Speisesaales und rasch stieg sie die Treppen des Wintergartens hinan. Doch an der Thür des großen Salons versperrte ihr zum zweiten Male eine Kotillonfigur den Weg.

      »Dies sind die »schwarzen Punkte«, meine Damen!« sagte Herr von Saffré fein. »Es ist dies meine eigene Erfindung und Sie bekommen sie zum ersten Male zu sehen.«

      Es wurde viel gelacht, während die Herren den Damen die Anspielung erklärten. Der Kaiser hatte ganz kürzlich in einer Rede die Bemerkung gemacht, daß sich am politischen Himmel gewisse »schwarze Punkte« zeigten. Diese schwarzen Punkte hatten, ohne daß Jemand wußte weshalb, Glück gemacht. Die Bevölkerung von Paris bemächtigte sich dieses Ausdrucks und seit acht Tagen drehte sich Alles um die schwarzen Punkte. Herr von Saffré stellte die Herren an einem Ende des Salons derart auf, daß sie den am anderen Ende befindlichen Damen den Rücken kehrten. Sodann gebot er ihnen, ihre Frackschöße emporzuheben, so daß sie damit ihren Hinterkopf verdeckten. Diese Operation wurde inmitten einer tollen Heiterkeit ausgeführt. Buckelig, mit eingezogenen Schultern, mit den aufgehobenen Frackschößen, die ihnen kaum bis zu den Hüften reichten, boten die Herren wahrhaftig einen abscheulichen Anblick.

      »Lachen Sie nicht, meine Damen!« rief Herr von Saffré mit drolligem Ernst aus; »oder ich lasse Sie Ihre Spitzentücher zurückschlagen.«

      Das allgemeine Gelächter ertönte noch lauter, während er einzelnen Herren gegenüber, die ihre Köpfe nicht verbergen wollten, seine Autorität energisch geltend machte.

      »Sie stellen die »schwarzen Punkte« vor,« sagte er zu ihnen. »Verhüllen Sie Ihre Köpfe und zeigen Sie blos den Rücken, so daß die Damen blos Schwarzes zu sehen bekommen ... Und nun vorwärts, mengen Sie sich unter einander, damit man Sie nicht mehr erkennen könne.«

      Die Heiterkeit hatte ihren Höhepunkt erreicht. Die »schwarzen Punkte« kamen und gingen auf ihren dünnen Beinen wie Raben, die keine Köpfe haben. Man sah sogar ein Stück von dem Hemde eines Herrn sammt Hosenträger und nun begannen die Damen zu rufen, man möge aufhören, sonst müßten sie ersticken und Herr von Saffré hatte so viel Einsehen, ihnen zu befehlen, sie mögen nun jede sich einen »schwarzen Punkt« aussuchen. Die Damen stoben unter lautem Rauschen ihrer Röcke wie ein Schwarm junger Rebhühner davon und bei den Herren angelangt, erfaßte Jede den Kavalier, der ihr unter die Hände gerieth. Die Verwirrung war eine ungeheure. Und nun tanzten die improvisirten Paare in langer Reihe den Walzer, welchen das Orchester unermüdlich zu Gehör brachte.

      Renée hatte sich an die Mauer gelehnt und starrte bleich, mit zusammengepreßten


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