Gesammelte Werke: Historische Romane, Kriminalromane, Erzählungen & Essays. Rudolf Stratz

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Gesammelte Werke: Historische Romane, Kriminalromane, Erzählungen & Essays - Rudolf Stratz


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alte Herr runzelte die Stirne.

      »Ja. Aber nur, wenn's auch wirklich was Rares is!«

      »Geben Sie her!« Er nahm das Geld, steckte es ein und schrieb ... »...Athanas ist 'ne gute Nummer. Und bringt Geld! Der Gaul ist vom Handicapper viel zu gelind angefaßt! ... Da kann man noch was verdienen!«

      »Dank' schön!« Der Kellner neigte sich vertraulich zu dem am Tisch Sitzenden herab ... »...sagen's, Herr Baron! ... Wie ist es denn mit meinem Privatkonto? Ich hab' doch die ganze Rechnung im Cafe die beiden letzten Wochen beim Zahlkellner ausgelegt, und amal muß ich's doch wieder ...«

      »In den nächsten Tagen, mein lieber Meisinger ...« der Freiherr blätterte in anscheinender Zerstreuung in den alten Journalen auf dem Tisch ... »...in den nächsten Tagen ... heute ... sehen Sie ja ... bin ich sehr beschäftigt ...«

      »Alsdann ... Servus!« Der Kellner entfernte sich mit einem nochmaligen zögernden Blick auf Thea, die nebenan am Fenster stand.

      »Papa ... bist du denn wirklich so arm?«

      Ihre Stimme klang tränenerstickt, während sie mit beiden Händen angstvoll die zitterige Rechte des alten Herrn umpreßte.

      Der wandte sich ab. »Ja ... ja, mein Kind!« sprach er zögernd, »mit dem Wohlleben ist's nun freilich aus! 'mal hat man Geld ... 'mal hat man keins ... Das ist so der Lauf der Welt.«

      »Aber früher hattest du doch Geld ... viel sogar ... wo ist denn das nur geblieben?«

      Er ging langsam zum Fenster. »Weg ist es eben!« brummte er unsicher vor sich hin ... »Zerronnen ... wie ... das weiß der Himmel allein.« Mit einem jähen Ruck fuhr er von der Scheibe zurück, und sein gutmütiges, würdevoll gedunsenes Gesicht verfinsterte sich.

      »Verflucht« ... knurrte er ... »...mußte mich der Kerl auch gerade von der Straße sehen! Nun hilft's nichts. Nun kommt der Bandit herauf! ...«

      Und wirklich. Da klopfte es schon energisch an die Tür.

      Es erschien Thea seltsam, daß gerade der Mann, der jetzt mit einem geschäftsmäßigen »Guten Morgen!« eintrat, ihrem Vater so unwillkommen war. Sah er doch weit anständiger aus als die bisherigen Kunden. Er hatte etwas von einem Militär a. D. an sich. Darauf wies auch der Schnauzbart in dem gesund geröteten Gesicht des in den Vierzigern stehenden Besuchers, der schlichte dunkle Tuchanzug und die Jovialität seines Auftretens.

      Er ging wie ein alter Bekannter auf den mürrisch am Tische sitzenden und in Papieren stöbernden Freiherrn zu ... »Na ... wie ist's denn heute, Herr Baron?« erkundigte er sich; und ein vertrauliches Lächeln glitt über seine Züge ... »heut' tu' ich gewiß keinen Fehlgang ...«

      Der alte Herr drehte sich im Sessel herum. Ein wütender Blick, wie der eines gehetzten Tieres, ein Blick, den Thea früher nie an ihm bemerkt, fuhr zu dem anderen hinauf. »Stellen Sie mich auf den Kopf ...!« schnaubte er ... »...was 'rausfällt, soll Ihnen gehören ... nichts hab' ich ... gar nichts ... laßt mich armen, alten Mann doch in Frieden! ...«

      »Na, nur kaltes Blut,« lachte der unbekannte Mann ... »...es geht ja nicht gleich um Kopf und Kragen! ... Aber zahlen müssen Sie! Der Schneidermeister will seine 33 Mark und 59 ... und ich ...«... er schaute sich prüfend im Zimmer um ... »...ich bin nu mit Gottes Hilfe wegen der Lumperei zum drittenmal hier!«

      Der Kammerherr fing seinen Blick auf. »Bedienen Sie sich nur, Herr Wegener!« knurrte er höhnisch ... »...Prüfet alles und behaltet das Beste! Tun Sie ganz, als ob Sie zu Hause wären!«

      »Ich danke!« Der Besucher schüttelte den Kopf ... »...Da hab' ich's zu Hause doch gemütlicher!«

      »Freilich! Zu Ihnen kommt kein Gerichtsvollzieher! Eine Krähe hackt der andern kein Auge aus! ... Na ... haben Sie noch nichts gefunden? ... Jawohl ... da drinnen!« Er blinzelte listig dem ins Nebenzimmer tretenden Exekutor nach ... »...jetzt brennt's ... Dort halte ich mein Silberzeug versteckt!«

      Aber der Mann des Gesetzes schien sich um den Hohn des Alten nicht zu kümmern. Man hörte, wie er drinnen ein paar Schubladen aufzog und am Bette kramte.

      Thea starrte ihm betäubt nach. Also das war ein Gerichtsvollzieher! Sie hatte noch nie einen gesehen.

      Da bemerkte sie, wie ihr Vater sich mit einem scheuen Blick auf den da drinnen in fiebernder Hast die Weste aufriß. Das Geldbeutelchen mit den Wetteinsätzen kam zum Vorschein und wurde von ihm an dem Bündchen über den Kopf gezogen.

      Er steckte es ihr blitzschnell mit der einen Hand zu, während die andere die Weste, so schnell es ging, wieder schloß ... »Tu's in die Tasche! ... Und kein Wort davon zu dem Kerl! Verstehst du?«

      Sie gehorchte mechanisch. Da erschien der Gerichtsvollzieher schon wieder auf der Schwelle.

      Der alte Herr lächelte ihn freundlich an: »Na, Herr Wegener ... Sie sehen: immer noch die alte, spartanische Einfachheit! Nichts als die paar Sachen, die das Gesetz uns läßt. Sie wissen ... Paragraph 715 der Zivil-Prozeß-Ordnung ... Im Schrank der gesetzliche, zweite Anzug ... auf dem Tisch mein unpfändbares Handwerkszeug ... Die Möbel im Hinterzimmer gehören, wie Sie wissen, meiner zurzeit auf Urlaub befindlichen Haushälterin ... manifestieren will ich jeden Augenblick, wenn es dem Schneider Spaß macht ... also grüßen Sie ihn von mir! Er soll nur geduldig meinen großen Schlag auf dem Rennplatz abwarten ...«

      »Da könnt' er wohl schwarz werden!« brummte der Exekutor ... »bis Sie ihm freiwillig ...« er unterbrach sich plötzlich und sprang auf den Flur ... »ist der Koffer da für den Baron Hoffäcker bestimmt?« fragte er einen Mann, der eben eine Last auf den Dielen niedersetzte.

      »Jawoll!« Der Mann nickte ... »Von der Paketfahrt!«

      Der Gerichtsvollzieher triumphierte: »Abgefangen!« lachte er und legte die Hand auf Theas Gepäck, wie um es zu verteidigen.

      »Lassen Sie den Koffer!« fauchte der alte Herr wütend, indem er ihm auf den Flur folgte ... »der gehört meiner Tochter!«

      »Er ist an Sie adressiert!« erwiderte der ungebotene Gast kaltblütig ... »geben Sie nur den Schlüssel her ...«

      Das Gesicht seines Gegners färbte sich dunkelrot vor Wut.

      »Herr Wegener,« sagte er mit leiser, zornig zitternder Stimme ... »wollen Sie etwa meiner armen Tochter, die eben in Berlin angekommen ist, ihre Effekten versiegeln? Das wäre denn doch ...«

      Der Gerichtsvollzieher hatte gleichmütig ein blaues Siegel hervorgeholt. Da trat Thea zwischen die beiden Männer. Sie nestelte etwas von ihrem Handgelenk los.

      »Ich glaube ... wenn man das Armband versetzt ...« sagte sie schwer atmend ... »der Erlös würde wohl genügen ...«

      Eine kurze Pause trat ein.

      Der Exekutor zuckte die Achseln: »Ja ... ich bin immer froh, wenn ich endlich bar Geld seh', mein Fräulein ... das können Sie mir schon nicht verdenken!«

      Der Freiherr kämpfte eine Weile mit sich. Dann ging er mit schweren Schritten, das graue Haupt von Thea abwendend, in das Hinterzimmer, riß das Fenster auf, und rief etwas in den Hof hinunter.

      Gleich darauf polterte es auf der Treppe. Ein verschlagen aussehender Bengel, die eben abgestreifte, blutbespritzte Schürze noch in der Hand, trat ein.

      »Höre, mein Sohn!« sprach der Kammerherr väterlich ... »bitte Herrn Krause unten in meinem Namen, daß er dich auf fünf Minuten von euren Hasen und Feldhühnern wegläßt, erbitte dir ferner deine Klebekarte als Legitimation und trage dies Armband hier ins Leihhaus ... du weißt ... in der Jägerstraße ... aber ordentlich Geld dafür ... verstanden? ... Dann setzt es eine fürstliche Belohnung ...«

      Der Bursche lief. Die beiden Männer gingen wieder nach vorn. An der Türe blieb der alte Baron stehen. Es zuckte und zitterte über sein gutmütiges, vergrämtes Gesicht. »Woher hast du denn das Armband, Kindchen?« fragte er mit schwankender Stimme.

      Sie sah ihn nicht an. »Du hast's mir vor fünf Jahren zum Geburtstag geschenkt,« murmelte sie ... »damals ... in Rhena ...«


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